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Kindesunterhalt: Sind Mütter wirklich schlechtere Zahler?


Unterhaltsverweigerer
Sind Mütter schlechtere Zahler als Väter?

Vor kurzem haben wir über Väter berichtet, die sich um den Kindesunterhalt drücken. Aber was ist mit Müttern, die nicht für ihre Kinder zahlen wollen, fragten einige Leser daraufhin. Ältere Studien stellen deren Zahlungsmoral kein gutes Zeugnis aus. Die Daten sind jedoch mit Vorsicht zu genießen - und das eigentliche Problem liegt woanders, auch aus Sicht der Single-Papas.

02.03.2016|Lesedauer: 6 Min.
t-online, Silke Asmußen
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Die jüngsten Zahlen beleuchten grob die Lage: 1,6 Millionen Eltern ziehen nach Angaben des Statistischen Bundesamts in Deutschland ihre Kinder alleine auf, und zwar 1,5 Millionen Mütter und 180.000 Väter. Der Anteil der Alleinerziehenden bei den Männer ist demnach seit 1996 leicht zurückgegangen, bei den Frauen hingegen geklettert.

Nach einer Trennung gibt es oft Ärger um den Kindesunterhalt.Vergrößern des Bildes
Nach einer Trennung gibt es oft Ärger um den Kindesunterhalt. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)

Laut dem Monitor Familienforschung des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ) kümmern sich Single-Mamas vermehrt um jüngere Kinder, Single-Papas dagegen eher um den älteren Nachwuchs. Zudem wohnen in den Haushalten der Mütter häufiger mehr Kinder als in denen der Väter.

Alleinerziehende Väter stehen finanziell besser da

Die finanzielle Situation der Männer, die allein mit ihren Kindern leben, ist meist entspannter als jene von Müttern: Alleinerziehende Väter sind nach den Statistikern deutlich seltener auf staatliche Transferleistungen wie Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe angewiesen.

Das liege daran, dass sie häufiger ältere Kinder betreuen und einem Beruf nachgehen, so die Experten. Ein weiterer Aspekt, den die Analyse nicht anspricht, mag das deutliche Lohngefälle zwischen den Geschlechtern sein: 2014 erhielten Frauen noch immer im Durchschnitt 22 Prozent weniger Geld für ihre Arbeit als ihre männlichen Kollegen.

Keine aktuellen Zahlen zur Zahlungsbereitschaft der Mütter

Alleinerziehende Männer stellen hierzulande eine Minderheit dar. Dennoch liegen offenbar viele der betroffenen Väter mit ihrer Ex-Partnerin im Streit um den Unterhalt für den gemeinsamen Nachwuchs. Die Zahlungsmoral unterhaltspflichtiger Frauen sei schlechter als die unterhaltspflichtiger Väter, heißt es in Internet-Foren. Eine Forsa-Studie im Auftrag des BMFSFJ aus dem Jahr 2002 ergab tatsächlich: 53 Prozent der unterhaltsberechtigten Väter erhielten damals den Unterhalt nicht wie festgelegt. Bei den Müttern waren es zum gleichen Zeitpunkt 30 Prozent.

Ob das noch heute zutrifft, lässt sich kaum feststellen: Aktuelle geschlechtsspezifisch aufbereitete Daten zu Unterhaltszahlungen liegen weder dem BMFSFJ noch dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz vor. Die Ministerien halten sich auch mit Schätzungen zurück: Wegen zu geringer Fallzahlen sei die Datenlage unsicher, erklärte das BMFSFJ auf Anfrage von t-online.de.

DIW: Fallzahlen zu niedrig

Auch eine Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) von 2014, nach der etwa die Hälfte aller alleinerziehenden Frauen gar keinen Unterhalt für die Kinder erhält, liefert keine entsprechenden Informationen über die Situation alleinstehender Väter.

Warum das so ist, erklären die Autoren anhand eines weiteren Vergleichs: Von den Unterhaltszahlungen an alleinerziehende Mütter erreichte nur etwa die Hälfte den Mindestanspruch. Bei den Vätern mit unterhaltsberechtigten Kindern seien Zahlungen über den Mindestunterhalt hinaus nahezu nicht vorhanden. Zugleich warnen die Wirtschaftsforscher: Wegen der niedrigen Fallzahlen ließen die Angaben aber kaum Schlussfolgerungen zu und seien nur der Vollständigkeit halber dargestellt.

Was sind die Gründe unterhaltspflichtiger Mütter, die finanziellen Ansprüche ihrer Kinder zu ignorieren? Die Autoren der DIW-Studie zweifeln - geschlechterunabhängig - an der Aussagekraft von Angaben Betroffener zu Unterhaltspflicht und Zahlungsbereitschaft. "Der Anreiz für unwahre Antworten scheint besonders bei Personen, die ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, zu groß", schreiben die Experten.

Kontakt zur Mutter reißt oft ab

Eine Rolle bei der weiblichen Unterhaltsverweigerung spielt für den Journalisten Armin Fischer die Art beziehungsweise der Ablauf der Trennung. In seinem Buch "Alleinerziehend. Männlich. Gut" erklärt Fischer, der Status "Alleinerziehender Vater" folge überdurchschnittlich oft auf sehr konfliktreiche Trennungen - häufig ohne verbindliche Absprachen für die Zukunft. Der Kontakt zur Mutter reiße in vielen Fällen ab, zumindest vorübergehend.

Denkfehler: Geld steht nicht dem Ex-Partner zu

Oft hätten Frauen das Gefühl, in der Beziehung oder Ehe genug "draufgezahlt" zu haben, zwar nicht materiell, aber ideell. Vielleicht hätten sie tatsächlich ihre Karriere geopfert, um für die Kinder da zu sein, räumt Fischer ein. Vielleicht aber sei es nur das diffuse Gefühl, möglicherweise ohne den Ex-Partner im Leben mehr erreicht zu haben. Dahinter stecke ein Denkfehler, denn das Geld stehe nicht dem Ex-Partner zu, sondern dem Kind. Fischers Einschätzung zufolge verhalten sich getrennt von ihren Kindern lebende Mütter also kaum anders als Väter in derselben Situation.

Wann die Zahlungsbereitschaft abnimmt

Wenn ein Elternteil keine Zeit mit dem Kind verbringe und kein gemeinsames Sorgerecht bestehe, würden Motivation und auch Zahlungsbereitschaft abnehmen, sagt Markus Witt vom Verein "Väteraufbruch für Kinder". Das sei in Fällen, in denen ein Elternteil das Kind nicht sehe und zudem vor Gericht gezogen werde, zum Teil verständlich. Darüber hinaus könnten in Diskussionen um den Unterhalt, die sich eigentlich um das Wohl des Nachwuchses drehen sollten, alte Paarkonflikte wieder aufbrechen.

Überholtes "Papa-arbeitet-Mama-kocht"-Modell

Witt sieht als eine Ursache von Streitigkeiten um den Unterhalt das seiner Ansicht nach sanierungsbedürftige System der Berechnung. Das basiere noch auf dem Rollenmodell der 1960er Jahre und folge dem längst überholten Grundsatz "einer betreut, einer zahlt". Viele Trennungsväter wollten sich stärker als nur alle 14 Tage am Wochenende in der Familienarbeit engagieren, betont Witt.

Männer, die etwa ein Kinderzimmer, Urlaub und Verpflegung finanzierten, berufliche Einbußen in Kauf nähmen und die Ex-Partnerin in der Kinderbetreuung entlasteten, könnten dafür bestenfalls eine geringe Herabstufung in der Düsseldorfer Tabelle erwarten - das entspreche etwa 20 bis 30 Euro. Väter zahlten also drauf, wenn sie ihren Kindern ein zweites Zuhause bieten und ihrer elterlichen Pflicht nachkommen würden - ein falsches Signal des Gesetzgebers.

Darüber wird auch in Fachkreisen debattiert. Im vergangenen Jahr bemängelte etwa der Deutsche Familiengerichtstag, die unterhaltsrechtliche Regelung nach dem Leitbild "eine(r) betreut und eine(r) bezahlt" sei nicht mehr zeitgemäß und stehe nicht mit den übrigen gesetzlichen Regeln in Einklang. Paragraf 1606 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches sei "grundlegend zu reformieren". Darin steht: "Der Elternteil, der ein minderjähriges unverheiratetes Kind betreut, erfüllt seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch die Pflege und die Erziehung des Kindes."

Kritik an BGH-Rechtsprechung

Einen neuen Ansatz bilden jüngere Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH, Az.: XII ZB 599/13), nach denen Eltern, die sich die Betreuung ihrer Kinder 50 zu 50 teilen, beide zur Zahlung von "Barunterhalt" verpflichtet sind. Was dennoch Kritiker auf den Plan ruft: Sind die Betreuungsanteile nicht exakt hälftig - wohnt der Nachwuchs etwa mehr Tage bei einem Elternteil als bei dem anderen -, tritt wieder das alte Prinzip in Kraft: Nur der Elternteil, bei dem die Kinder - wenn auch nur geringfügig - weniger leben, muss zahlen.

Witt kennt ein Beispiel dafür: Ein Paar mit gleicher Gehaltsgruppe habe sich nach der Trennung für das Wechselmodell entschieden, allerdings hätten die beiden Kinder einmal mehr bei der Mutter als beim Vater übernachtet. Unterhaltszahlungen seien zunächst kein Thema gewesen, inzwischen verlange die Frau aber den vollen Kindesunterhalt von ihrem Ex-Partner - rund 800 Euro.

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Einheitliche Regelung gefordert

Juristen sind sich des Problems bewusst. In Fällen von erweitertem Umgang bis hin zu einem kompletten Wechselmodell bestehe nur insoweit Einigkeit, als dass dafür die Düsseldorfer Tabelle nicht geeignet ist, bestätigt Fachanwältin Edith Schwab. Eine einheitliche Regelung wäre wünschenswert, würde jedoch derzeit wegen der geringen Anzahl der betreffenden Paare nicht vordringlich behandelt. Bis dahin würden sich die Gerichte mit Pauschalierungen durch Herabstufung innerhalb der Tabelle behelfen.

Beratung statt Gericht

Man müsse raus aus dem rechtlichen Kontext, hin zu mehr Beratung, sagt Witt. Mit dieser Meinung steht er nicht allein da: Immer mehr regionale "Arbeitskreise Trennung und Scheidung" haben interdisziplinäre Verfahren entwickelt, um Eltern nach dem Ende ihrer Beziehung bei der Unterhalts- und Umgangsregelung zu unterstützen - im besten Fall außergerichtlich. Im Mainzer Arbeitskreis Trennung und Scheidung geht es etwa um den fachlichen Austausch und die Diskussion aktueller Trennungs- und Scheidungsthemen.

Fest steht: Die alte Regel "Wo zwei sich streiten, freut sich der Dritte" gilt nicht nach Trennungen oder Scheidungen. Denn die Leidtragenden einer elterlichen Schlacht um den Unterhalt sind die Kinder - ganz gleich, ob nun die Mutter oder der Vater den Geldhahn zudreht. Professionelle Unterstützung kann dabei helfen, eine realisierbare, nachhaltige Regelung zu finden, mit der alle Beteiligten leben können.

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