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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Online und allein Wenn zu viel Internet Jugendliche einsam macht
Schreckensszenario für Eltern: Der Computer oder das Smartphone wird zum besten Freund des Kindes - und ab und zu auch zum einzigen. Eine Studie der Universitätsmedizin Mainz hat nun untersucht, wie stundenlanges Streunen durch virtuelle Welten und echte Einsamkeit zusammenhängen.
Mit einem Nachtelfen lässt sich schlecht ins Kino gehen. Und ein Troll wird einen wohl kaum auf ein Eis einladen. Dennoch sind Helden wie diese aus dem Onlinespiele-Klassiker "World of Warcraft" vielen Jugendlichen so vertraut wie reale Freunde. Kann es sein, dass vor lauter Online-Zockerei die Freundschaft zum Nachbarsjungen zerbricht? Und die Schulnoten in den Keller sacken? Manfred Beutel, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Mainz, wollte das auch wissen. Er hat daher die gefragt, um die es geht: die Jugendlichen.
Drei Prozent sind internetsüchtig
Rund 2400 junge Menschen zwischen zwölf und 18 Jahren haben an seiner Befragung teilgenommen. Dabei ging es nicht nur um Onlinespiele, sondern auch um viele andere Dinge, die sich im Netz abspielen - etwa die sozialen Netzwerke wie Facebook oder youtube. Beutel stieß dabei auf einige echte Hardcore-Surfer. Bei rund drei Prozent der Befragten geht er von einer suchtartigen Nutzung des Internets aus - und von echten Problemen in der Welt jenseits von Pixeln und Gigabytes.
Internetsucht: Das sind Symptome
Bei den Suchtkriterien habe er sich an der amerikanischen psychiatrischen Vereinigung orientiert, sagt Beutel. "Da ist zum Beispiel der ausufernde Gebrauch: Ist man immer länger online? Kann man es eingrenzen oder ist man länger online als man vorhatte? Geht der erste Gang zum Computer? Und gibt es schädliche Folgen?" Dazu zählen etwa Streit mit den Eltern oder schlechte Schulnoten.
"Reale Kontakte werden vernachlässigt"
Jugendliche, die häufig online zocken und auf Sexseiten unterwegs sind, haben demnach eine schlechtere Bindung zu ihren Freunden. Sie kommunizieren weniger, vertrauen ihren Freunden nicht so sehr und fühlen sich entfremdet. Bei den sozialen Netzwerken ist es etwas anders gelagert. Probleme gibt es aber auch dort.
"Die vorwiegend soziale Nutzung der Internets - beispielsweise von Facebook - geht zunächst einher mit mehr Vertrauen und Kommunikation", sagt Beutel. "Dennoch: Bei den drei Prozent, bei denen es suchtartig ist, treten auch die negativen Wirkungen auf. Dann werden reale Kontakte vernachlässigt."
Jungs suchen nach Sex und Spielen, Mädchen nach sozialen Kontakten
Laut Beutel treffen die Suchtkriterien bei Jungen und Mädchen ähnlich häufig zu - wobei Jungs eher bei den Onlinespielen, Glücksspiel und Sexseiten zu finden sind, Mädchen eher bei den sozialen Netzen. Auf die Frage, ob das Internet einsam macht oder ob es vor allem Einsame ins Internet zieht, sagt Beutel, er gehe von einem Teufelskreis aus.
Anonymität macht attraktiv
"Wir sehen beides. Wir sehen auch eine gewisse Veranlagung", sagt Veit Rößner, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie in Dresden. Es gebe verschiedene Gründe, warum das Internet attraktiv für Jugendliche sei. Einer sei die Anonymität. "Man muss nicht die Angst haben, als Person verletzt zu werden. Eine Online-Abfuhr ist etwas anderes als wenn man wirklich zu einem Mädchen hingeht und einen Korb kriegt."
Computerspiele sind auch ein Gemeinschaftserlebnis
Der Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) betont, dass Computerspiele oft auch ein Gemeinschaftserlebnis seien. "Das gemeinsame Spielen ist seit jeher eine zentrale Komponente vieler Spiele und ist in den vergangenen Jahren durch die zunehmende Internet-Nutzung noch deutlich wichtiger geworden", sagt BIU-Geschäftsführer Maximilian Schenk. "Im Gegensatz zu anderen Medien wie dem Fernsehen stärken Computer- und Videospiele Beziehungen und Freundschaften."
"Man kann nicht online küssen"
Auch Mediziner Rößner benennt Vorteile. "Unsere Arbeitswelt verändert sich immer mehr zum schnellen Multitasking und zur Computernutzung", sagt er. Feinmotorik der Hand, Aufmerksamkeitsleistung oder räumliche Wahrnehmung - Computerspieler seien da häufig gut trainiert. "Auf der anderen Seite kann man das Soziale nur näherungsweise erlernen", sagt Rößner. "Man kann nicht online küssen."
Was Eltern tun können
Doch was können Eltern tun, wenn der Sohn sich bereits abgekapselt hat, nur noch vor dem Computer hockt, und dafür die Schule sausen lässt? Oder die Tochter nicht mehr vom Smartphone wegkommt? Der Psychologe Beutel kennt solche Fälle aus seiner Praxis.
Interesse zeigen
"Ich würde Eltern empfehlen, sich frühzeitig damit vertraut zu machen, was ihre Kinder online machen", sagt Beutel. Das bedeute auch, Kindern zu helfen, ihre Online-Zeiten zu regulieren. "Sie müssen frühzeitig lernen, dass es Zeiten für Online-Aktivitäten gibt, aber auch genug Zeiten für Offline-Aktivitäten."
Sozialkontakte fördern
"Eltern sollten darauf achten, wie die Sozialkontakte ihrer Kinder sind, und nach Möglichkeit helfen. Also lieber einmal mehr zu den Freunden fahren oder Einladungen aussprechen", sagt Beutel. Sie dürften sich nicht nur auf den Online-Aspekt fixieren, sondern auch im Blick haben, was das Kind ansonsten macht.
Vorbild sein
Es sei wichtig, den Umgang mit Medien in der Familie zu betrachten, sagt Beutel. Wenn im Wohnzimmer ständig der Fernseher läuft, sei von einem Jugendlichen kaum zu erwarten, dass er seinen Computer ausschaltet.
Alternativen bieten
"Ich frage die Eltern und Kinder auch immer: Was macht ihr denn gemeinsam, was gibt es für gemeinsame Aktivitäten? Das ist dann manchmal etwas dünn", sagt Beutel. Es sei aber wichtig, dass Eltern Alternativen bieten.
Ist mein Kind süchtig? Checkliste für Eltern
Die EU-Initiative für mehr Sicherheit im Netz bietet auf der Website klicksafe.de für Eltern eine Broschüre zu Internet- und Computerspielabhängigkeit an. Sie enthält eine Checkliste, die Eltern einen ersten Anhaltspunkt geben können, ob ihr Kind gefährdet ist. Wenn drei oder mehr Merkmale zutreffen, sollten Eltern reagieren und gegebenenfalls professionelle Hilfe suchen.
- Die Gedanken des Kindes kreisen auch bei anderen Beschäftigungen ständig um Computer, Internet oder Spielkonsole.
- Das Kind spielt und surft bis tief in die Nacht.
- Dem Kind fällt es schwer, die Zeit vor dem Bildschirm zu begrenzen.
- Das Kind reagiert gereizt, wenn es auf Computer, Internet oder Spielkonsole verzichten muss.
- Es zieht sich immer mehr von Familie und Freunden zurück.
- Internetnutzung verdrängt andere Interessen und Hobbys.
- Die Leistungen in der Schule haben sich deutlich verschlechtert.
- Das Kind verzichtet auf Mahlzeiten, um am Computer zu bleiben.
- Es hat stark ab- oder zugenommen und wirkt übermüdet.
- Das Kind reagiert Gefühle wie Ärger oder Frust mit Computerspielen ab.