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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Umwelt & Gesellschaft H&M sammelt Altkleider
Was heute neu und schick ist, wird morgen zum modischen Verbrechen: Bis zu zwölf Kilo an ausgedienten Textilien mistet jeder Deutsche pro Jahr aus. Artikel, die der trendbewusste Verbraucher wegwirft, sind aber keineswegs Müll, sondern eine begehrte Ware.
Karitative Einrichtungen sammeln und verkaufen die Textilien ebenso wie gewerbliche Sammler. Und selbst der Einzelhandel macht mit. Seit einem Jahr auch die Modekette H&M. In Deutschland hat sie schon über 600 Tonnen Alttextilien eingesammelt.
Die Modekette ist im großen Stil in das Geschäft mit Altkleidern eingestiegen. Der Konzern nimmt in seinen Läden abgetragene Textilien an, die er an das Schweizer Unternehmen I:Collect weiterverkauft. Wie viel Geld die Modekette mit dem Verkauf der Altkleider eingenommen hat, verrät H&M nicht, betont über eine Sprecherin aber: "H&M strebt mit dieser Initiative keinen Gewinn an." Mit dem Erlös unterstütze die Kette Hilfsorganisationen und soziale sowie Forschungsprojekte.
Altkleider und Rabatt im Tausch
Der Konzern profitiert von der Kampagne vermutlich trotzdem: 668 Tonnen Altkleider hat das Unternehmen binnen eines Jahres allein in Deutschland eingesammelt. Knapp 4.000 Tonnen waren es weltweit. Pro abgegebener Tüte Altkleider gewährt H&M seinen Kunden einen Rabatt-Gutschein von 15 Prozent - und animiert so zum nächsten Einkauf.
Ähnlich machen es andere Händler. Die Modekette Adler etwa sammelt schon seit 2009 abgetragene Klamotten. Pro Jahr kämen rund 500 Tonnen zusammen, sagt ein Sprecher. Als Gegenleistung erhielten die Kunden einen Rabattgutschein zwischen einem und drei Euro, je nach Menge der Alttextilien. Der Schuhhändler Reno gewährt pro abgegebenem Paar Schuhe 50 Cent Rabatt. Auch das Sportschuh-Label Foot Locker machte schon mit und gab während zeitlich befristeter Kampagnen einen Zehn-Euro-Gutschein pro Schuhpaar aus. Die Händler bewerben ihr Angebot in der Regel als einen Beitrag zum Umweltschutz.
Skeptiker: "Das ist vor allem Marketing"
Gemeinnützige Organisationen beobachten die Sammelleidenschaft des Einzelhandels mit Unbehagen. Die Unternehmen betrieben "Kundenbindung im grünen Gewand", kritisiert Thomas Ahlmann, Sprecher von FairWertung, dem Dachverband gemeinnütziger und kirchennaher Altkleider-Sammler. "Das Ganze ist zutiefst widersprüchlich: Man will den Müllberg senken und gleichzeitig wird mit Rabattgutscheinen wieder zum Kauf animiert", kritisiert Ahlmann und folgert: "Das ist vor allem Marketing."
Harter Wettkampf um Altkleider
Für den gewerbliche Sammler I:Collect, der mit mehreren Modeketten zusammenarbeitet, ist es vor allem ein kluges Geschäft, das Nachschub in einem umkämpften Markt sichert. Um die weggeworfenen Textilien tobt nämlich schon lange ein harter Wettbewerb. Karitative Organisationen sammeln und verkaufen die Stoffe an Sortierbetriebe und finanzieren damit ihre ertraglosen Engagements, etwa den Einsatz in Krisengebieten oder die Jugendarbeit. Daneben hat sich eine Reihe privatwirtschaftlicher Wettbewerber etabliert. Zudem sehen sich karitative wie kommerzielle Sammler mit vielen illegalen Konkurrenten konfrontiert.
Die größten Gewinne machen die Sammler mit Kleidern, die noch aufgetragen werden können: Ein Großteil davon wird von den Sortierern ins Ausland exportiert, nur ein sehr kleiner Teil landet im Inland in Second-Hand-Läden oder Kleiderkammern. Der Rest wird verwertet, etwa zu Putzlappen oder Dämmstoffen. Völlig Unbrauchbares wird verbrannt.
Sinkende Altkleider-Preise
Die Preise auf dem Altkleider-Markt kannten dabei lange nur eine Richtung: nach oben. Zwischen 2010 und 2013 hatten sich dem Branchendienst Euwid zufolge die Preise mehr als verdoppelt. Im vergangenen Sommer kostete ein Kilo Alttextilien demnach über 50 Cent. Zuletzt aber sanken die Preise, aktuell zahlen die Sortierbetriebe rund 45 Cent für ein Kilo. Mehr geht nicht, die Lager sind zu voll - die Deutschen haben halt viel ausgemistet.