Pauker im ZDF-Check Sind unsere Lehrer wirklich "faule Säcke"?
Es gab eine Zeit, in der hatte man als Lehrer einen der angesehensten Berufe. Heute genießt der Lehrer einen zweifelhaften Ruf. Er leiste wenig und jammere dafür umso mehr, und die Ergebnisse seiner Arbeit seien offenkundig - siehe Pisa - auch nicht immer vorzeigbar. Die Dokumentation "Wie gut sind unsere Lehrer?" aus der Reihe ZDFzeit möchte mit Vorurteilen wie diesen aufräumen und schlägt sich auf die Seite der Pädagogen. Der Fehler liege im System.
Als "faule Säcke" wurden Lehrer einst von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder bezeichnet. Ein Urteil, das die Boulevardpresse mit Freude aufgriff und damit das Image einer ganzen Berufsgruppe schädigte.
Constanze Kober und Thorsten Puderbach sind Lehrer an einer Schule in Hamburg-Altona. Ein halbes Schuljahr wurde ihr Unterricht in einer siebten und achten Klasse mit festinstallierten Kameras begleitet: "In Deutschland hat es so etwas noch nie gegeben", rühmt sich das ZDF. Kober und Puderbach wirken engagiert, manchmal erschöpft, aber gar nicht wie "faule Säcke". Es ist jedoch fraglich, ob ihre Arbeit am Gymnasium repräsentativ ist für die von über 660.000 Kollegen an deutschen allgemeinbildenden Schulen - also auch an Grund-, Haupt- und Realschulen.
Gute Lehrer trotz schlechter Ausbildung - wie soll das gehen?
Interessanter als die Unterrichtsszenen des laut eigener Aussage "einzigartigen Langzeitprojekts" ist die Diskussion, die im ZDF-Film geführt wird: Warum haben es Lehrer in Deutschland so schwer? Warum sind viele ihren Anforderungen nicht gewachsen?
Für den Lernerfolg bei Schülern sind gute Lehrer unbedingt erforderlich. Darüber sind sich alle Experten, die zu Wort kommen, einig. Genauso darüber, dass die Ausbildung der Lehrer in Deutschland nicht zwingend gute Pädagogen hervorbringt. Denn angehenden Lehrern wird vor allem Fachwissen vermittelt, den harten Schulalltag lernen sie erst im Referendariat kennen.
"Man muss Theorie und Praxis von Anfang an miteinander verzahnen", fordert Bildungsforscher und Pisa-Koordinator Andreas Schleicher. Philosoph und Autor Richard David Precht ordnet die Theorie der Praxis sogar unter: "Lehrer müssen nicht viel über Didaktik wissen. Sie müssen es können."
Die falschen Anreize
Mit einem durchschnittlichen Gehalt von 40.000 bis 50.000 Euro im Jahr gehören deutsche Lehrer in Europa zur Spitze. Dazu winkt ihnen die Verbeamtung - ein falscher Anreiz, glaubt Precht, der sich "begeisternde Persönlichkeiten" als Lehrer wünscht. "Das Beamtentum fördert ein ruhiges, geordnetes, überschaubares Leben", so Precht. "Doch jemand, der andere begeistern soll, sehnt sich selten nach einem ruhigen, gleichförmigen Leben. Das ist in den meisten Fällen ein Widerspruch."
Ohnehin ist das gemütliche Lehrerdasein längst als Klischee mit geringem Realitätsgehalt erkannt. Zwar gäbe es keine verlässlichen Statistiken, doch Schätzungen der ZDF-Autoren zufolge könne sich durch Unterrichtsstunden, deren Vor- und Nachbereitung, Korrekturen, Klassenfahrten sowie Eltern- und Schülergespräche eine Arbeitszeit von wöchentlich 50 bis 70 Wochenstunden ansammeln. Dazu nennt das ZDF die bekannten Belastungen: Stress im Klassenzimmer, hoher Lärmpegel, gewaltbereite Schüler, zusätzliche erzieherische Aufgaben, fehlende soziale Anerkennung, erhöhte Burnout-Gefahr.
Unterrichten in der kritikfreien Zone
Während Lehrer ihren Schülern Teamwork vermitteln sollen, müssen sie mit den eigenen Schwierigkeiten selbst fertig werden. Eine Form von Zusammenarbeit mit Kollegen oder externen Spezialisten findet im Lehrerberuf nahezu gar nicht statt. "Richtiges Feedback zum Unterricht bekomme ich nicht mehr, das ist seit dem Referendariat abgeschlossen", beklagt Sport- und Naturwissenschaftslehrer Puderbach. "Als Lehrer ist man deshalb ein Einzelkämpfer."
Viele Lehrer vermissen die kritische Auseinandersetzung der Schule mit ihrer Arbeit. Sie können sich oft schlecht selbst einschätzen und erkennen womöglich ihre Probleme und Fehler erst gar nicht. In manch anderen Ländern gibt es daher gezielte Coachings auch für Lehrer, die schon länger in ihrem Beruf tätig sind.
"Wir sind eine bildungspolitische Bananenrepublik"
"Wie gut sind unsere Lehrer?", fragt die ZDF-Doku in ihrem Titel. Eine klare Antwort kann sie nicht geben. Ein schlechtes Zeugnis wird stattdessen dem System ausgestellt, in dem Lehrer ausgebildet werden und arbeiten - von allen Experten wie von den Pädagogen selbst. Die härtesten Worte findet Philipp Möller, Buchautor und ehemaliger Grundschullehrer: "Wir haben in Deutschland das pädagogische Know-how und wir haben das Kapital, um eine fantastische Bildungsrepublik zu sein. Aber wir sind eine bildungspolitische Bananenrepublik."
Ein Vergleich mit Finnland, wo gegenüber etwa 50 Prozent in Deutschland neun von zehn Schülern Abitur machen, soll zeigen, wie man es besser machen könnte. In dem skandinavischen Land wird nur einer von zehn Bewerbern zum Lehrerstudium zugelassen. Schon allein damit lasse sich das größere Selbstwertgefühl und die stärkere soziale Anerkennung der finnischen Lehrer erklären.
Doch Vergleiche mit anderen Staaten werden seit dem "Pisa-Schock" von 2001 immer wieder gezogen. Auch die Probleme in der Lehrerausbildung und die starke Belastung der Lehrer sind nicht neu. Das ZDF verpasst es, zu fragen, was in den deutschen Bundesländern gegen diese bekannten Defizite unternommen wird. Es werden Lehrer, Autoren, Bildungsexperten und Unterrichtsforscher interviewt - leider niemand aus den Kultusministerien.