Die Fahrt des Lebens Mit dem Atomeisbrecher bis zum Nordpol
Viele suchen im Urlaub das besondere, das Abenteuer. Doch was, wenn die meisten Länder schon bereist, fast alle Ecken der Welt schon erschlossen sind? Im Norden Russlands wartet noch eine wirklich außergewöhnliche Kreuzfahrt auf die Gäste: Eine Fahrt zum Nordpol mit der "50 Let Pobedy", dem größten Atomeisbrecher der Welt. Sehen Sie Eindrücke der besonderen Fahrt auch in unserer .
Feurig glänzt das Rot des Eisbrechers "50 Let Pobedy" im Hafen von Murmansk. Hier, in der größten Stadt nördlich des Polarkreises, hat die russische Atomflotte ihren Hafen. Der Hochsicherheitsbereich mit Stacheldraht öffnet sich selten für Fremde. Zur wärmeren Jahreszeit aber können sich Touristen hier einen besonderen Traum erfüllen: eine Reise zum Nordpol - mit dem größten nuklear betriebenen Eisbrecher der Welt. Für einige Monate im Jahr räumt die Crew für die zahlenden Gäste aus aller Welt ihre Kajüten mit Meerblick im Oberdeck. Den Matrosen gefällt das nicht, doch sie wissen, dass die Arktis-Expeditionen Geld bringen.
Eigentlich sollte 2015 die letzte Reise der "Pobedy" mit Touristen sein, weil die Regierung andere Pläne mit dem Eisbrecher hatte. Russland will in der Arktis in Zukunft Öl und Gas fördern und den Containerverkehr über die Nordostpassage verstärken. Doch wegen der Wirtschaftskrise liegen die Pläne auf Eis, auch 2016 fährt die "Pobedy" Urlauber zum Nordpol.
24.000 Euro kostet die exklusive Fahrt
"Im Sommer sind die Schifffahrtswege frei, unsere Dienste werden nicht gebraucht. Trotzdem müssen wir das Schiff unterhalten und die Besatzung beschäftigen und bezahlen", sagt Kapitän Dmitri Lobusow. Für vier Millionen Rubel (rund 52.000 Euro) am Tag können Expeditionsanbieter die "50 Let Pobedy" (50 Jahre Sieg) für Kreuzfahrten mieten, der Tourist aus Deutschland zahlt rund 24.000 Euro für die Seereise. Der 51-jährige Lobusow mit seinem grau schimmernden Bart ist ein Kapitän wie aus einem Kinderbuch. 102 Reisende aus 21 Nationen hat der Russe diesmal an Bord. Rund um die Uhr lässt Lobusow die Brücke geöffnet für Besucher. Sie genießen den Rundumblick, inspizieren die Navigationssysteme und Elektronik. Anke Wodarg aus dem nordrhein-westfälischen Langenfeld ist Dauergast hier.
Die "50 Let Pobedy" rauscht durch die Barentssee. Nur noch die Konturen der Inseln von Franz-Josef-Land sind im Nebel zu sehen. Erst treiben kleine Eisschollen auf der See, dann größere. Bis es tatsächlich Eis zum Brechen gibt, dauert es Tage. "Dieses Krachen zu spüren, den Widerstand des Eises, die mächtige Kraft des Schiffes - das ist herrlich", sagt die 48-jährige Anke Wodarg. Als es beim Essen kräftig rumpelt, kracht die "50 Let Pobedy" durch meterdickes Eis. Nichts hält die Deutsche mehr am Tisch. Sie muss raus an Deck, zuschauen, wie der Koloss durch die Eiswüste weiter zum Nordpol vordringt. 90 Grad Nord ist das Ziel der Sehnsucht - der Nordpol. Aber der Weg ist lang.
Walrosse und Eisbären sind die Attraktionen
Die ersten Gäste sind schon am Eindämmern in den einfachen Kajüten mit Einzelbett und Schlafcouch, als die Stimme von Expeditionsleiter Jan Bryde durch die Lautsprecher dringt. "Ein Walross auf einer Scholle. Ein Walross", verkündet er per Bordfunk. Jetzt wächst die Hoffnung auf die ersten Eisbären. Viele Gäste haben sich für die Reise entschieden, um das größte Landraubtier der Erde in freier Wildbahn zu sehen. Lange lassen die Polarbären nicht auf sich warten, erst zeigt sich einer, dann noch einer und noch einer.
"Ein Eisbär auf einem Eisberg, meine Damen und Herren! Eisberg mit Eisbär. Eisbääärg", tönt Brydes Stimme über die Sprechanlage. Helle Begeisterung bricht aus. Die Gäste kommen mit riesigen Teleobjektiven an Deck. Die Russen zücken ihre Satellitentelefone, geben den Sichtungserfolg an Freunde im fernen Moskau durch. Ganz nah kommen sich Schiff und Bär diesmal.
Richtung Nordpol wird das Eis dicker
Es geht weiter in Richtung Nordpol. Immer dichter wird die Eisfläche. Mit durchschnittlich 11,5 Knoten - rund 21 Kilometern pro Stunde - bahnt sich die "Pobedy" in Fahrradgeschwindigkeit ihren Weg zum Ziel der Ziele. Im Schiffssalon und in der Bibliothek vertreiben sich die Gäste die Stunden und Tage bei Vorträgen von Forschern und Naturschützern.
Fünf Tage nach dem Start in Murmansk kann Expeditionschef Bryde für den nächsten Morgen die Ankunft am Nordpol ankündigen. Es ist ein Sonntag. Die Sonne scheint, der Himmel ist blau und das Eis fest.
Opernmusik und "We are the Champions" am Pol
Jan Bryde weckt die Gäste mit Opernmusik. Sein Team schenkt Sekt aus. "We are the Champions" erklingt. Der magische Punkt, die nördliche Spitze der Rotationsachse der Erde, ist erreicht. Für Erinnerungsfotos haben viele Passagiere Nationalflaggen mitgebracht. Die Crew lässt die Schiffstreppe auf das Eis, die Passagiere bilden einen Kreis um das eigens aufgestellte rote Nordpolschild mit der Aufschrift "90°N". Es gibt eine Schweigeminute für den Frieden auf dem Planeten, eine Rede vom Kapitän - und dann das größte Abenteuer des Tages: der Sprung in den arktischen Ozean bei fast minus zwei Grad.
1260 Seemeilen oder 2333 Kilometer hat der Eisbrecher von Murmansk zurückgelegt. Einige weinen vor Glück. Es gibt Wodka, Punsch, ein Grillfest am Schiffsrumpf - und etwas Zeit zum Laufen auf dem Eis mit seinen blau schimmernden Schmelztümpeln an der Oberfläche. Eine Urkunde am Ende der Reise bescheinigt den Erfolg. Kapitän Lobusow ist zufrieden: "So sicher und punktgenau ist das nur mit dem Eisbrecher zu schaffen".
Weitere Informationen
Reisezeit: In den Sommermonaten, wenn es wenig Eis in der Arktis gibt und die Sonne in der Polarregion nicht untergeht, gibt es für Touristen Kreuzfahrtangebote von knapp zwei Wochen Dauer.
Anreise: Die Anreise nach Murmansk erfolgt zum Beispiel über Moskau oder St. Petersburg oder mit einem Charterflugzeug.
Einreise: Für die Einreise nach Russland ist ein Visum gegen Gebühr notwendig. Es kann direkt bei einem russischen Konsulat beantragt oder über ein Visazentrum (www.vhs-germany.com) oder Reisebüro organisiert werden.
Informationen und Buchung: Poseidon Expeditions, Große Elbstraße 42, D-22767 Hamburg (Tel.: 040/756 68 555, E-Mail: anfrage@poseidonexpeditions.com, www.poseidonexpeditions.com).