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"Hart aber fair": Passen Beruf und Familie wirklich zusammen?


"Hart aber fair" über Familie und Beruf
"Betreuung kann man outsourcen, Liebe nicht"

Der Kitastreik als Härtetest: Passen Beruf und Familie wirklich zusammen? Über diese Frage wurde gestern bei "Hart aber fair" diskutiert. Als größtes Problem machte die Runde die fehlende Wahlfreiheit von Eltern aus.

Aktualisiert am 19.05.2015|Lesedauer: 4 Min.
t-online, Claudia Staub
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In vielen Familien mit kleinen Kindern herrscht derzeit Ausnahmezustand. Weil die Erzieher unbefristet streiken, müssen berufstätige Eltern täglich neu jonglieren und überlegen: wer betreut mein Kind? Großeltern werden aktiviert, Eltern schließen sich zu Betreuungsgemeinschaften zusammen, Kinder kommen mit ins Büro. Der ohnehin schon schwierige Alltag berufstätiger Eltern hat damit eine neues Chaoslevel erreicht.

Der Journalist Heinrich Wefing kritisiert bei "Hart aber fair" die fehlende Wahlfreiheit für Famlilien.Vergrößern des Bildes
Der Journalist Heinrich Wefing kritisiert bei "Hart aber fair" die fehlende Wahlfreiheit für Famlilien. (Quelle: WDR/Thomas Ernst)

Erwerbstätigkeit den Kindern anpassen

Ist das ein Grund, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie (mit kleinen Kindern) grundsätzlich in Frage zu stellen? Für Maria Steuer offenbar ja. Die Kinderärztin und dreifache Mutter hält Kitas für unter Dreijährige für "schädlich" und "reinen Stress". Deshalb plädiert sie dafür, die Erwerbstätigkeit den Kindern anzupassen. Mütter sollten zu Hause zu bleiben, solange die Kinder klein sind und erst wieder arbeiten, wenn diese älter sind. Die Erzieher seien mit den kleinen Kindern überfordert und erschöpft, das zeige der Streik.

"Eltern lügen sich in die Tasche"

Der Journalist und zweifache Vater Heinrich Wefing kritisierte, dass unsere Gesellschaft maximale Flexibilität, Verfügbarkeit und Mobilität einfordere. Sich selbst nahm er davon nicht aus. "Wir erwarten, dass rund um die Uhr Dienstleistung stattfindet." Familien hätten aber eine andere Logik, hier zählten Ruhe und Verlässlichkeit. In der Zeit, die eigentlich für Familie und Kinder vorgesehen ist, denken viele schon wieder an die Arbeit und umgekehrt.

"Die Wirtschaft greift immer mehr in das Familienleben ein." Sein Fazit lautete daher ebenfalls: Familie und Beruf sind nicht vereinbar. Eltern, die anders darüber denken, "lügen sich selbst in die Tasche." Auch Unternehmen würden diesbezüglich lügen.

"Betreuung kann man outsourcen, Liebe nicht"

Als weiteres Problem benannte Wefing die fehlende Wahlfreiheit für Familien. Die meisten können es sich nicht leisten, auf ein Einkommen zu verzichten und sind deshalb auf Betreuung dringend angewiesen. In seinem eigenen Alltag erlebe er täglich, "wie es quietscht": "Eltern liefern ihre Kinder gehetzt in der Kita ab und holen sie gehetzt wieder ab." Auch deshalb sind für Eltern von heute vor allem liebevolle Erzieher wichtig, denn die Kinder sollen nicht nur betreut, sondern erzogen werden. "Betreuung kann man outsourcen, Liebe nicht."

"Wir werden nicht gehört"

Unbestritten ist, dass sich die Anforderungen an Erzieher gewandelt haben. Bindung, Zuwendung, Erziehung, Bildung sind die Schlagworte dieser Veränderung. Erzieher fangen viel davon auf, was Familien nicht mehr leisten können. "Wir sind keine Basteltanten", fasste es die Erzieherin Zita van Dijk zusammen. "Wir leisten pädagogische Arbeit. Seit Jahren reden wir darüber. Wir werden nicht gehört." Auch deshalb werde gestreikt.

Wie Wefing kam van Dijk zu dem Schluss: "Es ist nicht mehr möglich, ein Kind zu bekommen und nicht mehr zu arbeiten." Die Eltern bräuchten heute zwei Gehälter.

Was ist Arbeit mit Menschen wert?

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig zeigte viel Verständnis für die Nöte der Erzieher. Auch sie war der Meinung, dass deren Arbeit nicht ausreichend wertgeschätzt werde und stellte die Frage nach der generellen Anerkennung von Arbeit mit Menschen. Ist sie mehr wert als Arbeit mit Maschinen? Die Antwort hat natürlich auch mit Finanzen zu tun. Wo soll das Geld herkommen, um den Erziehern mehr zu bezahlen?

Drei Bausteine, die greifen sollen, um den Kommunen mehr finanziellen Spielraum für eine bessere Bezahlung zu geben, nannte die Ministerin. So würde der Bund Kosten für Ältere, Behinderte und Flüchtlinge von den Kommunen übernehmen, außerdem Bafög-Kosten und einen Teil der Betriebskosten der Kitas. Ob es reichen wird, die streikenden Erzieher und die chronisch klammen Kommunen zurück an den Verhandlungstisch zu bringen, muss sich zeigen.

Alleinerziehende sind benachteiligt

Über 200 Milliarden Euro werden jährlich für Familienleistungen ausgegeben, merkte Journalist Wefing an. "Da müssen doch ein paar Euro für die Erzieher übrig bleiben." Er bemängelte die ungerechte Verteilung des Geldes, sah vor allem die Alleierziehenden benachteiligt.

Die Alleinerziehende in der Runde, Petra Klawikowski, fand als Einzige positive Worte. Ihre persönliche Situation schätzte sie als gut ein. Sie fühlt sich ausreichend unterstützt und ist in der Lage, für sich und ihre Tochter zu sorgen und zählte auf, was sich alles schon verändert habe: Teilzeitarbeit, Arbeiten von zu Hause aus, eine flexible Kinderbetreuung, verständnisvolle Arbeitgeber. Dass die meisten der zwei Millionen Alleinerziehenden von diese Bedingungen nur träumen können, war allerdings auch ihr klar.

Schwesig stellte dazu fest, dass Familienformen sehr vielfältig sind und "die Politik der Lebenswirklichkeit der Familien hinterherhinkt."

Eltern haben keine Wahl

Einig war sich die Runde über den Wunsch und die Notwendigkeit, für Kinder da zu sein und vor allem in den ersten Jahren ausreichend Zeit mit ihnen zu verbringen. Eine wirkliche Wahl, sich im Zweifelsfall für die Kinder und eine längere Pause von der Arbeit zu entscheiden, haben dennoch nur die wenigsten. Zu sehr hat sich die Arbeitswelt und unsere Gesellschaft in den letzten Jahren verändert. Das Alleinverdiener-Modell hat ausgedient, weder Männer noch Frauen wollen es leben. Männer, weil sie sich mehr Zeit für die Familie wünschen und Frauen, weil sie sich nicht mehr darauf verlassen können, im Fall einer Trennung durch Unterhalt vom Partner oder Staat der Alleinerziehenden-Armut zu entkommen.

Ein Gehalt reicht nicht aus, um die Familie zu versorgen. Viele Eltern haben auch mit zwei Gehältern große Mühen, über die Runden zu kommen. Auch das ist eine Lebenswirklichkeit.

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