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Digitale Bildung an Schulen: Deutschland hinkt hinterher


Meinung
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Große Defizite
Willkommen in der Kreidezeit

MeinungEine Kolumne von Bob Blume

03.12.2024 - 07:09 UhrLesedauer: 3 Min.
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Bettina Stark-Watzinger (FDP): Bis vor wenigen Wochen war sie noch Bildungsministerin. (Quelle: Bernd Elmenthaler/imago-images-bilder)

In vielen Ländern sind die Schulen in der Zukunft angekommen. Digitale Technologien sind fester Bestandteil des Bildungsalltags. Deutschland hinkt bei Ausstattung und Ausbildung meilenweit hinterher.

Stellen wir uns vor, Schülerinnen und Schüler lernen gemeinsam mit humanoiden Robotern, die individuell auf ihre Bedürfnisse eingehen. Gibt es schon, allerdings in Japan. Stellen wir uns weiter vor, Schülern wird durch spielerische Bildungsplattformen nicht nur Wissen vermittelt, sondern gleichzeitig Problemlösungsfähigkeit und Teamwork mitgegeben. Gibt es auch schon, in Singapur. Und in Südkorea entwickeln KI-Systeme personalisierte Lernpläne, die den Fortschritt eines jeden Schülers täglich analysieren und optimieren. Digitale Zwillinge von Klassenzimmern ermöglichen es in Estland, Lehrkräfte zu unterstützen, indem sie Unterrichtsmethoden in Echtzeit testen und anpassen. All diese Errungenschaften sind keine Zukunftsfantasien – sie sind Realität. Nicht aber in Deutschland.

Bob Blume ist Lehrer und Autor.
Bob Blume ist Lehrer und Autor. (Quelle: privat)

Zur Person

Bob Blume ist Lehrer, Bildungsinfluencer und Podcaster. Er schreibt Bücher zur Bildung im 21. Jahrhundert und macht in den sozialen Medien auf Bildungsthemen aufmerksam. In seiner Kolumne für t-online kommentiert er aktuelle Bildungsthemen mit spitzer Feder. Man findet Blume auch auf Threads und auf Instagram als @netzlehrer, wo ihm mehr als 160.000 Menschen folgen. Sein neues Buch "Warum noch lernen?" ist ab sofort im Handel erhältlich.

In den genannten Ländern wird die Digitalisierung als Chance begriffen, um das Bildungssystem nicht nur effizienter, sondern auch gerechter zu machen. Sie setzen auf Medienkompetenz als Grundpfeiler einer modernen Gesellschaft und darauf, Jugendliche auf eine Welt vorzubereiten, in der Digitalität längst der Normalzustand ist. Technologien wie Künstliche Intelligenz werden genutzt, um Bildung zu revolutionieren, Barrieren abzubauen und die soziale Ungleichheit zu verringern.

Dem gegenüber steht, dass deutsche Schülerinnen und Schüler trotz der Omnipräsenz digitaler Medien in ihrem eigenen Leben in vielen Fällen weder grundlegende Kenntnisse in Medienkompetenz haben, noch wissen, wie sie mit Fake News, algorithmischen Empfehlungen oder Cybergefahren umgehen sollen.

40 Prozent der deutschen Jugendlichen haben Rückstand

Der Digitalpakt hat Milliarden in die Schulen gespült, doch diese Gelder versickern oft in schlecht geplanten Infrastrukturprojekten. Die Anschlussfinanzierung ist immer noch nicht gesichert. Lehrerinnen und Lehrer kämpfen sich durch zähe Bürokratie, während viele Schulen nach wie vor nicht einmal ein funktionierendes WLAN haben.

Eine kürzlich veröffentlichte Studie der digitalpolitischen Initiative D21 zeigt, dass mehr als 40 Prozent der deutschen Jugendlichen nicht in der Lage sind, Informationen aus dem Internet kritisch zu bewerten. Gleichzeitig stehen viele Lehrkräfte der digitalen Transformation skeptisch gegenüber – nur ein Bruchteil fühlt sich ausreichend geschult, um Schülerinnen und Schüler in Sachen digitale Kompetenzen zu unterrichten.

Währenddessen wächst die Kluft: Laut einer OECD-Studie zur Zukunft der Arbeit werden 14 der 15 am stärksten nachgefragten Fähigkeiten in Zukunft digital geprägt sein. Doch deutsche Schulen bleiben in der Kreidezeit hängen – im wahrsten Sinne des Wortes, denn hierzulande schreiben die Lehrer noch mit Kreide auf Tafeln. Und während wir uns noch mit dem unwissenschaftlichen, aber ungemein wirkungsmächtigen Begriff der "digitalen Demenz" beschäftigen, werden wir auch auf dem Gebiet der digitalen Kompetenzen abgehängt.

Was ist digitale Demenz?

Der Begriff wurde 2012 vom deutschen Arzt und Neurowissenschaftler Manfred Spitzer geprägt. Mit digitaler Demenz ist gemeint, dass die häufige Nutzung von Smartphones, Computern und anderen digitalen Geräten die geistigen Fähigkeiten schwächen könnte. Zum Beispiel könnten Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Denken darunter leiden.
Viele Fachleute halten diese Annahme für nicht belegt. Sie betonen, dass ein sinnvoller Umgang mit digitalen Medien wichtiger ist, als sie zu meiden.

Ein digitaler Rückstand, der Demokratie gefährdet

Die Konsequenzen sind fatal: Schülerinnen und Schüler, die nicht lernen, mit digitalen Werkzeugen verantwortungsvoll und kompetent umzugehen, werden auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt. Bis zu 3 Millionen Jobs werden in Zukunft durch KI und Digitalisierung gefährdet oder fundamental verändert.

Und ganz nebenbei laufen junge Menschen Gefahr, in einer Welt von Desinformation und Manipulation verloren zu gehen. Dabei ist Medienbildung keine Kür, sondern eine Pflicht – gerade in einer Demokratie, die auf kritische und mündige Bürgerinnen und Bürger angewiesen ist. Und die längst von der Digitalität – also der Wirkung von digitalen Plattformen, Netzwerken und deren Informationen – geprägt ist.

Visionen endlich in Realität umsetzen

Es besteht Handlungsbedarf – und zwar seit Jahren. Die Schulen müssten längst Orte sein, an denen nicht nur Rechnen und Schreiben, sondern auch Recherche, Informationsentnahme und -verarbeitung sowie Programmieren gelehrt werden. Wo bleibt der Mut, unsere Schulen ins 21. Jahrhundert zu führen?

Stellen wir uns eine Welt vor, in der Deutschlands Schulen nicht nur aufholen, sondern zur Speerspitze digitaler Bildung werden. Es klingt utopisch. Aber es ist möglich – jedoch nur, wenn wir endlich den Willen zeigen, diese Vision in die Realität umzusetzen.

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