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Kolumne: "Mama, darf ich dich behalten, wenn du tot bist?"


Meinung
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Kinder und das Sterben
"Mama, darf ich dich behalten, wenn du tot bist?"

MeinungEine Kolumne von Larissa Koch

09.01.2018Lesedauer: 4 Min.
Niedliches Mädchen hält lachend einen Totenkopf festVergrößern des Bildes
Kinder haben keine Angst vor dem Tod. (Quelle: oska25/Thinkstock by Getty-Images-bilder)

Kinder können grausam sein. Zumindest aus Erwachsenensicht. Wir tabuisieren das Thema Tod weitgehend. Von unseren Kindern wird es wiederbelebt. Eine Kolumne von Larissa Koch.

"Mama, darf ich dich behalten, wenn du tot bist?", fragte mich meine Tochter neulich. Während ich mich noch sortierte und zunächst mal darüber nachdachte, wie ein solcher Wunsch wohl zu realisieren wäre, konkretisierte sie ihre Vorstellungen schon: "Ich möchte dich als Statue haben – im Kinderzimmer." Und mein Sohn sagte: "Ich will dich als Skelett!" Meine Reaktion beschränkte sich auf ein Grinsen. Und dann waren sie schon wieder mit anderen Dingen beschäftigt.

Sobald Kinder halbwegs verstanden haben, was der Tod ist, meist ab drei Jahren, reden sie auch darüber, und zwar ganz ohne Schwere, regelrecht sachlich. Kein Wunder: In diesem Alter halten sie sich noch für unsterblich.

Als mein Sohn knapp zwei Jahre alt war, entdeckte er auf der Straße einen toten Spatz, zeigte drauf und sagte: "Heia!", weil er dachte, dass der Vogel schläft. Das fand ich ganz rührend. Er wusste noch nichts vom Ende des Lebens. Meine Tochter, die knapp vier Jahre alt war, schmunzelte und korrigierte ihren Bruder sanft: "Nein, Julius, der ist tot."

Im Alter von rund 18 Jahren kann die Angst vor dem Tod kommen

Dass Tote wirklich weg sind, verstehen Kinder laut Experten im Alter von rund fünf Jahren. Auf sich selbst beziehen sie den Tod dagegen noch nicht. Ausgenommen sind natürlich Kinder mit schweren Erkrankungen. In dieser Hinsicht unbelastete Kinder reden hingegen sehr gern über den Tod.

Mit etwa neun Jahren verstehen Kinder, dass auch sie irgendwann einmal sterben werden, aber sie denken auch, da gibt es noch Auswege. Erst zwischen etwa 10 und 14 Jahren entwickeln sie mehr und mehr ein ähnliches Verständnis vom Sterben wie Erwachsene. Im Alter von rund 18 Jahren kennen auch sie die Angst vor dem Tod.

Kürzlich war ich mit meinen Kindern auf einem Friedhof. Sie fragten immer wieder: "Wieso sieht man denn die Toten nicht? Können wir die nicht ausbuddeln?" Ich musste sie enttäuschen: "Nein, das ist Grabschändung. Das darf man nicht", sagte ich, in der Hoffnung, dass meine Antwort weitere Fragen im Keim ersticken würde. Aber die Neugier wuchs.

Bei einem Mausoleum, in dem schwarze Marmorsärge standen, fragte mein Sohn: "Mama, kannst du bitte, bitte den Deckel aufmachen?" Glücklicherweise hatte ich ein Argumentationsnetz mit doppeltem Boden gespannt: "Das Mausoleum ist ja abgesperrt. Da kommen wir nicht rein." und zeigte auf das schwere Vorhängeschloss. "Außerdem sind die Deckel soooo schwer, die können nur mehrere starke Männer zusammen anheben." Sie waren enttäuscht.

"Und außerdem ist das 'Störung der Totenruhe'", sagte ich abschließend, um keinen Zweifel mehr an der Unmöglichkeit dieses Wunsches zu lassen. "Man darf Gräber nicht öffnen." Enttäuscht zogen sie weiter, in der Hoffnung, dass das nächste Grab nicht ganz so mit seinen Informationen über den Verstorbenen geizen würde.

Ich war reif für einen Themenwechsel

"Mama, was ist im Sarg, wenn der Tote ganz lange da drin liegt?", wollte mein Sohn wissen. "Na, der zerfällt nach und nach und wird wieder zu Erde." "Die Knochen auch?", hakte er nach. "Ja, alles vom Körper", sagte ich. "Ist dann da NUR Erde drin?", sicherte er sich nochmals ab. "Ja", sagte ich knapp und war reif für einen Themenwechsel. Meine Tochter ergänzte noch schnell: "Und Matschepampe – wegen dem Blut."

Ich kommentierte das nicht, dementierte es aber auch nicht. Dann erzählte ich ihnen etwas über Grabpflege und dass man die schönen Engel und andere Figürchen keinesfalls mitnehmen darf. Das fiel ihnen sichtlich schwer. Denn in einer Gesellschaft, in der überall sonst alles mitgenommen wird, was nicht niet- und nagelfest ist, weshalb auch nirgendwo so viele schöne Dinge herumliegen, ist das schon eine Herausforderung.

"Mama, wenn du tot bist, dann pflegen wir dein Grab", sagte mein Sohn. Meine Tochter fügte hinzu: "Ja, wir machen alles gaaanz schön und kommen dich ganz oft besuchen." Ich fühlte mich sehr wertgeschätzt, war aber froh, dass ich nicht aufgefordert wurde, mir ein hübsches freies Plätzchen auszusuchen.

Die gesunde Neugier von Kindern gegenüber dem Tod ist eine Chance

Auch auf dem Nachhauseweg ließ ihnen das Thema keine Ruhe. Da waren sie auf dem Friedhof gewesen und hatten keinen einzigen Toten gesehen. Gibt's denn sowas?! "Mama, ich möchte mal einen Toten sehen, der so liegt", sagte mein Sohn und nahm eine völlig verrenkte Position ein. "Mit Fleisch dran. Mama, kannst du uns das im Internet zeigen?" Das ging mir zu weit! Ich erklärte, dass es so was im Internet nicht gibt. "Aber ich will es sehen!", insistierte er quengelig und fand das todtraurig.

Zu Hause setzten sie ihre frisch erworbenen Grabpflegekenntnisse sofort in die Praxis um und errichteten selbst kleine Gräber. Bestattet wurde auch ein prominenter Vertreter des Erdreichs: Ein Maulwurf aus einem Überraschungsei. Er bekam einen winzigen Sarg in Streichholzschachtelgröße mit Deckel. Seine letzte Ruhestätte wurde liebevoll mit kleinen Figuren und echten Blumen bestückt. Auf einer winzigen Tafel, dem Grabstein, wurde sein Geburts- und Sterbedatum festgehalten: Der Maulwurf wurde zwei Jahre alt.

Die gesunde Neugier von Kindern gegenüber Krankheit und Tod, ganz ohne Berührungsängste, ist eine große Chance, auch später mit dem Unausweichlichen besser umgehen zu können. Was wir stattdessen tun: Durch unsere stete Tabuisierung machen wir es unseren Kindern schon bald genauso schwer, sich mit der Endlichkeit auseinanderzusetzen, wie wir es selbst erleben. Die natürliche Bereitschaft, sich mit dem Tod auseinanderzusetzen, lassen wir bei unseren Kindern ersterben. Schade eigentlich.

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