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Schneechaos in Deutschland: Die Jahreszeiten verschieben sich


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Neue Jahreszeiten
Deswegen schneit es jetzt so stark

MeinungEine Kolumne von Sara Schurmann

Aktualisiert am 22.11.2024 - 05:00 UhrLesedauer: 4 Min.
Feuerwehrleute der Berufsfeuerwehr Solingen und ein Anwohner sägen im Schnee bei einem Einsatz.Vergrößern des Bildes
Feuerwehrleute der Berufsfeuerwehr Solingen und ein Anwohner sägen im Schnee bei einem Einsatz: Die Erderwärmung verschiebt die Jahreszeiten. (Quelle: Gianni Gattus/dpa)

Die Erderwärmung verschiebt die Jahreszeiten. Auf die Veränderungen müssen wir uns einstellen – sofern es denn geht.

Ein Oktober mit T-Shirt-Wetter, dann ein November mit Schnee und 2 Grad, anschließend voraussichtlich ein plötzlicher Temperatursprung. Der Sommer wurde schon im April eingeleitet, mit 30 Grad zu Anfang des Monats. Ist das noch normal? War das schon immer so? Oder verschiebt der menschengemachte Klimawandel die Jahreszeiten? Und was bedeutet das für uns Menschen?

Zunächst einmal: Schnee im November ist nicht ungewöhnlich. Aber was ich als normal wahrnehme, sagt tatsächlich relativ wenig darüber aus, ob ein Wetterphänomen vom Klimawandel beeinflusst ist oder nicht. Denn das Wetter, das ich als Mittdreißigerin in meinem Leben gesehen habe, ist schon immer stark von der steigenden Erderwärmung geprägt.

In dem Jahr, in dem ich geboren wurde, war das Wetter bereits an rund 70 Prozent der Tage vom Klimawandel beeinflusst. Das haben Forschende der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) herausgefunden. Statistisch betrachtet, habe ich in meinem Leben weniger als 25 Prozent der Zeit Wetter erlebt, das nicht von der Erderhitzung verändert war. Kinder, die 2012 geboren sind, haben der Studie zufolge nicht einen Tag unbeeinflusstes Wetter erlebt.

Deswegen fällt so viel Regen und Schnee

Dass aktuell so viel Regen und Schnee fällt, hat durchaus mit der Erderhitzung zu tun. Weil die Meere und die Atmosphäre extrem warm sind, ist mehr Feuchtigkeit in der Luft. Das Wasser verdampft und mit jedem zusätzlichen Grad Lufttemperatur kann die Atmosphäre 7 Prozent mehr Wasserdampf halten. Der kommt irgendwann wieder herunter, als Regen oder bei niedrigeren Temperaturen eben als Schnee. Massive Schneefälle, wie ich sie etwa von 2019 noch lebhaft in Erinnerung habe, widersprechen der Erderhitzung nicht, sie sind im Gegenteil zu erwarten.

Aber schauen wir uns mal genauer an, welchen Einfluss die Erderhitzung auf die Jahreszeiten hat. Zur Erinnerung: Jahreszeiten gibt es, weil die Erde geneigt ist, während sie sich im Laufe des Jahres einmal um die Sonne bewegt (für die Nerds: um rund 23 Grad gegenüber der Linie, die die Umlaufbahn der Erde um die Sonne bildet).

Da die Erdachse immer in die gleiche Richtung zeigt, bekommt mal die Nordhalbkugel und mal die Südhalbkugel mehr Sonne und damit mehr Wärme ab. Dieser Wechsel der Sonneneinstrahlung wird bei uns als Jahreszeiten spürbar. Es wird sie also weiterhin geben, auch auf einem wärmeren Planeten.

Die Erderhitzung verschiebt die Jahreszeiten

Doch die Erderhitzung verschiebt die Jahreszeiten. Weil die Temperatur auf der Erde steigt, beginnt der Frühling tendenziell früher, der Sommer wird länger, der Herbst kommt später. Und sie verschiebt sie nicht nur, sie verändert sie auch. Alle Jahreszeiten werden im Durchschnitt wärmer. Auch der Winter.

Die Sommer werden heißer, die Vegetationsperioden und Waldbrandsaisons länger, der Niederschlag verändert sich. In Deutschland werden die Sommer statistisch gesehen eher trockener, die Winter dafür nasser. Dass sich der Niederschlag in Deutschland über das Jahr mehr oder weniger ausgleicht, ist jedoch kein Grund zur Beruhigung. Wer einen Garten hat oder den Straßenbaum vor dem eigenen Fenster aufmerksam beobachtet, wird wissen: Pflanzen ist es nicht egal, wann sie wie viel Wasser abbekommen. Wer eines der vier Hochwasser in Deutschland in diesem Jahr selbst erlebt hat, weiß: Straßen, Unterführungen und Kellern ist es auch nicht egal.

Klima und Wetter werden merkwürdig

Tatsächlich macht die Erderhitzung das Wetter in allen Jahreszeiten nicht einfach wärmer, sondern vor allem chaotischer. Die kanadische Klimawissenschaftlerin Katherine Hayhoe hat deswegen einen eigenen Begriff geprägt. Anstatt von "Global Warming" spricht sie oft von "Global Weirding" – denn Klima und Wetter werden … merkwürdig. Andere nutzen daher statt Begriffen wie "Klimawandel" oder "Klimakrise" auch Worte wie "Klimachaos" oder gar "Klimakollaps".

Natürlich bricht nicht das Klima zusammen. Vielmehr setzen die Folgen des chaotischen, merkwürdigen Klimas in Form von Extremwettern unserer Infrastruktur zu. Diese kann dadurch kollabieren, zunächst zeitweise und lokal. Stürme und Überschwemmungen, Hitze und Schneemassen beschädigen und zerstören immer häufiger Brücken, Häuser, Straßen, Stromleitungen und Ernten.

Das unberechenbare und extreme Wetter führt häufiger auch zu Entwicklungen, wie wir sie in diesem Frühjahr erlebt haben: dass viele Pflanzen und Bäume schon blühen und dann ein Frost kommt und alle Blüten und somit auch Früchte vernichtet. In einigen Regionen in Deutschland gibt es in diesem Jahr daher praktisch keine Weinernte. Schon im Vorjahr sah die Entwicklung für Winzer weltweit nicht gut aus, bis Ende des Jahrhunderts sind sogar 90 Prozent der traditionellen Weinanbaugebiete gefährdet.

 
 
 
 
 
 
 

Unsere Landwirtschaft und Lieferketten, unsere Städte und Schienen sind nicht gemacht für ein Klima, das voraussichtlich bereits in diesem Jahr erstmals durchschnittlich mehr als 1,5 Grad wärmer sein wird als vor der Industrialisierung.

Darauf müssen sich Regierungen und Gemeinden, Unternehmen, Landwirte und Bürgerinnen einstellen und anpassen, wo es möglich ist. Städte müssen begrünt, Gebäude vor Überflutungen und Hitze geschützt und die Landwirtschaft umgestellt werden. Doch unsere Möglichkeiten, sich anzupassen, haben Grenzen. Gegen Sturzfluten wie in Spanien oder im Ahrtal helfen auch Schwammstädte nur begrenzt; Hurrikans wie "Helene" oder "Milton", die die USA in den vergangenen Wochen heimgesucht haben, können auch stabilere Bauweisen nur bedingt etwas entgegensetzen.

Historische Temperaturschwankungen gemessen

Im Februar 2021 wurden an einer Wetterstation in Göttingen historische Temperaturschwankungen gemessen. Innerhalb von einer Woche ist die Temperatur dort laut Deutschem Wetterdienst um 41,9 Grad gestiegen. Während am 14. Februar noch minus 23,8 Grad gemessen wurden, kletterten die Temperaturen am 21. Februar auf bis zu 18,1 Grad.

Je wärmer es wird, desto extremer werden diese Entwicklungen tendenziell. Die entscheidende Frage ist also, wie schnell die Erderhitzung auf welchem Level stabilisiert wird. Am Wochenende steigen die Temperaturen erst mal wieder. Am Montag vielleicht sogar auf 17 Grad.

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