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Unbekannte Essstörungen bei Kindern


Wenn Mäkeln zur Krankheit wird
Unbekannte Essstörungen: Ist Ihr Kind betroffen?


Aktualisiert am 09.09.2021Lesedauer: 4 Min.
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Ein Kleinkind wird gefüttert: Bei der "chewing and spitting"-Essstörung spuckt das Kind das Essen nach dem Kauen ausVergrößern des Bildes
Ein Kleinkind wird gefüttert: Bei der "chewing and spitting"-Essstörung spuckt das Kind das Essen nach dem Kauen aus (Quelle: PicturePartners/getty-images-bilder)

Essstörungen gibt es in jedem Alter. Bereits Kinder können ein unharmonisches Verhalten zum Essen oder bestimmten Lebensmitteln zeigen. Doch neben übermäßigem Essen und zu geringer Nahrungsaufnahme, gibt es auch Benehmen beim Mittagessen, Frühstück oder Abendbrot, das ebenfalls schon unter die Erkrankung "Essstörung“ fällt.

Was sind unbekannte Essstörungen?

Ein gestörtes Verhalten zum Essen kommt häufiger vor – besonders Kinder erkranken zunehmend an dieser psychischen Störung. Doch neben Magersucht (Anorexia nervosa), Bulimie (Bulimia nervosa) und Essattacken mit Kontrollverlust (Binge-Eating-Störung) gibt es auch Verhaltensformen, die auf den ersten Blick nicht als Erkrankung erkennbar sind. Häufig fehlen "typische“ Signale wie Essensverweigerung oder Erbrechen. Diese Essstörungen werden mit "Nicht näher bezeichnete Essstörungen“ diagnostiziert und haben folgende Verhaltensmuster:

  • Trotz Symptome von Magersucht und erheblichen Gewichtsverlusts ist das Körpergewicht normal.
  • Bulimie- und Essattacken erfolgen mit zeitlichen Abständen, beispielsweise zweimal die Woche oder monatlich.
  • Trotz Normalgewicht werden unangemessene Diäten durchgeführt.
  • Regelmäßige Essattacken ohne Erbrechen oder Ähnliches.

Was zählt noch zu einem gestörten Essverhalten?

Es gibt eine Vielzahl von Symptome, die auf unterschiedliche Störungen bei der Nahrungsaufnahme hinweisen. Da sich immer neuere Krankheitszeichen aufzeigen, ergeben sich auch zunehmend Verfeinerungen bei der Diagnose beziehungsweise neue Unterformen der Essstörungen.

Kauen und ausspucken

Bei dem gestörten Essverhalten namens "chewing and spitting“ nehmen die Kinder die Nahrung auf, kauen sie und spucken sie anschließend wieder aus. Der zerkaute Brei wird nicht herunter geschluckt. Das Verhalten ist eine Sonderform der Bulimia nervosa.

Symptome können unter anderem

  • schlechte Zähne
  • geschwollene Speicheldrüsen
  • Untergewicht
  • Mangelernährung

sein.

Nächtliche Essattacken

Wenn Ihr Kind den ganzen Tag über kaum etwas isst, nach dem Abendessen aber seinen Bauch mit Lebensmitteln vollstopft, kann es sich hierbei um das Night-Eating-Syndrom (NES) handeln. Besonders, wenn mehr als ein Viertel der Kalorien erst spät abends oder nachts eingenommen wird, sprechen Experten von dieser Essstörung.

Weitere, bekannte Anzeichen sind

  • Weglassen von Frühstück oder Mittagessen
  • Depressionen oder Stimmungsschwankungen
  • Schlafstörungen
  • Kampf ums Essen

"Prinzipiell schadet es nicht, wenn ein Kind mit weniger Essen ins Bett geht. Schlafen ist dann auch sehr wohl möglich und das Essen kann auch am nächsten Morgen "nachgeholt“ werden", erklärt Dr. med. Hartmut Imgart, Facharzt für Kinder-, Jugend-, Erwachsenen- und Familientherapie an der Parkland Klinik.

Nur gesundes Essen

Eigentlich können Kinder die Finger von Süßigkeiten nicht lassen – die Ausnahme sind Kinder mit der Erkrankung Orthorexia nervosa. Hierbei haben Menschen den Zwang, sich ausschließlich gesund zu ernähren. Dabei steht die Qualität der Nahrung im Vordergrund:

  • Gesundes Essen, das
  • selbst zubereitet ist und
  • viele Vitamine und Nährstoffe aufweist.

Fertiggerichte werden vermieden. Zudem fällt das Essen in Gesellschaft schwer oder wird gar vermieden.

Weitere Symptome können sein:

  • Müdigkeit
  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • Depressionen
  • Übergewicht
  • Mangelerscheinungen (Vitaminmangel, Mineralstoffmangel)
  • Leidensdruck
  • Kontrollverlust

Häufig tritt dieses Verhalten allerdings im jungen Erwachsenenalter auf und geht mit einer Magersucht einher.

Essen und Sport

Die sogenannte Sport-Bulimie (exercise-bulimie) und Sport-Anorexie (Anorexia athletica) zeichnen sich durch übermäßige sportliche Aktivität aus. Begleitet werden die Sport-Bulimie und die Sport-Anorexie je nach Essstörung durch Nahrungsverweigerung beziehungsweise Erbrechen, die Einnahme von Abführmitteln oder Essattacken.

Bei Kindern mit dieser Erkrankung zeigen sich folgende Anzeichen:

  • Innere Unruhe, Bewegungsdrang
  • Aggression und Gereiztheit, wenn Sport nicht möglich ist
  • weitere Anzeichen einer Essstörung
  • Leibesübungen werden trotz Krankheit oder Verletzung ausgeübt
  • Bewegung über die körperliche Belastungsgrenze
  • Sportliche Aktivität steht vor sozialen Kontakten, Schlaf und Co

Angst vor Neuem

Kinder gelten als neugierig. Das hört häufig nicht beim Essen auf. Doch bei der Essens-Neophobie haben Kinder Angst vor neuen, unbekannten Nahrungsmitteln.

Zwischen dem zweiten und fünften Lebensjahr ist diese Phase zwar normal, zeigen die Kleinen weiterhin ein derartiges Angstverhalten gegenüber neuen Lebensmitteln, so kann es sich hierbei um eine Essstörung handeln. Auf den ersten Blick ist diese Erkrankung nicht sichtbar, da der Nachwuchs ausreichend Nahrung zu sich nimmt und nicht enorm an Gewicht verliert oder zunimmt.

"Die Angst, neues Essen auszuprobieren, scheint eine angeborene sinnhafte Veranlagung zu sein, um die Kinder, die die Welt neu erkunden, vor Vergiftung durch fremde Nahrungsmittel zu schützen", erklärt Dr. med. Hartmut Imgart, Chefarzt und für Psychotherapeutische Medizin und Psychotherapie. "So essen Säuglinge fast alles was ihnen angeboten wird. Vom Laufalter an bis in das Kindergartenalter nimmt die Toleranz für neue Nahrungsmittel ab. Die Kinder "mäkeln“ immer mehr über das Essen und essen am liebsten nur das Gleiche. Erst im Schulalter wächst die Bereitschaft wieder, neue Nahrungsmittel spontan auszuprobieren."

Wann treten die Essstörungen auf?

Imgart erklärt, dass vor allem die Erkrankungen häufig erst mit dem Beginn der Pubertät auftreten. Nichtsdestotrotz können in Ausnahmefällen auch jüngere Kinder hierunter leiden.

Essstörungen können tödlich sein

Essstörungen können enorme Schäden an den Organen verursachen. Die Nebenwirkungen werden allerdings nicht sofort sichtbar. Erst im Teenageralter oder als Erwachsener können die Spätfolgen den Betroffenen gesundheitlich und mental stark beeinträchtigen.

Was können Eltern tun?

"Immer dann, wenn durch die Auswahl der Nahrungsmittel ein Gewichtsverlust auftritt oder ernährungsbedingte Mangelerscheinungen auftreten, ist Handlungsbedarf gegeben," erklärt Imgart.

Eltern sollten ihre Kinder nicht zum Essen zwingen. Ein Zwangsverhalten hat meist tiefergehende, psychische Gründe. Das gestörte Essverhalten ist häufig nur eine Ausdrucksweise beziehungsweise ein Verhaltensmuster. Dahinter können beispielsweise ein mangelndes Selbstwert- oder Körpergefühl, Kontrollverlust beim Umgang mit bestimmten Emotionen oder Unverständnis beziehungsweise Überforderung stecken.

Reden Sie mit Ihrem Kind über sein Benehmen und suchen Sie gemeinsam einen Spezialisten auf. "Kinder sind in der Regel sehr aufmerksam, bezüglich des Essverhaltens der Umgebung. Häufig geht das Essen in Kindereinrichtungen deutlich besser als im häuslichen Bereich. Wenn es in der Familie wenig Struktur bei der Mahlzeiteneinnahme gibt, ist es häufig schwierig gestörtes Essverhalten zu erkennen oder dieses dem Kind zu vermitteln", rät der Experte.

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