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Fragwürdige Erziehungsmethode: Ein mieser Haarschnitt als Bestrafung


Fragwürdige Erziehungsmethode
Ein mieser Haarschnitt als Bestrafung

ap, Nina Gödeker

15.06.2015Lesedauer: 4 Min.
Friseur Russell Fredrick schneidet Kindern eine schlechte Frisur und die Eltern veröffentlichen Bilder davon in sozialen Medien - als Bestrafung.Vergrößern des Bildes
Friseur Russell Fredrick schneidet Kindern eine schlechte Frisur und die Eltern veröffentlichen Bilder davon in sozialen Medien - als Bestrafung.
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Als Strafe für schlechte Noten lassen Eltern ihre Kinder beim Friseur verunstalten und posten die Fotos oder Videos dann im Internet. So soll dem Nachwuchs Disziplin beigebracht werden, aber Experten haben ihre Zweifel.

Russell Frederick hat einiges versucht, um seinem Sohn besseres Benehmen beizubringen. Nichts half, der Zwölfjährige störte weiter den Unterricht, die Hausaufgaben blieben liegen. Also griff der Friseur zur Schere. Er beließ es jedoch nicht bei einem Haarschnitt, sondern rasierte seinem Sohn vollständig den Kopf. Ein Foto seines Werks begeisterte viele Internetnutzer. Seitdem kommen immer wieder Eltern zu ihm, die ein "Benjamin Button Special" für ihre Kinder verlangen.

Fotos werden per Social Media verbreitet

"Nachdem ich ihm den Kopf kahl rasiert hatte, sagte ich ihm, wenn er so weitermacht, würde ich mit jedem Schnitt noch kreativer werden", erklärt Frederick, Mitbesitzer des Friseursalons A-1 Kutz in Snellville im US-Staat Georgia. "Das musste ich aber nicht, weil er sich zusammengerissen hat." Frederick und sein Sohn, einer von dreien, sind Teil eines Social-Media-Trends: Eltern greifen zum Rasierer, um ihre Kinder zu bestrafen - für schlechtes Benehmen, schlechte Leistungen in der Schule oder sonstige Regelverstöße. Die Ergebnisse posten sie dann bei YouTube, Facebook oder auf anderen Social-Media-Seiten.

Wegen der Ähnlichkeit heißt dieser Haarschnitt "Benjamin Button Special", in Anklang an den Film "Der seltsame Fall des Benjamin Button". Der Hype um den Friseur begann im Februar 2015. Indem Eltern selbst zu Schere und Rasierer greifen und Fotos vom Ergebnis posten, heizen sie das Thema neu an.

Lieber zum Friseur als zum Gericht?

Seit Februar wurde Frederick schon mehr als 20 Mal im Auftrag von genervten Eltern tätig. Jedes Mal kostenlos. "Wenn die Leute kommen und danach fragen, dann machen wir es", sagt er. "Man muss diese Kinder erreichen, bevor ein Richter über die Strafe entscheidet."

Kinder werden gedemütigt

Eltern nutzen auch auf andere Arten soziale Medien, um ihre Kinder online zu demütigen. Sie schreien sie an, zerschmettern ihre Computer oder Handys oder schlagen sie sogar. In den vergangenen sechs Monaten wurde im Netz verstärkt diskutiert, was diese Form der öffentlichen Erniedrigung für die Kinder bedeutet und ob sie überhaupt zum Ziel führt.

Warum Strafen nicht helfen

Die Psychologin Claudia Shields von der Chicago School of Professional Psychiatry hilft Eltern, ihre Kinder auf andere Arten zu disziplinieren. Die Videos hält sie nicht für sinnvoll. Um ein Verhalten bei Kindern zu verändern, seien überhaupt keine Strafen nötig, erklärt sie. Viel wichtiger sei eine positive Bestätigung, eine Bestärkung der Kinder. "Viele Eltern denken, dass das schwächere Formen der Bestrafung sind, aber insgesamt sind sie effektiver."

Gegenbewegung formiert sich

In den vergangenen Wochen hat sich im Internet eine Gegenbewegung zu den Frisuren-Videos formiert. So erschienen Videos, in denen die Eltern nur so taten, als würden sie ihren Söhnen die Haare abrasieren, nahmen sie aber stattdessen am Ende in die Arme. "Niemals würde ich meinen Sohn so bloßstellen", sagt Wayman Gresham, ein 45 Jahre alter Vater von vier Kindern aus Fort Lauderdale in Florida. Er dreht mit seinem zwölfjährigen Sohn Isaiah eine Parodie und teilte sie am 6. Juni bei Facebook. Seitdem wurden die Aufnahmen schon mehr als 21 Millionen Mal angesehen und geteilt.

"Kindern nicht die Würde nehmen"

"Das ist doch alles gar nicht nötig", sagt Gresham in dem Video. "Gute Erziehung beginnt schon, bevor er außer Kontrolle gerät. Gute Erziehung bedeutet, sein Kind wissen zu lassen, dass man es liebt, egal was sie tun." Man dürfe einem Kind nicht die Würde nehmen. "Wenn man sein Kind bestrafen muss, dann sollte man das nicht in der Öffentlichkeit tun."

Als Belohnung ein schöner Haarschnitt

Frederick hat auch seine Grenzen. Er hat zum Beispiel niemals einem Mädchen die Haare verschandelt. Der jüngste Junge war neun Jahre alt. Bei jüngeren Kindern zeige die Behandlung keine Wirkung, glaubt er. Er betont, er belohne auch Kinder für gute Leistungen mit schönen Haarschnitten.

Erst Glatze, dann gute Noten

Die Mutter, dessen Sohn seinen ersten "Benjamin Button", benannt nach der Hauptfigur in dem Brad-Pitt-Film "Der seltsame Fall des Benjamin Button", erhielt, kam später mit guten Neuigkeiten zu ihm. Der Junge habe für eine Verbesserung seiner Leistungen am Ende des Schuljahres eine Auszeichnung erhalten. Der Friseur verweist darauf, dass keiner seiner jungen und peinlich berührten Kunden jemals wiedergekommen sei.

"Haare wachsen ja wieder"

Philip Scott aus Houston hat mit seinem YouTube-Kanal "The Advise Show TV" fast 400.000 Abonnenten. Er erklärt, diese Art der Bestrafung sei in der afroamerikanischen Gemeinde nicht ungewöhnlich. "Ich bin 35 und ich erinnere mich daran", sagt er. "Mein Vater ist 58 und er hat schon so manches Mal darüber gesprochen." Scott hat drei Töchter und einen zehn Jahre alten Sohn. Er musste noch nie die Haarschnitt-Methode anwenden, aber er will Eltern nicht verurteilen, die zu diesem letzten Mittel greifen.

"Das mit den Haaren ist zwar eine große Sache, aber sie wachsen ja wieder", erklärt er. "Sollen die Eltern ihre Kinder bestrafen oder die Polizei? Mir sind die Eltern lieber."

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