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Energiewende: Wärmepumpenunternehmer kritisiert Bundesregierung


Wärmepumpenunternehmer
"Es ist ein Bürokratiemonster"

InterviewVon Amir Selim

Aktualisiert am 09.09.2024Lesedauer: 6 Min.
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Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne, Archivbild): Wärmepumpenunternehmer Jan Ossenbrink lobt das Heizungsgesetz, kritisiert aber die Bundesregierung. (Quelle: Kay Nietfeld/dpa/dpa-bilder)

Die Wärmepumpe soll bei der Energiewende eine tragende Rolle in vielen Haushalten spielen. Zuletzt ist der Absatz jedoch eingebrochen. Ein Unternehmer gibt sich gelassen.

2023 war ein Rekordjahr im Hinblick auf Heizungen. Mehr als 1,3 Millionen neue Anlagen wurden verkauft – auch die viel diskutierte Wärmepumpe, die bundesweit 356.000-mal abgesetzt wurde. Zuletzt hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) neue Pläne verkündet.

Im ersten Halbjahr dieses Jahres dann die Ernüchterung: Der Heizungsmarkt ist eingebrochen, und auch die Wärmepumpe wurde nur rund 90.000-mal verkauft – ein Minus von 54 Prozent.

Für Jan Ossenbrink, Geschäftsführer des Wärmepumpenunternehmens Vamo, ist das kein Grund zur Sorge. Warum er so gelassen ist, was die Bundesregierung besser machen müsse und warum denkmalgeschützte Immobilien keine Wärmepumpe brauchen, erklärt er im t-online-Interview.

t-online: Herr Ossenbrink, im ersten Halbjahr wurden im Vergleich zu 2023 deutlich weniger Wärmepumpen verkauft. Warum mögen die Menschen in Deutschland die Wärmepumpe nicht?

Jan Ossenbrink: Das ist nicht der Fall. Die Deutschen kennen die Wärmepumpe noch gar nicht richtig. Dass die Menschen in Deutschland weniger Wärmepumpen kaufen, ist nachvollziehbar. 2023 gab es einen Rekordabsatz bei Heizungen. Dieses Jahr ist nun der Gesamtmarkt eingebrochen. Also nicht nur die Wärmepumpe wird weniger verkauft, sondern alle Heizungen. Auch bei Gasheizungen gab es einen Rückgang um 40 Prozent.

Wie erklären Sie sich das?

Die alte Förderung der Bundesregierung, die unter anderem auch effiziente Gasheizungen gefördert hat, lief aus und die neue Förderung war noch nicht vorgestellt. Also haben viele Kunden die Gunst der Stunde genutzt. Außerdem stand ein mögliches Verbot von Gas- und Ölheizungen ab 2024 im Raum – das hat viele verunsichert. Deswegen haben viele 2023 zugeschlagen, Heizungen gekauft und verbaut.

Trotzdem blieb die Gasheizung auch im Rekordjahr 2023 auf Platz eins. Es wurden nicht mal halb so viele Wärmepumpen gekauft. Ist sie einfach nicht beliebt genug?

"Beliebt" ist aus meiner Sicht der falsche Ausdruck. In eine Heizung investiert man nicht aus Freude an der Technologie, sondern aus Notwendigkeit. Das Gebäude muss beheizt werden, man will warm duschen. Dann stellt sich die Frage: Welcher Energieerzeuger kommt ins Haus? Es ist völlig verständlich, auf die bisher genutzte Heizungsart zu setzen.

Zur Person

Dr. Jan Ossenbrink (37) ist Mitgründer und CEO des Wärmepumpen-Start-ups Vamo aus Köln. Er studierte und promovierte in den Fächern BWL und Elektrotechnik an der ETH Zürich. Dort war er, ebenso wie an der RWTH Aachen und im kalifornischen Stanford, als Forscher tätig. Später beriet er unter anderem die Weltbank und die Vereinten Nationen.

Aber warum entscheiden sich weiterhin viele Menschen gegen die Wärmepumpe?

Gas- und Ölheizungen haben den größten Marktanteil in Deutschland und das ist historisch so gewachsen. Wenn wir uns Bestandsgebäude anschauen, ist vielerorts schon eine Gasleitung verlegt, der Kamin ist gebaut, der Schornstein ist da. Dann ist es schlicht bequem und günstig, wieder eine Gasheizung einzubauen. Bei Neubauten sieht das anders aus. Da ist die Wärmepumpe ein absoluter Kassenschlager. Hier liegt der Marktanteil bei mehr als 50 Prozent, sie sind dort also die dominante Heizungstechnologie und mit der Einführung neuer Wärmepumpen für Mehrfamilien-Häuser wird der Anteil noch weiter steigen.

Warum?

Die Wärmepumpe ist die mit Abstand effizienteste aller Heizungen. Das gilt auch für den Bestand. Aber in den letzten Jahrzehnten waren Öl und Gas so billig, dass nur wenige auf die Energieeffizienz im Heizungsbereich geschaut haben. Das hat sich jetzt geändert. Und es wird sich noch weiter stark verändern, der Preis für CO2-Emissionen steigt. Das Heizen mit Öl, Gas und Kohle wird teurer.

Warum ist die Veränderung bisher nur bei Neubauten zu beobachten?

Wir sind ein Gasland, gerade auch, weil wir auf Gas als Brückentechnologie gesetzt haben. Wir sind jetzt noch in der Phase, in der die Wärmepumpe noch nicht in der breiten Masse angekommen ist, sondern vor allem von technikaffinen Menschen genutzt wurde. Das ist bei jeder neuen Technologie der Fall. Das war bei Solarenergie der Fall oder beim Umstieg vom Pferd aufs Auto.

Die allermeisten kennen die Wärmepumpe noch nicht aus dem Freundes- und Familienkreis. Deshalb suchen viele Rat in der Presse. Da liest und hört man leider viele Vorurteile, die falsch sind. Da gibt es einen Vertrauensverlust. Wir als Branche müssen deswegen erstmal Vertrauen aufbauen. Und das machen wir, indem wir die unbestrittenen Vorteile aufzeigen – Kunde für Kunde, Projekt für Projekt.

Sie fordern, jegliche Förderungen für Heizungen, auch für die Wärmepumpe, abzuschaffen. Wie passt das zusammen?

Neue Technologien müssen sich von allein durchsetzen. Das Smartphone musste nicht gefördert werden. Das ist so offensichtlich besser als das, was wir vorher hatten. Mittlerweile besitzen Milliarden Menschen auf der Welt ein Smartphone. Natürlich wollen wir, dass diese Technologie früher an den Markt kommt, um CO2 zu vermeiden. Wir wollen weniger importabhängig sein. Die derzeitige Förderung ist aber handwerklich nicht gut umgesetzt.

Und damit meine ich gar nicht das Heizungsgesetz. Das Gesetz ist gut gemacht. Die Förderrichtlinie ist auch gut gemacht, aber die Umsetzung bei der Förderbank KfW ist katastrophal. Also genau die Schnittstelle zum Bürger – wie das Geld ausgezahlt wird, wie sie Anträge stellen können und so weiter. Wir haben die Solarenergie, die Windkraft und Elektroautos gefördert. Wir fördern die ganze Zeit irgendwas, manchmal sogar unabsichtlich wie bei vielen indirekten Vorteilen und Subventionen im Bereich fossiler Energie. Stichwort Pendlerpauschale. Den Kauf einer Wärmepumpe zu fördern, ist gut gemeint, hat aber auch klare Nachteile, weil zum Beispiel die Effizienz beim Betrieb und die Lebensdauer der Anlage überhaupt nicht berücksichtigt werden.

Absatzzahlen von Heizungen

2023:
696.500 Gasheizungen
112.500 Ölheizungen
356.000 Wärmepumpen
1,3 Millionen Insgesamt

1. Halbjahr 2024:
223.000 Gasheizungen
55.00 Ölheizungen
90.000 Wärmepumpen
378.000 Insgesamt

Was würden Sie denn besser als die derzeitige Bundesregierung machen?

Man hat die Förderung vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) zur KfW geschoben. Das war ziemlicher Unsinn, weil das Bafa über Jahre gut darin war, die vorherige Heizungsförderung abzuwickeln. Das Amt hatte die Mitarbeiter dafür, die Anträge konnten von den Fachunternehmen selbst gestellt werden. Es war alles schlicht einfacher und effizienter. Da haben wir ohne Not das Rad neu erfunden – aber in schlecht. Natürlich sind wir mit der KfW im permanenten Austausch. Aber die Umsetzung ist das Problem. Es ist in der jetzigen Form ein Bürokratiemonster.

Nun wird durch den europäischen Emissionshandel der CO2-Preis steigen. Wechseln die Menschen dann nicht schon aus Kostengründen zur Wärmepumpe?

Ja, das ist der langfristige Weg. Der Preis muss schon wehtun. Wenn ich drei SUVs habe und ich mit allen 100.000 Kilometern im Jahr zurücklege, dann muss ich an der Zapfsäule spüren, dass das Kosten für die Gesellschaft verursacht. Genauso werden steigende Öl und Gaspreise den Umstieg auf die Wärmepumpe beschleunigen.

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Gibt es dafür überhaupt ausreichend Handwerker, die das umsetzen können?

Wir haben in Deutschland 49.000 Sanitär-, Heizungs- und Klimahandwerksbetriebe, die letztes Jahr über eine Million Heizungen verbaut haben. Leider überwiegend Gas und Öl. Was wir derzeit sehen, ist also kein Fachkräftemangel, sondern ein Fachkräfte-Fokus-Mangel. Und wir arbeiten jeden Tag hart daran, den Fokus hier neu zu setzen. Viele Betriebe wissen noch nicht, wie man eine Wärmepumpe ideal plant und sinnvoll in eine Bestandsimmobilie einbaut – einfach, weil sie sich bisher auf fossile Brennstoffe konzentriert haben. Ich bin sicher, dass sich das schnell ändern wird und immer mehr Fachhandwerker zeitnah Wärmepumpen-Experten werden.

Nun profitieren Sie als Wärmepumpenunternehmer von ihren propagierten Lösungen.

Ja, aber ich preise hier keine Lösung an, bei der ich Fakten umdrehen oder mir die Welt schön rechnen muss, sondern die Physik ist auf meiner Seite. Wir haben beim Markteinstieg 2022 nicht einfach schnell und opportunistisch auf die Wärmepumpe gesetzt, weil der Hype gerade da war. Sondern ich komme aus der Forschung und habe nüchtern festgestellt, dass es bei Heizungen nichts annähernd Vergleichbares mit der Wärmepumpe gibt. Deswegen bin ich unternehmerisch aktiv geworden.

Das heißt nicht, dass überall eine eingebaut werden muss. Natürlich können wir nicht eine 300 Jahre alte, denkmalgeschützte Immobilie mit der Wärmepumpe perfekt heizen. Das macht keinen Sinn. Es wird aber leider viel zu wenig über den Nutzen der Wärmepumpe gesprochen, auch weil wir noch wenige in Deutschland haben. Aber wir haben nicht null, sondern wir haben rund eine Million Wärmepumpen. Die fallen aber nicht so auf. Je mehr es werden, desto besser lassen sich Vorurteile entkräften.

Welche?

Es stimmt nicht, dass Wärmepumpen laut sind. Der Einbau dauert nicht wochenlang und ist auch kein absolutes Chaos. In drei Tagen ist sie drin. Im Schnitt kosten sie auch nicht 60.000 Euro, sondern eher 30.000 Euro. Durch Förderungen kann der Preis auf bis zu 10.000 Euro sinken. Und wer trotzdem skeptisch ist: Schauen Sie sich ganz nüchtern die Technologie an. Gehen Sie zu Nachbarn und Freunden, die eine Wärmepumpe besitzen. Dann ist das Thema plötzlich nicht mehr so emotional.

Verwendete Quellen
  • Videointerview mit Dr. Jan Ossenbrink
  • Eigene Recherche
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