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"Unseren Kinder soll es einmal besser gehen" - Gilt das noch?


Geht das überhaupt noch?
"Unseren Kindern soll es einmal besser gehen"

Dieses Ziel haben sich deutsche Eltern

31.01.2017|Lesedauer: 5 Min.
t-online, Silke Asmußen
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Der Traum von unbegrenztem Wachstum und Sicherheit scheint ausgeträumt. Neben globalen wirtschaftlichen und politischen Unsicherheiten überschatten auch Terrorgefahr, die Flüchtlingsfrage sowie eine sich verstärkende soziale Spaltung im eigenen Land die Zukunft junger Menschen in Deutschland.

Eltern wollen ihren Kindern eine gute Zukunft ermöglichen.Vergrößern des Bildes
Eltern wollen ihren Kindern eine gute Zukunft ermöglichen. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)

Familien in der Sackgasse?

Am Anspruch, dem Nachwuchs den Weg in eine sorgenfreie Zukunft zu bereiten, scheitern gegenwärtig zahlreiche Eltern in Deutschland, weil es ihre finanzielle Situation nicht erlaubt oder weil sie am oberen Ende des sozialen Gefüges nicht mehr wissen, wie sich der derzeitige hohe Standard noch weiter steigern ließe. Stecken Familien nun in einer Sackgasse, droht schlimmstenfalls eine Abwärtsspirale? Und wie gehen Mütter und Väter mit der Situation um?

Blick in die Zukunft ist Spekulation

Der Psychotherapeut und Familienberater Ralf Ruhl gibt im Gespräch mit t-online.de Entwarnung. Wenn Eltern hierzulande um Zukunftsperspektiven für die nächste Generation fürchteten, sei das eine gefühlte Einschätzung. Denn ob der Nachwuchs es tatsächlich "schwerer" haben wird, ist seiner Ansicht nach nicht verlässlich vorhersehbar.

Wachstum schien bis in die 1990er-Jahre unbegrenzt

Ein Blick in die deutsche Geschichte erhellt, dass hinter der elterlichen Sorge eine historische Entwicklung steckt. Grundsätzliche Voraussetzung des Strebens nach einem besseren Leben für die Kinder sei, selbst in weniger guten Verhältnissen aufgewachsen zu sein - wie etwa direkt nach dem Zweiten Weltkrieg, sagt Ruhl.

In den 1950er-Jahren habe ein lang andauernder wirtschaftlicher Aufschwung eingesetzt, bis Ende der 1980er-Jahre sei "Es wird immer besser" das Lebensgefühl der Deutschen gewesen. Während des Booms der Finanzwirtschaft in den 1990er-Jahren richtete sich dann der Fokus dem Familienberater zufolge immer stärker aufs Materielle. Da schien noch Luft nach oben.

Weniger Chancen auf einen sozialen Aufstieg

Der Wind hat sich gedreht. Nach einem moderaten Einbruch im Zuge der Finanzkrise haben sich Wirtschaft und Arbeitsmarkt in Deutschland zwar stabilisiert - vor allem im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn. Rosig sind die Aussichten für Heranwachsende deshalb keineswegs. Nachdem Eltern zum Beispiel lange Zeit alles investierten, um ihren Kindern einen sozialen Aufstieg zu ermöglichen, ist das heutzutage deutlich schwerer zu schaffen - trotz guter Konjunktur.

Armut verfestigt sich

So ergab eine Untersuchung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung im vergangenen Jahr: Arme bleiben immer häufiger dauerhaft arm. Zwischen 1991 und 1995 gelang es demnach rund 58 Prozent der Armen in Deutschland, in eine höhere Einkommensgruppe aufzusteigen, von 2009 bis 2013 hingegen nur noch 50 Prozent.

Hingegen bleiben immer mehr Reiche dauerhaft reich. Laut WSI hielten sich von 1991 bis 1995 rund 50 Prozent der sehr Reichen in der obersten Einkommensklasse. Zwischen 2009 und 2013 konnten sich fast 60 Prozent dort behaupten.

Familien laufen Gefahr, abgehängt zu werden

"Die Situation dieser beiden Gruppen macht deutlich, dass in unserem Land wesentliche Teile der Bevölkerung damit konfrontiert sind, dauerhaft abgehängt zu werden", kommentierte WSI-Verteilungsexpertin Dorothee Spannagel die Analyse. Neben weiteren Reformen im Bildungssystem müsse die Politik zum Beispiel mit gezielter Frühförderung von Kindern aus sozial benachteiligten Familien gegensteuern, forderte WSI-Direktorin Anke Hassel.

Kinder sind arm, wenn ihre Eltern arm sind

Aktuelle Zahlen der Stiftung zur Kinderarmut in Deutschland zeigen kein erfreulicheres Bild. Danach wuchsen trotz guter Wirtschaftslage 2015 bundesweit 14,7 Prozent der Kinder unter 18 Jahren - mehr als 1.930.000 - in Familien auf, die Hartz IV beziehen. Betroffen sind besonders Kinder mit nur einem Elternteil oder zwei und mehr Geschwistern.

Väter sehen sich als Familienernährer

Kein Wunder also, wenn sich in Familien, die Grundsicherungsleistungen erhalten, die Frage "Wie kann ich für den Nachwuchs vorsorgen?" entsprechend selten stellt. Dort geht es in erster Linie um die Sicherung der gegenwärtigen Existenz. Gerade in sozial schwächeren Schichten sähen sich die Väter in der klassischen Rolle des Familienernährers, sagt Ruhl, der auch als leitender Redakteur des Portals "Väterzeit" tätig ist. Sie identifizierten sich als Allein- oder Hauptverdiener vor allem durch ihre Erwerbsarbeit.

Auf einen - befürchteten oder realen - Verlust ihres Jobs reagierten diese Papas häufig mit Depressionen, Gewalt oder schlicht Resignation. Viele machten Zuwanderer und Flüchtlinge als direkte Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt verantwortlich für die eigene desolate Lage.

Alltagssorgen verdrängen Gedanken an Vorsorge

Die Mütter in diesen Familien - oft ohne eigene Anstellung oder in einem Minijob tätig - kümmern sich Ruhl zufolge derweil weiter um die Dinge des Alltags und teilen die Sicht des Ehemannes auf das Leben. Die Belastung durch Alltagssorgen verdrängt häufig den Gedanken an die Zukunft ihrer Kinder.

Keine gleichen Chancen auf Bildung und Einkommen

Für den Nachwuchs von auf Hartz IV angewiesene Eltern sei etwa das Reisen und das Studieren im Ausland - für andere junge Menschen oft Standard - keine Option, sagt Ruhl. Eine Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) bestätigt, dass Einkommen und Bildung in Deutschland weiterhin vom Elternhaus abhängen.

Die Grundaussage der Studie lautet: Verdienen die Eltern wenig und verfügen sie über einen niedrigen Bildungsstand, dann trifft dies mit hoher Wahrscheinlichkeit auch auf die Kinder zu. 40 Prozent der Ungleichheit im Arbeitseinkommen in Deutschland ließen sich durch den Familienhintergrund erklären, heißt es in dem DIW-Bericht. Beim Bildungserfolg liegt der Herkunftseinfluss gemäß den Wirtschaftsforschern sogar bei mehr als 50 Prozent.

Studium bietet keine Wohlstandsgarantie

Eng kann es selbst für Familien aus der Mittelschicht werden. Deren größtes Kapital sei bisher eine gute Bildung gewesen, sagt Ruhl. Darauf allein könnten Eltern derzeit nicht mehr setzen. Ein Studium bietet zum Beispiel keine 100-prozentige Sicherheit auf späteres Wohlergehen.

Zwar liegt dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zufolge die Arbeitslosenquote unter Akademikern mit 2,5 Prozent auf sehr niedrigem Niveau. Nur bedeutet das nicht, dass auf jeden Universitätsabsolventen eine gutdotierte Festanstellung wartet. Nicht wenige schlagen sich mit schlecht bezahlten Hospitanzen und Gelegenheitsjobs durch.

Der Universitätsbesuch ist offenbar keine Garantie für eine strahlende Zukunft. "Wir bilden immer mehr Akademiker aus, deren vorwiegend theoretische Kompetenz wir auf dem Arbeitsmarkt nicht in gleichem Umfang brauchen", zitiert die "Wirtschaftswoche" etwa Volker Fasbender, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung hessischer Unternehmerverbände (VhU).

Reiche fürchten Ende der "fetten Jahre"

Doch was veranlasst sogar betuchte Eltern, sich um das Fortkommen ihrer Kinder zu sorgen? Heutige Eltern seien eben noch mit dem oben beschriebenen gefühlten Versprechen, "alles werde immer besser und mehr", groß geworden, sagt Ruhl. Dieses bekomme durch einen drohenden Abstieg der Kinder sowie ein Gefühl des eigenen Zukurzkommens möglicherweise Brüche. Dabei müsse der gefühlte Niedergang nichts mit der Realität zu tun haben.

Eltern setzen Vertrauen in den Nachwuchs

Klar ist: Die veränderte Situation verlangt ein generelles Umdenken. Früher war etwa das Thema "Erben und Vererben", das Ansammeln und Weitergeben materieller Werte an die Kinder, für viele Familien von großer Bedeutung - selbst wenn man sich dazu stark einschränken musste.

Gegenwärtig strebten Eltern eher danach, ihrem Nachwuchs eine persönliche Grundlage und nachhaltige Werte zu vermitteln, etwa Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein, sagt Ruhl. Das hieße auch: Vertrauen in die eigene Kraft. Im Elternhaus, in Kitas und Schulen erlebten Kinder, dass sie wertvoll seien und an Entscheidungen beteiligt würden - vom Abendessen über den Urlaub bis hin zur Auswahl ihrer Schule.

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Mehr Zeit statt Sparvertrag

Ein "mehr" für ihre Kinder haben Eltern im Jahr 2017 allerdings verstärkt im Blick: "Mehr Fürsorge" steht sicher häufiger auf ihrer Agenda als "mehr Vorsorge". Zeit mit dem Nachwuchs zu verbringen, ist Müttern und Vätern Ruhl zufolge jetzt sehr viel wichtiger als vor 20 Jahren. Künftig würden Eltern ihren Kindern zwar wahrscheinlich mehr Mobilität, sprich Umzüge zumuten müssen. In seiner Praxis als Familienberater erlebe er jedoch nicht, dass Eltern ihren Töchtern oder Söhnen nicht zutrauten, ihr Leben zu meistern, sagt der Familienberater.

Zumindest an weiterführenden und Gesamtschulen seien enorme Möglichkeiten vorhanden, an denen Kinder und Jugendliche teilhaben könnten. Zudem verfügten diese über Fertigkeiten, von denen ihre Eltern in deren Jugend kaum zu träumen gewagt hätten, zum Beispiel eine ausgeprägte Selbstorganisation. Sie werden diese Fähigkeiten und eine starke Persönlichkeit künftig vielleicht mehr benötigen als einen Bausparvertrag.

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