"Ein reiner Herzensdienst" Was macht eigentlich eine Doula?
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Immer öfter nehmen Schwangere den Dienst einer "Doula" in Anspruch. Wir klären mit einer Expertin, wie sie Doulas von Hebammen unterscheiden.
Was ist eine Doula?
Melanie Schöne kennt die Aufgaben einer Doula ganz genau. Sie arbeitet seit 2006 selbst als Doula und ist zudem Vorsitzende des Vereins "Doulas in Deutschland". Sie sagt: "Eine Doula ist in erster Linie eine Mutter, die selbst geboren hat und erkannt hat, wie wichtig es ist, dass Frauen in dieser besonderen Lebensphase Beistand haben."
Eine Doula ist somit eine Art Geburtsbegleiterin. Sie unterstützt Schöne zufolge Frauen und ihre Partner während der Schwangerschaft, der Geburt und im Wochenbett und kümmert sich um ihre Wünsche und Bedürfnisse. "Eine Doula ist eine Dienerin für die Übergangsphase von Frau zur Mutter."
Doula oder Hebamme: Was ist der Unterschied?
Für eine Doula entscheiden sich werdende Eltern ganz bewusst, um kontinuierlich unterstützt zu werden. Eine Doula ist für all die nicht-medizinischen Aspekte da. "Ihre Aufgaben beziehen sich auf das Mentale, Stärkende, Mutmachende", erklärt Melanie Schöne.
Damit ergänzt sie die Arbeit der Hebamme – und zwar um die Faktoren, die diese nicht leisten kann, die den werdenden Eltern aber wichtig sind. Das können auch ganz praktische Dinge sein – "wie beispielsweise Suppe kochen, massieren oder die richtige Stillberaterin finden".
Was macht die Doula während der Geburt?
"Sie hält Händchen, streicht übers Haar, macht mit der Frau eine Phantasiereise oder erklärt ihr, auf welchem Weg sich das Kind gerade befindet", sagt Schöne. Auch die erste Doula der neuen Zeit, Wendy, tat genau das, wie die Wissenschaftler Dr. Marshall H. Klaus und der amerikanischen Kinderarzt Dr. John Kennell in Aufzeichnungen aus den 1970er Jahren festhielten.
Eine Doula kümmert sich aber genauso um den künftigen Vater, wenn er aufgeregt ist. Oder wenn er Informationen über den Geburtsverlauf benötigt beziehungsweise Anregungen, wie er seine Partnerin unterstützen kann.
Liegen Doulas derzeit im Trend?
In vielen Kulturen spielen Doulas schon lange eine Rolle. In Deutschland gibt es sie etwa seit Mitte der 1990er Jahre. In den vergangenen Jahren ist die Nachfrage nach Doulas stark gestiegen.
Schöne erklärt das unter anderem damit, dass es für Eltern schwieriger geworden sei, bei der Geburtsvorbereitung jemanden an ihrer Seite zu haben, der nur ihren Interessen verpflichtet ist – und dabei keinem Schichtplan unterliegt. "In den vergangenen Jahren sind viele Möglichkeiten weggefallen, sich ganz selbstbestimmt darum zu kümmern, wer einen zur Geburt begleitet", sagt Schöne.
Werdende Eltern könnten sich aufgrund des Hebammenmangels ihre Hebamme nicht mehr wirklich aussuchen. Zudem seien viele Geburtsstationen kleinerer Kliniken geschlossen worden, weil sie zu unrentabel waren.
Können Doulas die Lücke füllen, die in Deutschland durch die fehlenden Hebammen entstanden ist?
"Nein", sagt Melanie Schöne. "Wir brauchen Hebammen. Sie sind ganz wichtig." Doulas seien kein Ersatz, sie würden das Geburtsteam vielmehr um eine weitere Möglichkeit bereichern. "Ich sehe das als Kooperation." Einige Hebammen ermutigen der Expertin zufolge Frauen dazu, Doula zu werden – "weil sie auch ein Interesse daran haben, die ein oder andere Aufgabe abzugeben und sich ganz auf ihre Arbeit konzentrieren zu können."
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Ist das Doula-Sein ein Full-Time-Job?
Nicht jede Doula ist immerzu als Doula aktiv. "Die Aufgaben übernehmen Doulas für eine gewisse Zeit", sagt Melanie Schöne. "Denn sie stellen vor allem auch Zeit zur Verfügung." Manche Doulas begleiten zwei Geburten pro Jahr, andere zehn oder zwölf.
In welchem Zeitraum begleitet eine Doula die werdenden Eltern?
Meist gibt es während der Schwangerschaft zwei bis vier Treffen. Etwa 14 Tage vor dem errechneten Geburtstermin beginnt dann die 24-stündige Rufbereitschaft. Die Doula begleitet die Schwangere bei der Geburt von den ersten Wehen an bis sie das Kind in den Armen hält. Sie schreibt auch einen Geburtsbericht.
Danach finden zwei Nachtreffen statt, um zu sehen, wie es der Mutter geht. Wie fühlt sie sich? Wie ist sie angekommen im Muttersein? Dann gibt die Doula ihr auch einige Ansprechpartner an die Hand – Ärzte, Kursleiter und so weiter, je nach individuellem Bedarf.
Für wen ist eine Doula sinnvoll?
"Eine Doula braucht jeder, der liebevoll begleitet werden möchte, in dieser besonderen, aufregenden, manchmal eben auch mit Schmerzen verbundenen Lebenssituation", sagt Melanie Schöne.
Melanie Schöne ist Vorsitzende des Vereins "Doulas in Deutschland" (www.doulas-in-deutschland.de). Sie hat zwei Kinder. Ihre Doula-Ausbildung absolvierte sie 2006 in Österreich. Seit 2008 bietet sie selbst über den Verein "Doulas in Deutschland" eine Ausbildung zur Doula an.
Wer trägt die Kosten für eine Doula?
Die Doula-Begleitung wird von den werdenden Eltern selbst finanziert. Im Schnitt nehmen die Geburtsbegleiterinnen in Deutschland abhängig von der jeweiligen Region und der Anzahl der Treffen zwischen 500 und 1.200 Euro.
Es handelt sich dabei um eine Pauschale, die Vortreffen, Rufbereitschaft, Geburtsbegleitung und Nachtreffen abdeckt. "Das ist nichts, wovon eine Frau leben kann", sagt Schöne. "Doula zu sein ist ein reiner Herzensdienst." Wer sich keine Doula leisten kann, kann eine ehrenamtliche Doula-Begleitung beantragen.
Welche Voraussetzungen gibt es, um als Doula zu arbeiten?
Eine Doula muss mindestens 25 Jahre alt sein und mindestens ein Kind bekommen haben. Eine Doula sollte zudem gut zuhören und sich auf die Wünsche der Schwangeren einlassen können. Außerdem sollte sie gesund und fit sein. "Denn es kann auch mal sein, dass sie viele Stunden auf dem Boden verbringt oder keinen Schlaf findet."
Welche Situationen erwarten eine Doula beispielsweise?
Eine Geschichte ist Melanie Schöne stark im Gedächtnis geblieben: Eines der Paare, das sie als Doula begleitete, verschwand kurz vor der Geburt plötzlich aus dem Kreißsaal. Zusammen mit der Hebamme und der Schwesternschülerin ging Schöne auf die Suche – und wurde im Park vor dem Krankenhaus schließlich fündig. Schöne erzählt: "Dort sagte die Frau zu mir: 'Es roch alles so sehr nach Klinik und sah so sehr nach Klinik aus. Ich kann mich da nicht öffnen.'"
Der Schwangeren habe einfach die Privatsphäre gefehlt. Also kümmerte sich Schöne darum: Sie stellte das Bett im Kreißsaal verkehrt herum, zog die Vorhänge zu, stellte Kerzen auf und hing ein Schild an die Tür mit der Aufschrift "Bitte nicht stören". Dann verließ sie selbst den Saal, bis es richtig losging. "Das ist für mich immer ein gutes Beispiel dafür, wie selbstbestimmt Frauen handeln, wenn sie merken 'Ich kann das so nicht'", sagt Schöne. Und ein gutes Beispiel dafür, was eine Doula in solchen Momenten leisten kann.
- Telefoninterview mit Melanie Schöne, Vorsitzende des Vereins "Doulas in Deutschland"
- Eigene Recherchen