Sexualität im Wandel Sexualforscher prophezeit Viel-Ehe
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Drei sind einer zu viel – so sehen es wohl die meisten in der Liebe. Laut Sexualforscher Volkmar Sigusch hat Monogamie jedoch keine Zukunft. Er erwartet, dass die Menschen bald mit mehreren Partnern leben werden. Wir haben uns zu dieser gewagten Prognose eine zweite Meinung eingeholt.
Polyamorie bedeutet, mehrere Beziehungen gleichzeitig zu führen mit allem, was dazu gehört: füreinander da sein, Liebe und Sex. Doch nichts ist exklusiv, es kann stets ein neuer Partner hinzukommen. Verflechten sich die Beziehungen miteinander, entstehen sogar größere Familien, die gemeinsam unter einem Dach leben.
Die ewige Liebe - ein Mythos?
"Ich bin überzeugt, dass Polyamorie die Zukunft unserer Kultur ist. Allein schon weil wir immer älter werden und immer länger mit einem Partner zusammenleben sollen", erklärt Sigusch in der aktuellen Ausgabe des Magazins "Zeit Campus". Demnach passiert es mit der Zeit nicht selten, dass das gegenseitige Begehren sinkt und die Sehnsucht nach einem neuen Sexualpartner wächst.
Mit einer offenen Beziehung könnten Paare sogar ihre abflauende Liebe retten. "Oft tritt dann das Verlangen nach Sexualität mit anderen in den Hintergrund. Weil das, was man sowieso tun kann, seinen Reiz verliert", erklärt Sigusch. Trotzdem ist sich der Forscher sicher: "Eines Tages wird die Mehrpersonenehe selbstverständlich sein."
"Menschen wünschen sich ungeteilte Liebe"
Noch steht in Deutschland die Ehe zu mehreren Partnern unter Strafe. Doch wünschen sich die Deutschen wirklich die Viel-Ehe? "Ich halte polyamore Beziehungen für eine Ausnahme, weil die meisten Menschen sich eben doch diese Zweierbeziehung wünschen, in der sie ungeteilte Liebe erfahren," meint Paar-Coach und Beziehungsexperte Eric Hegmann im Interview mit t-online.
Außerdem müsste in vielen polyamoren Beziehungsgeflechten mindestens eine Person bisexuell sein. Dass das Konzept für eine ganze Gesellschaft taugt, ist schon alleine deshalb fragwürdig.
Hinter Polyamorie kann auch Bindungsangst stecken
"Es ist eher ein Schritt zurück in die Höhle zu sagen, Menschen könnten nicht treu sein," sagt Hegmann. Die Forschung habe gezeigt, dass das Hormon Oxytocin dafür sorgt, dass wir uns nach Bindung sehnen. "Der Wunsch nach einer polyamoren Beziehung mag in einigen Fällen auch eine Form von Bindungsangst sein," schlussfolgert er deshalb.
Treueschwüre machen nicht immer Sinn
Allerdings ist sich auch Hegmann sicher: Die Leidenschaft zu ein und demselben Partner bleibt nicht zwangsläufig ein Leben lang bestehen. Bleibt der Sex aus, geht damit auch eine wichtige Bindung zwischen den Partnern verloren. Ein Treuegelöbnis, das gegen die eigenen Bedürfnisse aufrecht erhalten wird, macht daher wenig Sinn. Liebeskummer erleben, sich neu verlieben - all das könne einen persönlich weiter bringen, so Hegmann.
Eifersucht, mit der sich Partner gegenseitig kontrollieren, sieht auch Hegmann kritisch. "Polyamore Beziehungen machen durchaus richtig, dass sie Egoismus in Frage stellen."