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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Auszeichnung in der DDR Was es mit der Goldenen Hausnummer auf sich hatte
Die Goldene Hausnummer prangt noch heute an so mancher Häuserfassade im Osten der Republik. Wofür aber wurde sie verliehen?
Ein reines Treppenhaus, ein gepflegter Vorgarten und eine saubere Fassade – all das konnte eine Hausgemeinschaft näher an die Auszeichnung Goldene Hausnummer bringen. Diese wurde Hausgemeinschaften in der DDR verliehen, die ihr Haus und das Umfeld gut pflegten.
"In den großen Städten der DDR – also in Leipzig, Dresden und Berlin – wurde dafür ein Wettbewerb ausgeschrieben", sagt Jörn Kleinhardt, ehemaliger Sammlungsleiter des DDR-Museums in Berlin. "Dieser diente dazu, Wohnraum zu erhalten und aufzuwerten – und das Gemeinschaftsgefühl der Teilnehmer zu bestärken."
Goldene Hausnummer für ein schönes Wohnumfeld
Ähnlich wie zu den Subbotniks, an denen Wäschestangen neu angestrichen oder Schlaglöcher aufgefüllt wurden, trafen sich die Hausbewohner, um ihren Wohnraum aufzubessern. Bei dem Wettbewerb um die Goldene Hausnummer ging es im Vergleich dazu aber nicht um Verschönerungen im Hinterhof, sondern um das Sichtbare vor dem Haus, erklärt Kleinhardt.
"Da wurde etwa der Sandkasten vor der Tür neu mit Sand gefüllt oder Pflanzen wurden neu in die Grünflächen gesetzt. Oder es wurde Linoleum auf dem Flur ausgetauscht, Fensterrahmen wurden geputzt oder neu angestrichen oder gar das Dach ausgebessert", sagt Kleinhardt. "Es wurde alles gemacht, was der Hausgemeinschaft eben möglich war." Schließlich musste sie einerseits das nötige Know-how mitbringen und andererseits das Material dafür beschaffen. "Der Staat hatte auf diese Weise keine Kosten und auch die Hausbewohner profitierten von der Aufwertung."
Eine Urkunde und eine Plakette
Die Idee zur Goldenen Hausnummer stammte vom Wohnbezirksausschuss der Nationalen Front. Umgesetzt wurde sie ab Mitte der 1980er Jahre im Rahmen der Initiative "Schöner unsere Städte und Gemeinden – Mach mit". Genaue Aufzeichnungen darüber, wie vielen Hausgemeinschaften sie verliehen worden ist, gibt es nicht. "Aber in einem Artikel im 'Neues Deutschland' von 1989 heißt es, dass es allein in Berlin 3.500 Auszeichnung zum Januar 1989 gab", sagt Kleinhardt. "Somit wurden pro Jahr etwa 800 bis 1.000 Häuser ausgezeichnet."
Neben einer Urkunde erhielten die Bewohner die Plakette für die Hausfassade – "sodass die Nachbarn auch sehen konnten: Wir sind eine vorbildliche Hausgemeinschaft." Die Form des Abzeichens war je nach Stadt unterschiedlich, in Leipzig etwa war es rechteckig, in Berlin war der untere Teil halbrund. Die Plaketten bildeten das jeweilige Stadtwappen ab. Meist wurde die Goldene Hausnummer im Rahmen einer kleinen Feier verliehen.
Ob hinter der Verleihung der Goldenen Hausnummer auch eine politische Motivation steckte, lasse sich nicht mehr nachvollziehen, so Kleinhardt. "Sicherlich war es gerne gesehen, dass die Hausgemeinschaften am 1. Mai flaggten, aber es war sicherlich kein Entscheidungskriterium für die Ehrung mit der Goldenen Hausnummer."
In der DDR war es gängig, für etwas ausgezeichnet zu werden. "DDR-Bürger wurden ja schon als Kind daran gewöhnt, Orden und Auszeichnungen zu bekommen. Das fing an mit der Goldenen Eins und zog sich durch das komplette Arbeitsleben", sagt Kleinhardt.
In Bayern gab es auch eine Goldene Hausnummer
An einigen Fassaden hängen die Goldenen Hausnummern heute immer noch. Und sogar in Bayern sind sie mancherorts zu finden – allerdings nicht das DDR-Original. "Anfang der 2000er wurde in bayerischen Ortschaften die Goldene Hausnummer vergeben", berichtet Historiker Anton Tantner. "Und zwar ohne das Wissen, dass es das schon einmal in Berlin gegeben hatte."
In den bayerischen Gemeinden habe die Nummer solche Häuser ausgezeichnet, die sich besonders an die Umgebung angepasst haben oder bei denen die Gartenanlagen besonders schön gestaltet waren. Ein ähnliches Prinzip wird mit der Grünen Hausnummer verfolgt, die im Saarland vergeben wird. Sie zeichnet Häuser aus, die besonders umweltgerecht gestaltet sind.
Tantner, der zur Hausnummerierung forscht, sieht in den farbigen Hausnummern, die für ein Wohlverhalten verliehen werden beziehungsweise wurden, auch ein Distinktionsmittel: "Wenn zum Beispiel die grüne Hausnummer an der Fassade angebracht ist, macht das kenntlich, dass sich die Bewohner für die Umwelt eingesetzt haben, das in dem Hause Umwelt ein Anliegen ist. Damit grenzen sie sich von anderen ab."
- Eigene Recherchen
- Telefonat mit Jörn Kleinhardt
- Telefonat mit Anton Tantner