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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Leser von t-online.de kritisieren Lehrer "Sündenböcke für Versäumnisse der Politik"
Lehrer sollten "Kerzen des Volkes" sein, so Michael Felten, Gymnasiallehrer in Köln und Autor zahlreicher Bücher zu schulpädagogischen und fachdidaktischen Fragen. Sie sollten "Entwicklungswege beleuchten, begleiten und dabei wärmen". Doch dieses Ideal wird in Deutschland gegenwärtig nur in Ausnahmefällen erreicht. Aber sind an diesem Zustand tatsächlich die Lehrer selbst schuld? Ein Leser von t-online.de sagt zu dem Zitat von Felten: "Lehrer als 'Kerzen'? - nein: Lehrer sind eher wie Laternen. Ja, sie sollen (oben) leuchten, von unten werden sie aber ständig angepinkelt." Ist die zum Teil sehr harte Kritik an unseren Pädagogen überzogen oder ganz und gar unangebracht? Das denken die Leser von t-online.de.
Jeder dritte Lehrer ist nicht geeignet
Warum sich Abiturienten für den Lehrerberuf entscheiden, hat der Erziehungswissenschaftler Udo Rauin, Direktor des Zentrums für Lehrerbildung an der Uni Frankfurt, untersucht. In einer Langzeitstudie über zwölf Jahre befragte er 1100 Lehramtsstudenten nach den Gründen für ihre Berufswahl und begleitete sie während des Studiums, des Referendariats und der ersten Jahre im Job. Es zeigten sich dabei drei Typen von Pädagogen: die Engagierten, die ein echtes Interesse an der Arbeit mit Kindern hatten, die Pragmatiker, die einen gut bezahlten, sicheren und familienfreundlichen Arbeitsplatz anstrebten und schließlich die "Freizeitanhänger", die ihrer Berufswahl das Motto "Halbtagsjob und drei Monate Ferien" voranstellten.
Das Ergebnis der Studie ist im Frankfurter Uni-Magazin "Forschung aktuell" unter dem Titel "Im Studium wenig engagiert - im Beruf schnell überfordert" veröffentlicht worden. Sie zeigte weiterhin, dass knapp ein Drittel aller Anwärter für den Lehrerberuf ungeeignet ist. Erstaunlich: Auch wenn Selbstzweifel an der Eignung aufkamen, hielten die meisten dennoch an ihren Berufsziel fest.
"90 Prozent aller Lehrer sind pädagogische Nullnummern"
Ist demnach das "Bashing", das Lehrer von allen Seiten erfahren und ertragen müssen, berechtigt? Keineswegs, schaut man sich die Meinungen unserer Leser an. Nur vereinzelt tauchen jene Kommentare auf, die das Problem fast ausschließlich bei den Lehrern sehen und vor allem die heutige Generation der Pädagogen scharf kritisiert:
- Bin Mutter von 4 Kindern und erlebe fast täglich, wie unqualifiziert einige Lehrer in diesem Land sind. Haben Schüler eine fachorientierte Frage, kommt als Antwort: schau gefälligst im Internet nach oder frage deine Eltern. Ebenso gehören Ausraster wie Schüler anschreien oder Gegenstände durch die Klasse werfen fast zum täglichen Schulunterricht. Schon längst gehört das Beamtentum in diesem Beruf abgeschafft und wer nichts taugt, muss weg. Die Pisa-Ergebnisse überraschen nicht. (Realistin)
- Verstehe die ganze Diskussion über zu große Klassen, usw. nicht. Bin selber Jahrgang 1959. Da waren Lehrer wirklich noch Lehrer und konnten den Stoff auch an viele SchülerInnen vermitteln. Das Problem ist einfach, die können und wollen heute nicht mehr. Denen geht es viel zu gut. Teilweise kommen ja aussagen: "Ich bin Beamter, mir kann nichts passieren". Deshalb Beamtentum bei Lehrern abschaffen. Das ist ein No-Go. Sowas entscheidet über die Zukunft unserer Kinder. (erneut: Realistin)
- Als Schüler war mein Lieblingsspruch, dass 90 Prozent aller Lehrer pädagogische Nullnummern sind. Nach fast 30-jähriger Tätigkeit als Lehrer hat sich an dieser Meinung leider wenig geändert! Laut Bayerischem Erziehungs- und Unterrichtsgesetz, das für alle Schularten gilt, ist der Auftrag zu Erziehung und Bildung gleichwertig. Als ich den Gymnasialschuleiter meines Sohnes eben darauf hinwies, bekam ich wörtlich zur Antwort , dass es am Gymnasium keine Zeit für Erziehung gebe! (guggsdu)
- Ich gehöre zur älteren Geberation, der sogenannten Kriegsgeneration, und ich frage mich, wie es unsere Lehrer geschafft haben. Und wir hatten weniger Stunden, hatten weniger zu essen, hatten weniger Möglichkeiten zur Weiterbildung durch Bücher, Zeitschriften und Fernsehen. Lag es vielleicht daran, dass man sich mit den Schülern beschäftigte. In der Schule durch den Lehrer, zuhause durch die Eltern. Und der Kontakt Eltern/Lehrer intensiver war? (Ercl)
Nicht alle Lehrer überzeugen - aber es sind auch nicht alle schlecht
Doch die Mehrheit sieht das Bildungsproblem deutlich differenzierter: In einer Umfrage wollten wir von den Lesern des Elternportals von t-online.de wissen, wie sie die Lehrer ihrer Kinder beurteilen. Nur eine Minderheit zeigte sich vollkommen unzufrieden mit den Lehrern (9,9 Prozent). Fast genauso viele der 9707 User, die abstimmten, sind der Ansicht, dass ihre Kinder "ausnahmslos gute Lehrer" haben (10,1 Prozent). Die Wahrheit scheint dazwischen zu liegen: Die meisten Leser finden "im Großen und Ganzen hat mein Kind gute Lehrer. Ein paar Ausnahmen gibt es immer" (43,7 Prozent) oder "natürlich gibt es auch eins, zwei gute, aber von den meisten Lehrern meiner Kinder halte ich eher wenig" (33,6 Prozent).
Fremdwort Pädagogik: Mängel in der Lehrerausbildung
Ein ähnliches Bild ergibt sich aus den Leserkommentaren. Ein Großteil der User steht dem Lehrbetrieb skeptisch gegenüber, sieht die Verantwortung dafür allerdings nicht oder nicht nur bei den Lehrern. Vielmehr lägen die Fehler schon in der Ausbildung der Pädagogen:
- Leider ist für recht viele Lehrer Pädagogik ein Fremdwort, da sie im Studium nur unzureichend gelehrt wurde. Dabei finde ich, es sollte mit zum wichtigsten Studienfach werden, genauso wie Psychologie. Zwei Inhalte, die gerade bei der heutigen Jugend sehr wichtig sind. Unsere Kinder von heute haben viele andere Probleme als vor 20 oder 30 Jahren, damit wird sich leider nur unzureichend befasst. Warum ein Kind auf einmal absackt, interessiert leider kaum einen, z.B. durch familiäre Probleme. (Flummi)
- Junglehrer kommen sehr schnell wieder auf den Boden Tatsachen zurück, weil sie im normalen Schulalltag etwas ganz anderes vorfinden als das, was in der Uni an Pädagogik gelehrt wurde. In vielen Schulklassen mit sehr unterschiedlichen sozialen Problemen der Schüler geht es hauptsächlich um die Herstellung von zwischenmenschlichen Beziehungen. Hat man als Lehrer dann einen Kontakt zum Schüler, funkt das Elternhaus mit Sicherheit beleidigt dazwischen. Am Ende muss der Lehrer sich nur noch auf den Lehrstoff konzentrieren, weil er mit Beschwerden abgestraft wird! (Thomas)
- Gut, dass das mal zur Sprache kommt. Lehrer zu sein ist ohne Frage ein harter Job. Wenn ich mir aber anschaue, mit welch hilflosen Methoden und wie wenig pädagogisch kompetent hier teilweise gearbeitet wird und sehe, was der Staat alles nicht tut, um das Bildungssystem in Schuss zu bringen, dann ist das sehr traurig. Lehrer sollten definitiv besser ausgebildet und es sollte besser überprüft werden, ob die Menschen überhaupt für diesen Beruf geeignet sind. (Münchnerin)
- Bei Aussagen über das Bild in der Öffentlichkeit, sollte man nicht außer Acht lassen, dass es zwischen den Schulformen riesige Unterschiede gibt. Grundschullehrerinnen genießen ein hohes Ansehen und haben eine fundierte pädagogische und psychologische Ausbildung! Aus diesem Grund entstehen neue und bessere Lehrmethoden genau in diesem Schulbereich. Warum sich aber oft Gymnasiallehrer ihnen gegenüber arrogant und hochnäsig verhalten, ist mir ein absolutes Rätsel. (Guter Unterricht)
Zweifellos ist die Kritik an der Ausbildung der Lehrer berechtigt: Schließlich lassen sich die erwünschten pädagogischen Qualitäten nur erwerben, wenn man frühzeitig Praxiserfahrung im Klassenzimmer sammelt. Doch die Lehreranwärter in Deutschland müssen meist erst nach dem Studium während des Referendariats zeigen, ob sie in der Lage sind, eine Klasse zu führen, die Lust am Lernen zu fördern und gleichzeitig Stoff zu vermitteln. Bildungsexperten sind sich einig, dass diese Trainingseinheiten viel zu spät kommen. Sie kritisieren, dass die konsequente Verzahnung von Was und Wie in der Lehrerausbildung hierzulande noch nicht zum Standard gehört. Im Zentrum steht nach wie vor die fachliche Qualifikation, Pädagogik ist zweitrangig: Wer in der bayerrischen Lehramtsprüfung in Pädagogik mit der Note Fünf abschneidet, fällt nicht etwa durch, denn die schlechte Bewertung kann durch gute fachliche Zensuren ausgeglichen werden.
Büßen Lehrer für die Versäumnisse von Politikern und Eltern?
Viele andere Leser sehen sogar das gesamte deutsche Bildungssystem, die Gesellschaft, aber zum Teil auch die Eltern in der Pflicht - und in der Schuld:
- Lehrer sind in dieser Gesellschaft die Geprügelten. Warum? Sie müssen ein System am Leben halten, was aus der Kaiserzeit stammt (andere Länder wie Finnland haben das gelernt). Die Kleinstaaterei ist noch immer nicht überwunden. Kultusminister ohne Ahnung und dann eine Lehrerausbildung, wo Methodik, Didaktik, Psychologie in der Referendarzeit drangeklatscht werden. Lehrerausbildung in der Ex-DDR beinhalteten diese Fachbereiche vom 1.Tag an. Aber die "Komunistenlehrer" will ja keiner. (Oberlehrer)
- Den Lehrern dieses Landes sollte mehr Unterstützung zukommen: von den Eltern, die einsehen müssen, das ihr Kind nicht der hochintelligente Engel ist; von der Politik, die nicht alles (z.B. Inklusion) ungefiltert den Schulen aufhalsen kann, ohne entsprechende Strategien mitzuliefern; von der Gesellschaft, die den Lehrern für ihr Tun Respekt und Annerkennung zollen sollte, statt immer nur zu meckern. Auch bei Lehrern gilt das System der positiven Verstärkung, nicht nur bei Schülern und Hunden! (Mutter)
- Ja, schuld sind natürlich die Lehrer. So ein Quatsch. Das System muss geändert werden. Weg von der Hauptschule, hin zu einer Berufsausbildenden Schule ab Klasse 8. Geld muss ins System. (supergirl)
- Vielleicht müssen die Lehrer das Lehren besser lernen. Vor allem müssen aber auch die Kinder heutzutage das Lernen lernen. Die meisten können das nicht. Dazu kommt noch das Problem mit den Eltern, die für alles, was ihre Kinder tun, eine Entschuldigung haben. Das fängt schon im Kindergarten an. Es ist manchmal nicht zu ertragen, wenn Eltern meinen, dass sie Intelligenzbestien gezeugt haben, aber am schlechten Verhalten immer die anderen schuld sind. (Kindergärtnerin)
- Zu viel Theorie, zu wenig Praxis, dazu nach dem Studium ungewisse Zukunft. Dann kommen die Medien, die auf die ständig Ferien machenden, überbezahlten Lehrer schimpfen und Eltern, die ihre armen Kinder vor den bösen Lehrern schützen müssen. Wer sieht, dass ein engagierter Lehrer meist zu Hause noch 2-4 Stunden die nächsten Unterrichtstage vorbereitet? Deutschland schützt seine Pädagogen nicht. Es macht sie zu Sündenböcken für viele Versäumnisse der Politik. (quetsche3)
- Der Respekt gegenüber diesem Beruf ist in Deutschland wirklich eine Katastrophe. Ich habe noch in keinem anderen Land erlebt, wie systematisch die Lehrer sowohl von den Politikern, den Medien und der Gesellschaft demontiert werden. (Vater)