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Handyverbot an Schulen? Lehrer fordert klare Regeln für Smartphones


Hitzige Diskussion
Nehmt ihnen die Handys weg

MeinungEine Kolumne von Bob Blume

12.07.2024Lesedauer: 4 Min.
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Chance und Gefahr: Handys können ein sinnvolles Lernmittel sein, bergen aber auch Risiken. (Quelle: IMAGO/Alberto Guglielmi/Blend Images/imago)

Die massive Verbreitung von Smartphones unter Jugendlichen stellt Schulen vor große Herausforderungen. Unser Kolumnist, Lehrer Bob Blume, fordert klare Regeln zur Nutzung der Geräte.

65 Stunden auf TikTok. In einer Woche! Neulich habe ich für ein Gespräch mit dem Medienpädagogen Clemens Beisel im Podcast "Die Schule brennt" über den problematischen Umgang von Schülern mit ihrem Smartphone zwei Zahlen nachgeschaut. Sie stammten aus einem Workshop mit Schülerinnen und Schülern, die darin ihre Handynutzung analysieren sollten. Jeder kann das einfach in den Daten seines Geräts nachschauen. Eine Schülerin kam auf 65 Stunden in der Woche. Eine andere auf fast 300.000 WhatsApp-Nachrichten, die sie in einem Jahr bekommen hatte. Das sind 800 am Tag.

Es sind schockierende Zahlen. Andererseits werden sie Eltern, deren Kinder ein Handy haben, kaum überraschen. Knapp 100 Prozent der 12- bis 19-Jährigen besitzen so ein Gerät inzwischen, wie die sogenannte Jim-Studie im letzten Jahr ergab. Die Diskussionen darüber, wie viel Zeit Kinder und Jugendliche mit dem Handy verbringen sollten, ist ein weltweites Phänomen. Bücher, die sich mit den Konsequenzen dieses Konsums befassen, werden schnell zu Bestsellern. So auch "Generation Angst" des US-amerikanischen Psychologieprofessors Jonathan Haidt. Mit dem "Spiegel"-Bestseller "Wir verlieren unsere Kinder" verdeutlichte die Autorin und Schulleiterin Silke Müller schon im Titel, was es bedeutet, den Kampf um die Aufmerksamkeit zu verlieren.

Bob Blume ist Lehrer und Autor.
Bob Blume ist Lehrer und Autor. (Quelle: privat)

Zur Person

Bob Blume ist Lehrer, Blogger und Podcaster. Er schreibt Bücher zur Bildung im 21. Jahrhundert und macht in den sozialen Medien auf Bildungsthemen aufmerksam. In seiner Kolumne für t-online kommentiert er aktuelle Bildungsthemen mit spitzer Feder. Man findet Blume auch auf Twitter und auf Instagram, wo ihm mehr als 100.000 Menschen folgen. Sein Buch "10 Dinge, die ich an der Schule hasse" ist im Handel erhältlich.
Hier geht's zu Blumes Instagram-Auftritt.

Zwar werden diese Bücher und insbesondere ihre Ausgangsthesen auch kritisiert. Haidt etwa wird Einseitigkeit vorgeworfen, weil er von einer "smartphonbasierten Kindheit" spricht, die die "spielbasierte Kindheit" ersetzt habe. Doch es dürfte unbestritten sein, dass der Umgang von Kindern und Jugendlichen mit Smartphones in Familien und Schulen inzwischen ein immens großes Thema ist. Die Gefahren sind bekannt, die etwa von Grooming ausgehen, also dem Anbahnen von Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern. Oder dem allzu freimütigen Teilen von selbstgemachten Videos und freizügigen Bildern.

Gerade in Schulen stellt sich dabei die Frage, inwiefern Handys genutzt werden sollten und welche Regelungen einen Umgang erlauben, der nicht schädlich ist.

Zwei Positionen stehen sich gegenüber

Grob gesagt stehen sich zwei Positionen scheinbar widersprüchlich gegenüber. Zum einen muss Schule im 21. Jahrhundert eine Form des Lernens bieten, die sich an der digitalen Gesellschaft orientiert. Zum anderen beinhalten aber ausgerechnet die Geräte, die für eine solche Orientierung nötig sind, erhebliche Risiken. Damit sind nicht nur die grauenhaften Bilder gemeint, die jeder junge Mensch schon gesehen hat, wenn er einen Internetzugang hat. Und auch nicht die pornografischen Inhalte, die ohne jegliche Altersprüfung frei verfügbar sind. Noch nicht einmal die scheinbare Perfektion von Models und Influencern, die ein Körperbild vermitteln, das vor allem Mädchen anfällig für Essstörungen macht.

Nein, allein dass Millionen von Apps so programmiert werden, dass ihre Nutzer süchtig nach ihnen werden, macht klar: Mit einem einfachen Arbeitsblatt zur richtigen Handynutzung ist es hier nicht getan. Zudem betrifft diese Handysucht ja oft auch Erwachsene – darunter jede Menge Eltern.

Die Geräte müssen von den Schulen bereitgestellt werden

Für Schulen kann all das nur bedeuten, dass die Handynutzung eingeschränkt werden muss. Es gibt keinen Grund, weshalb Schüler in den Pausen an ihren Geräten hängen sollten – selbst wenn sie gerne irgendwelche "Notfälle" als Rechtfertigung anbringen. Der Austausch mit Gleichaltrigen ist, gerade in Zeiten ohne Unterricht, wichtig. Andererseits bedeutet die produktive Einbindung digitaler Geräte in den Unterricht auch, dass Kinder und Jugendliche diese von einer Seite kennenlernen, die sie möglicherweise nicht von sich aus erfahren: als Arbeitsgeräte, als produktive Werkzeuge und professionelle Vernetzungsmaschinen. Digitale Geräte dann einsetzen zu können, wenn es sinnvoll ist, sollte immer möglich sein.

Aber: Tablets und Rechner sollten von der Schule und damit vom Schulträger bereitgestellt werden. Darum ist es so wichtig, dass der Bund sich weiter an den Kosten der Digitalisierung der Schulen beteiligt, also dem Digitalpakt 2.0. Lässt man Kinder und Jugendliche ihre eigenen Geräte nutzen, hat man sie nicht mehr unter Kontrolle. Schulgeräte können so konfiguriert werden, dass sie nicht bei jeder Nachricht piepen und die Aufmerksamkeit von jenen Inhalten ablenken, die eigentlich gelernt werden wollen.

Konstruktiv-kritischer Gebrauch

Die Diskussion, wie mit Smartphones umgegangen werden sollte – sowohl in der Schule als auch in der Familie –, ist noch lange nicht vorbei. In den letzten zehn Jahren hat sie aber gezeigt, dass eine zu dogmatische Sichtweise kontraproduktiv ist – und das unabhängig davon, ob man für oder gegen den (schulischen) Gebrauch ist. Die Frage ist immer, wie ein konstruktiv-kritischer Gebrauch dieser Allzweckgeräte gefördert werden kann, ohne die Jugendlichen zu einem problematischen Gebrauch zu animieren, der ihre sich entwickelnden Gehirne negativ beeinflusst.

Lernen im 21. Jahrhundert geschieht mit, ohne, trotz und durch Medien. Wann es sinnvoll ist, digitale Medien einzusetzen oder wegzulassen, ist eine Frage, die sich jeder und jede stellen muss, der oder die mit Kindern zu tun hat. Es kann nicht um ein Entweder-oder gehen, sondern um ein Sowohl-als-auch, das gleichzeitig nicht die Augen vor den Gefahren verschließt und dennoch Ausschau hält nach dem Potenzial, das sich bei reflektiertem Gebrauch offenbart.

Verwendete Quellen
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