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Shell, BP und viele andere: Was die größten Umweltsünder verschweigen


Wenige Hauptverantwortliche
Lasst sie endlich für die Schäden zahlen

MeinungEine Kolumne von Sara Schurmann

Aktualisiert am 14.03.2025 - 15:15 UhrLesedauer: 5 Min.
Ein Ölplattform (Symbolbild): Aktivisten wollen auf die Folgen fossiler Brennstoffe aufmerksam machen.Vergrößern des Bildes
Ein Ölplattform (Symbolbild): Neben CO2 setzt die Verbrennung fossiler Energieträger auch Schadstoffe wie Schwefeldioxid (SO2), Stickoxide (NO2) und Feinstaub frei. (Quelle: Ton Koene /imago-images-bilder)
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Nur 36 Konzerne sind für die Hälfte der Emissionen weltweit verantwortlich. Bei einigen der Firmen scheint keine Veränderungsbereitschaft vorhanden. Höchste Zeit, etwas dagegen zu tun, findet unsere Kolumnistin.

Ich erinnere mich an die Zeit, in der Konzerne wie Shell und BP "Climate Pledges" auslobten, also sich verpflichteten, ihren CO2-Ausstoß drastisch zu reduzieren. Das ist gar nicht lange her. 2020, nachdem die Klimabewegung weltweit zu Protesten mobilisiert hatte, versprach etwa der britische Öl- und Gaskonzern Shell, 2050 klimaneutral sein zu wollen und seine Emissionen bis 2035 um 45 Prozent zu senken. Viele feierten das als Erfolg der Klimaproteste, einige kritisierten die Ankündigungen als Heuchelei. Lange gehalten haben sich die Versprechen nicht.

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Shell ruderte Anfang 2024 zurück, Konkurrent BP hatte seine Ziele schon ein Jahr zuvor nach unten korrigiert. Ende Februar legte der BP-Chef noch mal nach und machte unmissverständlich klar, dass Profite für ihn über den Klimazielen stehen. Der Konzern werde sich wieder auf sein Kerngeschäft rund um Öl und Gas fokussieren und die Produktion weiter ausbauen. Die Investitionen in erneuerbare Energien sollen stark zurückgefahren werden. Dabei wäre eine Veränderung auf Seite der Kohle-, Öl- und Gas-Produzenten ein massiver Hebel, um die globalen Emissionen herunterzufahren und die Erderhitzung innerhalb der durch das Pariser Klimaschutzabkommen gesetzten Marke zu stoppen.

Politischer Druck oder gesellschaftlicher Anreize fehlen

Nur 36 Kohle-, Öl- und Gaskonzerne sind aktuell für 50 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich, darunter Saudi Aramco, Coal India, ExxonMobil, Shell, BP und zahlreiche chinesische Unternehmen. Im Jahr 2023 verursachten sie mehr als 20 Milliarden Tonnen CO2. Wie die Beispiele Shell und BP zeigen: Etliche versuchen nicht einmal mehr, etwas daran zu ändern. Im Gegenteil. Sie tun so, als gäbe es kein Morgen. Kein Wunder. Denn es fehlt inzwischen in vielen Regionen der Welt jeglicher politischer Druck oder gesellschaftlicher Anreiz.

Die gemeinnützige Klimadenkfabrik InfluenceMap nimmt regelmäßig Großunternehmen unter die Lupe, aktuell 169 Konzerne weltweit. Mithilfe einer Datenbank, der Carbon Majors Database, berechnet sie die Emissionen, die von ihnen vor allem durch die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas freigesetzt werden.

Das sind die interessantesten Ergebnisse des neuen Berichts für 2023:

  • Wäre die saudi-arabische Erdölfördergesellschaft Saudi Aramco ein Land, wäre es der viertgrößte Verschmutzer der Welt nach China, den USA und Indien.
  • 25 der 36 größten Emittenten sind staatliche Unternehmen. Die größten fünf davon: Saudi Aramco, das indische Bergbauunternehmen Coal India, das iranische Öl- und Gasunternehmen NIOC und die chinesischen Energiekonzerne CHN Energy und Jinneng Group. Insgesamt zehn stammen aus China, dem aktuell mit Abstand größten Verschmutzerland der Welt.
  • Die fünf größten Konzerne in Hand von Investoren sind ExxonMobil und Chevron aus den USA, Shell und BP aus Großbritannien und TotalEnergies aus Frankreich.
  • 41 Prozent der im Jahr 2023 erfassten Emissionen stammen aus Kohle, 32 Prozent aus Öl, 23 Prozent aus Gas und 4 Prozent aus Zement.
  • 93 Unternehmen haben ihre Emissionen 2023 erhöht, 73 haben sie gesenkt und drei das Niveau beibehalten.

Auch deutsche Unternehmen unter den größten Verschmutzern

Auch deutsche Unternehmen finden sich unter den 169 Großkonzernen in der Datenbank. RWE liegt 2023 auf Platz 109, Heidelberg Materials auf Platz 119 und BASF auf 129. Werden die historischen Emissionen einbezogen – also alle, die zwischen 1854 und 2023 verursacht wurden –, landet RWE auf Platz 44 der größten Verschmutzer weltweit, Heidelberg Materials auf Rang 108 und BASF auf dem 90. Platz.

Die Auswertung der historischen Emissionen zeigt, dass zwei Drittel der CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen seit der industriellen Revolution von 180 Unternehmen verursacht wurden. 11 davon existieren nicht mehr.

Die Internationale Energieagentur (IEA) erklärte bereits 2021, dass neue Vorhaben für fossile Brennstoffe nicht mit der Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens vereinbar sind. Dennoch steigen insgesamt nicht nur die Investitionen in emissionsarme und erneuerbare Energien – auch in die Erkundung und den Ausbau fossiler Projekte wird weltweit massiv investiert.

Klimaversprechen aus taktischen Gründen

Der US-amerikanische Professor für Umweltstudien an der Brown University, Timmons Roberts, vermutet – wie viele Klimaaktivistinnen und -akivisten schon damals –, dass die Öl- und Gas-Unternehmen ihre Klimaversprechen überwiegend aus taktischen Motiven abgegeben hätten, berichtet der "Spiegel". Sie hätten versucht, glaubhaft "den Eindruck zu vermitteln, dass sie nicht gesetzlich reguliert werden müssen", in einer Zeit, in der das gesellschaftlich und politisch möglich schien. Schließlich würden sie die nötige Veränderung ja selbst aktiv vorantreiben.

Damals waren die Preise für fossile Brennstoffe gesunken, mit der Energiekrise im Zuge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine änderte sich das wieder. Und damit auch die Strategie der Konzerne.

Das kritisiert auch Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung: "Während einige wenige profitorientierte Unternehmen die Infrastruktur für fossile Brennstoffe weiter ausbauen, treffen die Klimakatastrophen die Regionen am härtesten, in denen die Menschen am wenigsten dazu beigetragen haben", sagt Rockström in einem Statement zum InfluenceMap-Bericht. Das beeinträchtige nicht nur das Leben von Millionen Menschen, sondern rücke die Welt auch näher an unbeherrschbare Klimakipppunkte. "Ein globaler Umschwung ist nicht nur dringend nötig, sondern unerlässlich, und er muss bei diesen Hauptakteuren beginnen."

Sara Schurmann
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Die Lage ist extrem ernst, aber nicht hoffnungslos. Nach diesem Motto erklärt die freie Journalistin Sara Schurmann die großen Zusammenhänge und kleinen Details der Klimakrise, sodass jede und jeder sie verstehen kann.
Etwa in ihrem Buch "Klartext Klima!" – und jetzt in ihrer Kolumne bei t-online. Für ihre Arbeit wurde sie 2022 vom Medium Magazin zur Wissenschaftsjournalistin des Jahres gewählt.

Daraus kann eigentlich nur folgen: Wer nicht von selbst aktiv wird, der sollte dazu verpflichtet werden. Besonders effektiv wäre es, endlich bei denen anzusetzen, die besonders viel CO2-Ausstoß verantworten.

Historisches Urteil gegen Shell

Das hatte 2018 die niederländische Umweltschutzorganisation Milieudefensie versucht. Sie verklagte Shell. Das Bezirksgericht in Den Haag verpflichtete den britischen Konzern Shell 2021 daraufhin in einem historischen Urteil, seinen Kohlendioxidausstoß bis 2030 um 45 Prozent gegenüber dem Wert von 2019 zu verringern. Das Urteil hätte bedeutet, dass Shell seine Öl- und Gasproduktion mehr oder weniger hätte beenden müssen. Im November 2024 wurde es aber gekippt. Die Umweltschützer kündigten jetzt an, in Revision zu gehen.

Zahlen wie die aus der Carbon-Majors-Datenbank können dabei helfen. Sie wurden bereits bei Gerichtsverfahren gegen Unternehmen und Investoren eingesetzt. Frühere Berichte wurden etwa als Beweismittel für die in den US-Bundesstaaten New York und Vermont verabschiedeten Gesetze verwendet, die von fossilen Unternehmen Entschädigungen für Klimaschäden fordern.

In Vermont etwa sollen Behörden bis Anfang 2026 einen Bericht erarbeiten, wie hoch die Kosten sind, die durch den Ausstoß von Treibhausgasen seit 1995 insgesamt entstanden sind. Einbezogen werden sollen die Auswirkungen auf die Gesundheit, die Natur, Landwirtschaft und auch die wirtschaftliche Entwicklung. Anhand von Emissionsdaten soll eine Behörde dann festlegen, wie groß der Anteil von einzelnen Konzernen an den Folgen ist. Zur Kasse gebeten werden sollen vor allem Firmen, die an der Produktion fossiler Brennstoffe beteiligt sind und in dem entsprechenden Zeitraum mehr als eine Milliarde Tonnen an Treibhausgasemissionen verursacht haben.

Die Verursacher für die Kosten der Schäden zahlen zu lassen, ist bahnbrechend, aber mehr als fair. Dieser Weg sollte in viel mehr Ländern beschritten werden. Denn freiwillig wird kein Konzern vom Umwelt-Saulus zum -Paulus, solange sich große Profite mit fossilen Brennstoffen machen lassen. Die aktuelle Kehrtwende begründen die Konzerne auch damit, dass die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen schließlich vorhanden sei und steige. Die Unternehmen würden nur liefern, was gebraucht und verlangt werde. Dass sie diese Nachfrage allerdings auch selbst antreiben, verschweigen sie. Eine weitere neue Analyse von InfluenceMap, zeigt nämlich: Der Öl- und Gassektor hat sich in den vergangenen Jahren massiv mit Lobbykampagnen dafür eingesetzt, dass fossiles Gas im Gebäudesektor länger eingesetzt wird.

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