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Außerirdische Energie: So soll der Strom aus dem All fließen


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Außerirdischer Strom für die Erde


14.10.2022Lesedauer: 4 Min.
Eine Aufnahme der Sonne vom Solar Dynamics Observatory der NASA: Eine brennende Kugel aus Wasserstoff und Helium, die große Mengen Energie freisetzt. Weltraumforscher wollen diese noch effizienter nutzen.Vergrößern des Bildes
Aufnahme der Sonne von der Nasa: Weltraumforscher wollen die großen Energiemengen der brennenden Kugel aus Wasserstoff und Helium noch effizienter nutzen. (Quelle: IMAGO/NASA)
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Nicht nur Milliardäre streben ins All. Demnächst sollen auch Sonnenkollektoren Flügel bekommen. Kann grüner Weltraum-Strom funktionieren?

Wer abends den Kopf in den Nacken legt, erwischt mit etwas Glück eine außerirdisch anmutende Lichterkette am Nachthimmel. Seit rund zwei Jahren lässt Elon Musks Raumfahrtunternehmen SpaceX leuchtende Satelliten um die Erde kreisen, um das Internet auch an entlegene Orte zu bringen. In Zukunft dürfte Musks "Starlink"-Netzwerk aber nicht mehr das einzige Großprojekt im All sein, das der Menschheit unten auf der Erde das Leben erleichtert.

Wenn Ende November die EU-Wissenschaftsministerinnen und -minister in Paris zusammenkommen, entscheidet sich, ob Europa die Grenzen des Machbaren im Weltraum verschieben wird. Der Plan steht bereits: Eine Satellitenflotte mit großen Solarzellen soll ins All geschossen werden, dort Sonnenlicht auffangen, in Strom umwandeln und zur Erde zurückstrahlen, wo es ins Stromnetz eingespeist wird.

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"Solaris" heißt das Projekt, von dem die Europäische Raumfahrtagentur (ESA) die Ministerrunde überzeugen will. Bevor auch nur ein Versuch starten kann, muss von dort grünes Licht kommen. Es geht dabei um den Bau eines grünen Testkraftwerks, das die ESA in den Weltraum schießen möchte. Zuerst berichtete die britische Tageszeitung "The Guardian" über das Vorhaben.

Mit "Solaris" hoffen die Weltraumforscherinnen und -forscher einen Beitrag zur künftigen Energiesicherheit in Europa zu leisten. Dass gerade das europäische Gegenstück zur Nasa sich mit diesem Thema beschäftigt, ist kein Wunder.

Erste Solarrevolution im All vor 75 Jahren

"Man sieht Effekte des Klimawandels aus dem Weltraum", sagt Deutschlands bekanntester Astronaut Alexander Gerst, der schon mehrfach auf ESA-Missionen ins All geflogen ist. "Gletscher, die sehr viel kleiner werden, Seen, die austrocknen, Algenblüten auf dem Meer, Riffe, die gebleicht sind."

Das Wichtigste sei aber, dass man den Satellitendaten glaube, denn "die sind [noch] sehr viel genauer", so Gerst. Wie sehr Weltraumexpertise die Energiewende anschiebt, zeigt sich auch an anderer Stelle.

Das erste Patent für einen Sonnenkollektor zur Stromerzeugung reichte zwar der US-amerikanische Erfinder und Metallfabrikant Clarence M. Kemp im Jahr 1891 ein. Doch die Raumfahrtbranche machte das Konzept groß.

1957 sandte die Sowjetunion den batteriebetriebenen Satelliten "Sputnik 1" ins All. Ein Jahr später folgte der "Vanguard 1" aus den USA – inzwischen der vierte Satellit in der Erdumlaufbahn, aber der erste mit Solarantrieb. Seitdem hat sich die Sonne als Stromquelle für Raumfahrzeuge durchgesetzt.

Wandelte "Vanguard 1" noch neun Prozent des eingefangenen Sonnenlichts in Strom um, schaffen heutige Solarzellen mehr als das Doppelte – bei stark gesunkenen Produktionskosten.

Mikrowellen über Tausende Kilometer

Doch wie lässt sich Strom drahtlos vom Weltall zur Erde schicken? Seit den 1960er Jahren verwenden alle Telekommunikationssatelliten ein Solarpanel, um lokal Strom zu erzeugen. Dieser wird dann in ein Mikrowellensignal umgewandelt und zur Erde gesendet. Auf dem Boden übersetzen Antennen die Mikrowellen wiederum in elektrische Energie und lesen die Signale aus.

"Die Physik dieser ganzen Kette ist bei der weltraumgestützten Solarenergie genau dieselbe, aber die Größenordnung ist eine ganz andere", sagt Sanjay Vijendran von der ESA, der das geplante "Solaris"-Programm koordiniert. Die Agentur plant riesige außerirdische Solarfarmen, die 24 Stunden am Tag Strom produzieren könnten.

Doch den Strom zu erzeugen, zu übermitteln und zu empfangen ist nur die halbe Miete.

Um den Strom auf der Erde zu speichern, braucht es deutlich höhere Speicherkapazitäten. "Die EU wird bis 2030 etwa 200 Gigawatt an Batteriespeichern benötigen. Aber 2021 waren nur 2,4 Gigawatt an Speichern vorhanden, sodass auf diesem Gebiet massiv ausgebaut werden muss", sagt Aidan McClean, Geschäftsführer von UFODrive, im "Guardian".

Die Atmosphäre schluckt Sonnenlicht

Die Kosten für Solarenergie sind in den letzten 20 Jahren stark gesunken. Im Nahen Osten und in Australien ist sie bereits die billigste Art der Stromerzeugung. "Wir gehen davon aus, dass im Jahr 2050 mehr als 40 Prozent des Energieverbrauchs in der EU durch Solarstrom gedeckt wird – wenn die Länder ihre zugesagten Ziele erreichen", sagt Jochen Latz, Partner bei der Unternehmensberatung McKinsey & Company im "Guardian". Damit würde die Solarenergie zur wichtigsten Energiequelle in Europa.

Photovoltaikpanele, die auf der Erde montiert sind, haben jedoch einen Nachteil: Das Sonnenlicht muss die Atmosphäre durchqueren, bevor es auf die Solarzelle trifft.

Dabei geht viel Energie verloren. Die Moleküle in der Atmosphäre streuen etwa die Hälfte des Sonnenlichts aus dem direkten Strahl heraus. Im Weltraum gibt es hingegen keine Atmosphäre – das Sonnenlicht trifft dort "unverdünnt" auf die Kollektoren. Auch der Wechsel von Tag und Nacht sowie mögliche Wettereinschränkungen entfallen bei der Solarstromproduktion im All.

In der Umlaufbahn erzeugt ein Solarmodul daher etwa doppelt so viel Strom wie auf der Erde. Das erkannten Luft- und Raumfahrtingenieure schon zu Beginn des Weltraumwettlaufs. Seitdem träumen viele in der Branche von PV-Satelliten, die in der Umlaufbahn Strom für die Menschheit erzeugen.

Tatsächlich ein Win-win?

"Solarenergie aus dem Weltraum ist technisch machbar, erschwinglich und könnte sowohl erhebliche wirtschaftliche Vorteile für das Vereinigte Königreich mit sich bringen als auch Netto-Null-Pfade unterstützen", heißt es in einem Bericht der britischen Beratungsfirma Frazer-Nash von September 2021. Ende August veröffentlichte die ESA ihre eigenen Studien zur weltraumgestützten Solarenergie, die zu einer ähnlichen Schlussfolgerung für ganz Europa kamen.

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Im November hofft die Raumfahrtagentur, nun eine Finanzierungszusage für eine dreijährige Machbarkeitsstudie für Solarstromsatelliten zu bekommen. Konkret soll untersucht werden, ob ein solches System kommerziell rentabel werden könnte. "Solaris ist ein Brückenprojekt, um zu prüfen, ob es wirklich machbar ist und ob es wirklich helfen würde, bevor wir um Milliarden von Euro bitten", sagt Sanjay Vijendran von der ESA.

Nicht nur die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dürften große Hoffnung in die Technologie setzen. Die aktuelle Gaskrise unterstreicht, wie wertvoll erneuerbare Energien mit Blick auf die Versorgungssicherheit und die nationale Unabhängigkeit sind. Vom Gewinn für das Klima ganz zu schweigen.

Verwendete Quellen
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