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Reinhold Messner zu Ueli Stecks Erstbegehung an der Annapurna-Südwand


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Reinhold Messner: "Ich habe keinen Zweifel an Ueli Steck"

Ein Interview von Johanna Stöckl

31.10.2013Lesedauer: 4 Min.
Ueli Steck und Reinhold Messner.Vergrößern des Bildes
Für Reinhold Messner gibt es keine Zweifel an Ueli Stecks Erstbegehung an der Annapurna-Südwand. Die Alpin-Legende war in seiner aktiven Zeit selbst bisweilen Opfer von Verleumdungen. (Quelle: Mountain Hardwear/Garret Madison/Archiv Messner/Tony Federiko)

Der Schweizer Alpinist Ueli Steck stieg am 9. Oktober 2013 solo und ohne Zusatzsauerstoff durch die Südwand der Annapurna. Mit seiner Erstbegehung schreibt der 37-jährige Profi Alpin-Geschichte. Belegen kann Steck diesen Erfolg nicht. Da er beim Aufstieg die Kamera verloren hatte, gibt es kein Gipfelfoto. Reinhold Messner über Verschwörungen, Denunzianten, Neid unter Bergsteigern und wieso er von Ueli Steck überzeugt ist.

Johanna Stöckl: Ueli Steck ist solo durch die Annapurna-Südwand geklettert. Wirft das Fehlen an Beweisen Zweifel auf?

Reinhold Messner: Hören Sie mir bloß auf damit! Verschwörungstheorien dieser Art kenne ich zur Genüge. Auch im Falle Steck sind mir solche Theorien bereits zu Ohren gekommen. Was ich dazu zu sagen habe? Ueli Steck ist ein sehr, sehr guter Bergsteiger. Seinen Erfolg an der Annapurna-Südwand zweifle ich in keiner Weise an. Und das, obwohl ich weder dabei war, noch einen eindeutigen Beweis vorliegen habe.

Was überzeugt Sie?

Stecks Erzählungen und Schilderungen sind so eindeutig, dass es für mich überhaupt keine Bedenken gibt. Wir haben es hier ja auch nicht mit irgendeinem Bergsteiger zu tun, sondern mit einem Spitzen-Alpinisten, der zu seinem Stil zurückgefunden hat. Ueli Steck ist kein Lügner. Anders gesagt, er hätte einen Schwindel dieser Art gar nicht nötig.

Ueli Steck ist in der Annapurna-Südwand eine großartige Erstbegehung gelungen. Außerdem – und das ist wohl das wichtigste Argument – Steck hat die Fähigkeit zu so einem Solo. Körperlich, mental, aber auch taktisch und logistisch. Vor dieser Leistung ziehe ich den Hut. Alles, was er in diesem Zusammenhang bisher gesagt hat, ist für mich nachvollziehbar.

Ich habe nicht den geringsten Zweifel. Im Hintergrund werden merkwürdige Informationen gestreut. Das ist reines Denunziantentum. Das gab es auch früher schon unter den Bergsteigern. Vor allem in den 30er Jahren und vor allem in Deutschland.

Konnten Sie persönlich bereits mit Ueli Steck sprechen?

Nein, das hat sich noch nicht ergeben. Allerdings habe ich bereits mit einigen Leuten gesprochen, die Steck nach dem Annapurna-Solo persönlich getroffen haben. Alle sind sich einig: Stecks Schilderungen klingen mehr als plausibel. Ich habe nichts Gegenteiliges gehört.

2010 behauptete Christian Stangl am Gipfel des K2 gestanden zu haben.

Stangl ist wirklich eine völlig andere Nummer. Und nur weil Christian Stangl geschwindelt hat, heißt das ja nicht, dass jeder Bergsteiger ein potentieller Betrüger ist. Ich habe übrigens Stangl damals auch geglaubt, bis das Gegenteil bewiesen war.

A priori glaube ich den Erzählungen und Schilderungen der Bergsteiger. Steck ist in einer ganz anderen Position. Er hat einfach keine Notwendigkeit zu lügen. Oftmals steckt ja auch purer Neid anderer Bergsteiger hinter solchen Vermutungen. Das sind dann Bergsteiger, die gerne Weltklasseformat hätten, es aber dann doch nicht wirklich haben.

Im Interview mit uns sagte Steck: "Ich war mit Überleben beschäftigt, nicht mit Beweisführung."

Dieser Satz gefällt mir ausgesprochen gut. Im Alleingang in einer derartigen Schwierigkeit, ist eine lückenlose Beweisführung ohnehin sehr schwierig. Steck hat seine Kamera verloren. Das kann passieren. Nun gibt es eben keine Bilder. Manch anderem Bergsteiger oder Kletterer kann so ein Malheuer gar nicht widerfahren, weil er von einem Kamerateam im Hubschrauber begleitet wird, weil sich ein ganzer Tross auf den Weg macht, um eine Dokumentation zu liefern. Das ist doch auf der anderen Seite auch sonderbar. Oder etwa nicht?

Haben Profibergsteiger die Pflicht, Erfolge zu belegen, zu dokumentieren?

Ja. Das hat ein Bergsteiger, der sich medial vermarktet, von Sponsoren und Vorträgen lebt, grundsätzlich natürlich schon. Man sollte seine Unternehmungen belegen können. Aber manchmal geht das eben nicht wie im Falle Steck.

Wie hat ein Reinhold Messner das früher mit Beweisen gehandhabt?

Als ich 1978 den ersten Achttausender, den Nanga Parbat, solo geklettert bin, wusste ich ganz genau, dass mich Kritiker für den Fall, dass ich meinen Erfolg nicht belegen könnte, mit Häme überschütten würden. Daher hatte ich eine Kamera dabei. Technisch waren die Geräte aber damals noch nicht so ausgereift. Heißt: die Chance, dass sie in dieser Höhe überhaupt funktioniert war 50:50.

Glücklicherweise hat alles geklappt. Für den Fall der Fälle hatte ich zusätzlich eine Aluminiumhülse und eine 50 Zentimeter lange Rebschnur dabei, mit welcher ich eben diese Hülse im Gipfelbereich an einem Felsen festbinden konnte. Ich hatte also etwas hinterlassen. Um Ihnen jetzt zuvorzukommen: An der Annapurna kann man das nicht. Der Gipfel ist eine reine Schneekuppe und weist keine Felsen auf. Da kann man beim besten Willen nichts hinterlassen.

Weitere Informationen zu Reinhold Messner:

Reinhold Messner wurde am 17. September 1944 in Brixen, Südtirol geboren. Er schaffte 1978 mit dem Österreicher Peter Habeler als Erster eine Besteigung des Mount Everest ohne künstlichen Sauerstoff. 1986 war er mit der Besteigung des Lhotse der erste Mensch, der auf allen 14 Achttausendern stand. – Und das ohne Verwendung von Zusatzsauerstoff. Tragisch verlief die Expedition am Nanga Parbat im Sommer 1970, bei der nach der Erstdurchsteigung der Rupalwand sein Bruder Günther starb. Zudem durchquerte Messner die Antarktis (mit Arved Fuchs), Grönland (1993) und die Wüste Gobi (2004). Am 31. Juli 2009 heiratete er seine Lebensgefährtin Sabine Stehle, mit der er drei gemeinsame Kinder hat.

Reinhold Messners Achttausender im Überblick:

1979 K2 Pakistan 8611 m
1978 und 1980 Mount Everest Tibet 8848 m
1986 Lhotse Nepal 8516 m
1985 Dhaulagiri Nepal 8167 m
1982 Broad Peak Pakistan 8047 m
1982 Kangchendzönga Nepal 8595 m
1982 und 1984 Gasherbrum II Pakistan 8035 m
1981 Shisha Pangma Tibet 8013 m
1975 und 1984 Gasherbrum I Pakistan 8068 m
1985 Annapurna Nepal 8091 m
1970 und 1978 Nanga Parbat Pakistan 8125 m
1972 Manaslu Nepal 8163 m
1986 Makalu Nepal 8463 m
1983 Cho Oyu Nepal 8201 m

Alle 14 Achttausender wurden ohne Verwendung vom künstlichem Sauerstoff bestiegen. Solo bestieg Messner den Everest und den Nanga Parbat.

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