Jugendliche Teenagerliebe in den Zeiten des Webs: Was hat sich verändert?
Für Jugendliche ist eine Welt ohne digitale Medien nicht mehr vorstellbar. Ein Großteil der täglichen Kommunikation findet deshalb online statt. Dazu gehört auch Freundschaften in sozialen Netzwerken zu knüpfen oder den aktuellen Schwarm per Handy zu "daten". Doch haben sich Flirten und Verlieben bei Teenagern durch diese scheinbar unendlichen Möglichkeiten zwischenmenschlicher Kontaktaufnahme verändert? Und was machen SMS, WhatsApp, Facebook, Skype und Co. mit der realen Liebe aus Fleisch und Blut? Eine Spurensuche…
"Wie habt ihr eigentlich früher coole Leute kennengelernt oder euch verabreden können - so ganz ohne Handy oder Internet?", fragt Jonas seine Mutter ungläubig. Der 16-jährige Schüler kann sich nämlich beim besten Willen nicht vorstellen, wie es Jugendliche vor seiner Zeit ohne digitale Kommunikationsmittel angestellt haben, Freunde zu finden, Freundschaften zu pflegen, sich zu verlieben oder gar eine Beziehung zu führen.
Begegnungsräume haben sich vergrößert
"Früher waren die sozialen Räume überschaubarer als heute", erläutert die auf Jugendmedienforschung spezialisierte Soziologin Dagmar Hoffmann von der Universität Siegen gegenüber der Elternredaktion von t-online.de. "Durch das Internet und vor allem durch die sozialen Netzwerke hat sich der Raum, wo man sich begegnet, deutlich vergrößert. Man kann heutzutage fast überall und jederzeit mit jemandem in Kontakt treten. Das nutzen die jungen Menschen ganz selbstverständlich."
Eine Chance für Fernbeziehungen
So können beispielsweise auch Fernbeziehungen besser funktionieren. Gerade die zunehmende Anzahl Jugendlicher, die mehrere Monate zum Schüleraustausch ins Ausland reisen und sich dort unter Umständen verlieben, nutzen die Kommunikation via Skype oder Facebook, nachdem sie wieder zu Hause sind. "Durch solche technischen Optionen", sagt Hoffmann, "ist es besser möglich, die Liebe über größere Entfernungen zu pflegen und noch länger aufrecht zu erhalten. Das wäre noch vor zehn Jahren in der Weise nicht denkbar gewesen." So schreitet die Globalisierung dank digitaler Medien sogar in Herzensangelegenheiten voran.
80 Prozent der Teenager pflegen ihre Kontakte über Communitys
Obwohl Jonas an keinem Schüleraustausch teilgenommen hat, pflegt er dennoch alle seine sozialen Kontakte bevorzugt über Online-Communitys. Damit gehört er zu den vier Fünftel der Teenager, die sich mehrmals pro Woche in soziale Netzwerke einloggen, um mit Freunden zu kommunizieren oder neue Bekanntschaften zu knüpfen. Das ergab vergangenes Jahr die repräsentative "JIM-Studie" (Jugend, Information, Multi-Media) vom Medienpädagogischen Forschungsverband Südwest. Über die Hälfte der befragten Heranwachsenden gaben dabei sogar an, mehrmals täglich online zu sein, wobei für 72 Prozent der Zwölf- bis 19-Jährigen das Chatten über Facebook eine zentrale Rolle spielte. 206 "Freunde" hatte hier - laut der Erhebung - jeder Nutzer durchschnittlich und fast alle Befragten berichteten, die Freunde aus ihrem Profil auch tatsächlich zu kennen. Aus der Sicht der Teenager spiegeln soziale Netzwerke also weitgehend ihre reale Lebenswelt wider.
"Beschnuppern" über Facebook
Zu dieser Welt gehört für Jonas seit drei Monaten seine erste große Liebe. Auch ihre Pflege ist für ihn nicht ohne Handy oder Chats denkbar: "Auf diese Weise können wir rund um die Uhr Kontakt halten, auch wenn wir keine Zeit haben uns zu sehen. Manchmal reicht auch einfach eine SMS", erzählt Jonas. Kennengelernt hat er seinen Schwarm allerdings in der analogen Welt, bei einer Party seines besten Kumpels. Doch die Liebe entwickelte sich nicht sofort. Erst über Facebook beschnupperten sich die beiden intensiver und wurden schließlich ein Paar.
Dass eine Liebesbeziehung heute bei vielen Teenagern auf diesem Weg vertieft wird und sich die "Drehbücher" der Romanzen nicht selten gleichen, hat im vergangenen Winter eine amerikanische Studie des "Ericsson ConsumerLab" nach Interviews von 2000 Jugendlichen zwischen 13 und 17 Jahren nachgewiesen. Danach versuchen sich die meisten, nachdem sie Interesse an jemanden gefunden haben, zunächst Informationen über die entsprechende Person in sozialen Netzwerken zu beschaffen. Anschließend wird eine Freundschaftseinladung verschickt und auf eine positive Antwort gewartet. Wird sie gegeben, ist das virtuelle "Anstupsen" bei Facebook die nächste Interaktion. Wird auch dies erwidert, ist ein Chat das nächste Ziel. Den Ergebnissen der Untersuchung zufolge wird dann in den meisten Fällen die private Handynummer erfragt, um sich so zum ersten mal "live" zu verabreden. Das geschieht dann bevorzugt über SMS.
In der "Bravo" sind Online-Flirts ein großes Thema
Welchen Stellenwert solche "Internet-Lieben" bei Jugendlichen haben, kann man etwa bei den Ratgeber-Rubriken vom Dr. Sommer-Team in der "Bravo" nachlesen. Hier nehmen die Tipps fürs richtige Flirten, Chatten und Daten im Netz mittlerweile einen zentralen Platz ein. Dabei wird beispielsweise davon abgeraten, zu penetrant um jemanden zu werben oder einfach per SMS "Schluss zu machen". Damit digitale Annäherungen möglichst ein Happy End haben, warnen die Experten des Jugendmagazins aber auch vor Gefahren im Netz, beraten die Teenager, wie sie etwa mit ihrem Namen, privaten Daten oder Fotos umgehen sollen oder wie sie sich am besten verhalten, wenn sie ihren Schwarm zum ersten Mal wirklich treffen.
Teenager sehnen sich nach beständigen Beziehungen
Trotz der schnelllebigen digitalen Welt und der dadurch veränderten Kommunikationsweise, hat sich die Einstellung der Jugendlichen zur Liebe und zu festen Partnern in den vergangenen Jahren kaum verändert - im Gegenteil, weiß Dagmar Hoffmann: "Emotional sind ein Großteil der Teenager sogar sehr romantisch und moralisch eingestellt. Das intime Zusammensein mit einem Partner ist für sie ein sehr hohes Gut. Außerdem haben die meisten Jugendlichen ein idealisiertes Bild von Liebe und Sexualität, sehnen sich nach einer langen, beständigen Beziehung, in der Treue eine große Rolle spielt."
Hinzugekommen sei nun, so die Expertin weiter, dass Jugendliche ihre Partnerschaften gern in den sozialen Netzwerken öffentlich präsentierten und sich so mit ihrer rosa-roten Welt selbst inszenierten. Bei Facebook sähe man zum Beispiel an der Änderung des Beziehungsstatus oder an geposteten Paarfotos, wenn jemand eine neue Liebesbeziehung habe. Sekundenschnell seien dann alle vernetzten Freunde informiert. "Doch eigentlich ist das Bedürfnis seine Verliebtheit zu dokumentieren, gar nichts Neues", kommentiert Dagmar Hoffmann weiter. "Die Sehnsucht das Glück offen zu zeigen, ist etwas ganz Natürliches. Nur die Kommunikationswege, die heute genutzt werden, haben sich gewandelt und erweitert."
Zweisamkeit genießen ohne Netz
Doch das öffentliche Präsentieren von Herzensangelegenheiten auf der digitalen Bühne hat auch seine Grenzen. Geht es nach dem ersten Flirt und der Phase der frischen Verliebtheit um die körperliche Intimität in einer festen Beziehung, kapseln sich viele Pärchen wieder bewusst ab, genießen ihre innige Zuneigung, ohne die ganze Community daran teilhaben zu lassen. So erlebt es auch Jonas: "Keiner von meinen Kumpels, der eine Freundin hat, erzählt, wie er den gemeinsamen Sex erlebt. Da wird weder real viel preis gegeben und noch weniger bei Facebook ausgeplaudert und an die große Glocke gehängt. Höchstens werden in kleiner Runde mal ein paar coole Angebersprüche zwischen uns Jungs rausgehauen. Die sind aber eher allgemein. Aber ansonsten finde ich, geht intime Zweisamkeit - das sagt das Wort ja schon - keinen Außenstehenden etwas an. So denkt übrigens auch meine Freundin."