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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Familie & Beruf Beruflicher Neuanfang nach der Familienphase: Drei Frauen berichten
Kind und Karriere unter einen Hut zu bringen, ist gerade für Frauen immer noch eine große Herausforderung. Viele Mütter machen die Erfahrung, dass der Spagat zwischen Privat- und Erwerbsleben viel komplizierter und aufreibender ist, als sie ursprünglich dachten. Nicht wenige versuchen dann beruflich neue Pfade zu beschreiten. Wir haben drei Frauen getroffen, die erzählen, wie sie den Alltag nach der Familienphase gemeistert haben.
Agnes wollte weiter Krankenschwester bleiben
Agnes (36) ist immer in Eile, wenn sie und nicht ihr Mann die vierjährige Tochter in den Kindergarten bringt. Spätestens um 7:45 Uhr ist dann "Abgabezeit", damit sie pünktlich zur Arbeit kommt. Agnes ist OP-Schwester und sie ist es mit Leib und Seele. Doch den Ganztagsjob in einer großen Klinik hat sie nach dem dreijährigen Erziehungsurlaub aufgegeben: "Das hätte ich nicht geschafft mit den verschiedenen Diensten", erzählt sie. "Vor allem Nachschichten sind hart, denn mit einem Kind, das ab etwa 15 Uhr - so lang geht die Betreuung - wieder zu Hause ist, kann man seinen Schlaf tagsüber nicht mehr so richtig nachholen. Mein Mann hätte mir da auch nicht helfen können, weil er immer lange im Büro ist."
Halbtagsstelle in einer Privatklinik
So beschloss Agnes noch während der Erziehungszeit, zwar in ihrem Beruf zu bleiben, aber etwas an den Arbeitsbedingungen zu ändern. Sie hat jetzt eine Teilzeitstelle in einer Privatklinik, in der auch kosmetische Eingriffe vorgenommen werden: "Mein Alltag ist nun entspannter", erklärt sie, "denn das Team hier ist gut besetzt und es kann mehr Rücksicht genommen werden auf die persönlichen Belange der Mitarbeiter. Außerdem gibt es nicht mehr so oft Früh- oder Nachtdienste. So ist es leichter, die Arbeitszeiten in das Familienleben einzubauen."
Für größere Entspannung und Ausgeglichenheit sorgt nun auch das andere medizinische Umfeld am neuen Arbeitsplatz. Denn früher in der großen Klinik erlebte Agnes im OP nicht selten auch tragische Schicksale von Patienten, die etwa nach einem schweren Verkehrsunfall notoperiert werden mussten: "Solche Eindrücke gehen oft nicht spurlos an einem vorüber. Die Bilder nimmt man mit nach Hause, egal wie erfahren man in seinem Job ist", erzählt die Krankenschwester. "Mit einem Kind konnte ich mir das nicht mehr vorstellen." Am neuen Arbeitsplatz werde nun zwar auch operiert, aber die Eingriffe seien aus medizinischer Sicht oft weniger schwer und meist besser vorhersehbar. Sie könne damit jetzt viel besser umgehen und außerdem gäbe es noch einen anderen Vorteil: "Meine Arbeit wird nun auch finanziell besser honoriert. Das kommt der ganzen Familie zugute."
Karin wechselt von der Werbeagentur in die Kita
Zwölfstundentage waren für Karin (44) jahrelang nichts Ungewöhnliches. Sie lebte für ihren Beruf als Grafikerin. Ihr Arbeitsplatz: Eine international erfolgreiche Werbeagentur, in der Flexibilität, Aufopferungsbereitschaft und Belastbarkeit zur Selbstverständlichkeit gehörten. Diese Arbeitseinstellung wurde auch fürstlich bezahlt, nur Privatleben und Freizeit blieben oft auf der Strecke: "Hatten wir eine wichtige Kampagne mit Termindruck, habe ich manchmal im Büro gewohnt und nächtelang mit Kollegen über dem Projekt gebrütet", erinnert sich Karin. "Das musste man alles schon mögen und das Nervenkostüm musste ebenfalls gut trainiert sein. Aber irgendwie ging das. Außerdem hatte keiner in unserem Team damals Kinder."
Arbeiten als freie Grafikerin
Als Karins Sohn schließlich vor acht Jahren auf die Welt kam, war ihr klar, dass der alte Job so nicht mehr praktikabel war. Sie ging dann zwar drei Jahre in Erziehungsurlaub, kehrte aber nicht mehr zu ihrem Arbeitgeber zurück: "Ich wusste ja, was mich dort erwartet. Entweder alles oder nichts. Denn Teilzeitarbeit, bei der man nicht täglich präsent ist, ist mit diesen kreativen Abläufen nur schlecht zu vereinbaren." Karin versuchte stattdessen als selbstständige Grafikerin von zu Hause aus zu arbeiten und hoffte, ihr Tagespensum flexibel auf ihre Familie einstellen zu können: "Das war nicht leicht", sagt sie, "denn man kann diesen Job nur selten genau timen und zuverlässig alles erledigt haben, wenn das Kind nachmittags aus der Kita kommt und nach Aufmerksamkeit verlangt." Manchmal sei sie daran verzweifelt, auf Abruf kreativ sein zu müssen und gleichzeitig gegen die Uhr zu arbeiten.
Quereinstieg ins Erzieherfach
Karin beschloss schließlich etwas völlig Neues anzupacken: Sie wusste, dass es durch den großen Bedarf an pädagogischen Kräften für Kitas mittlerweile möglich war, als Quereinsteiger mit einem abgeschlossenen Beruf problemlos zum Erzieher umzuschulen. Drei Jahre biss sich die studierte Grafikerin durch einen Mix aus Praktika in pädagogischen Einrichtungen und Theorie-Pauken in der Fachschule. "Das ging eigentlich ganz gut, nur das Lernen war manchmal schwierig und funktionierte nur abends oder am Wochenende. Aber ich habe es schließlich geschafft." Ein Vorteil der Ausbildung war auch, so Karin, dass man schon während der drei Jahre wenigstens ein bisschen Geld verdienen konnte. Denn die praktischen Phasen werden Quereinsteigern bezahlt, um das berufliche Umsatteln zu erleichtern.
Heute ist Karin froh, den Wechsel gewagt zu haben. Sie ist jedoch nicht in einer Kita angestellt, sondern arbeitet frei und bietet künstlerische Projekte in pädagogischen Einrichtungen an. "Bisher habe ich ganz gute Aufträge bekommen", erzählt sie. "Es macht richtig Spaß mit den Kleinen zu arbeiten und ich kann zugleich meine Qualifikation als Grafikerin einbringen. Eine tolle Kombination." Wichtig sei ihr auch, dass ihre Arbeitszeiten nicht länger seien als die Schulzeiten ihres Sohnes. Der Job sei jetzt eher familienkompatibel - aber auch nur, wenn man finanziell auf mehr als zwei Beinen stünde. Ihr Mann verdiene zum Glück gut.
Ina tauscht Architekturplanung gegen Kreativarbeit in den eigenen vier Wänden
Ina (38) hat Glasbläserei gelernt und später Architektur studiert. Schließlich entwarf sie, bevor sie mit ihrem Mann eine Familie gründete, im Hauptberuf Häuser und arbeitete nicht selten elf Stunden pro Tag in einem Architekturbüro. Als ihr erster Sohn auf die Welt kam, klinkte sie sich für drei Jahre aus. Nicht lange danach wurde ihr zweiter Sohn geboren. Als dieser anderthalb Jahre alt war, versuchte Ina als Architektin wieder Fuß zu fassen: "Das scheiterte aber", erzählt sie, "weil ich von jetzt auf gleich die neue Stelle hätte antreten müssen, wir aber so schnell keine Tagesmutter für den Kleinen finden konnten." Irgendwann war die Betreuung der Kinder geregelt, so dass Ina doch begann, wieder in Teilzeit zu arbeiten: "Ursprünglich waren es 15 Stunden pro Woche, meist wurden es aber mehr", erinnert sie sich. "Besonders stresste mich der Druck, denn ich musste meine Aufgaben immer innerhalb des zur Verfügung stehenden Zeitfensters abwickeln. Liegenbleiben sollte möglichst nichts, weil ich ja nicht jeden Tag gearbeitet habe."
Handgefertigte Textildrucke als beruflicher Neuanfang
Die Folge war, dass Ina sich zunehmend ausgepowert fühlte. "Irgendwann konnte und wollte ich nicht mehr. Meine Energie war einfach weg. Ich fand es unheimlich schwer, den beruflichen Anforderungen zu genügen und mich gleichzeitig angemessen um meine Familie samt Haushalt zu kümmern." Ina kehrte also der Architektur den Rücken und beschloss vor einem guten Jahr, Kreatives in den eigenen vier Wänden zu fertigen: "Meine Idee war T-Shirts speziell für Jungs mit selbst entworfenen, originellen Motiven zu bedrucken und dazu im selben Stil witzige Schlüsselanhänger zu kreieren."
Selbstbestimmt und ohne Zeitdruck
Seitdem investiert Ina bis zu 20 Stunden wöchentlich in ihre neue Berufung und ihr gefällt es: "Zwar lohnt sich das im Moment noch nicht finanziell, aber bei dem, was ich tue, tanke ich auf, ich bin völlig selbstbestimmt und ich muss nicht mehr unter Zeitdruck kreativ sein. Dadurch geht es mir viel besser und das tut der gesamten Familie gut. Außerdem unterstützen mich meine Söhne mit Begeisterung bei der Arbeit und entwerfen und werkeln mit." Um ihren Absatz in Zukunft zu steigern und mehr potentielle Kunden zu erreichen, will Ina demnächst auf Tuchfühlung mit dem Selfmade-Verkaufsportal dawanda.de gehen. Bis jetzt vermisst sie ihren alten Beruf nicht: "Das einzige, was mir manchmal fehlt, ist, dass ich jetzt weniger raus komme und beruflich keinen Austausch mehr mit Kollegen habe, wie früher im Architekturbüro. Das empfand ich immer als positiv."