Einige Regionen zahlen mehr als andere Netzentgelte: Was ist das und wie entstehen sie?

Netzentgelte sind ein wesentlicher Bestandteil des Strompreises. Doch sie fallen von Region zu Region unterschiedlich aus. Woran liegt das?
Der Strompreis setzt sich aus mehreren Faktoren zusammen: dem Preis für die Energie, Steuern, Umlagen und den Netzentgelten. Von all diesen Bestandteilen machen die Netzentgelte mit teilweise 30 Prozent einen großen Teil vom Gesamtstrompreis, den Verbraucher zahlen, aus. Daher ist es sinnvoll, sich mit diesem Kostenpunkt auseinander zusetzen und zu fragen: Wofür werden die Netzentgelte verwendet? Und kann der Verbraucher ihre Höhe beeinflussen?
Während sich viele Verbraucher auf den Preis für den Strom an sich konzentrieren, sind die Netzentgelte oft ein unterschätzter, aber nicht unerheblicher Kostenfaktor. Denn diese Entgelte decken unter anderem die Kosten für den Transport des Stroms sowie die Wartung der Netzinfrastruktur ab. Doch warum bezahlen Verbraucher in unterschiedlichen Regionen unterschiedlich hohe Netzentgelte?
Was sind Netzentgelte für Strom?
Netzentgelte, auch Netznutzungsentgelte genannt, sind Gebühren, die von den Netzbetreibern für die Nutzung des Stromnetzes erhoben werden. Diese Entgelte decken die Kosten für den Betrieb, die Wartung und den Ausbau der Netzinfrastruktur.
In Deutschland gibt es vier große Übertragungsnetzbetreiber – Tennet, 50Hertz, Amprion und TransnetBW – sowie rund 900 Verteilnetzbetreiber, die den Strom vom Übertragungsnetz zu den Stromverbrauchern (Haushalten, Industrie etc.) transportieren.
Für diesen Service zahlt der Verbraucher Netzentgelte. Jedoch nicht direkt an die Netzbetreiber. Sie zahlen die Gebühren über ihren Stromanbieter, der die Kosten an die Netzbetreiber weiterleitet.
Aufgeschlüsselt werden die Netzentgelte für folgende Kostenpunkte verwendet:
- Betrieb, Wartung, Ausbau
Diese Kosten sind notwendig, um das Stromnetz funktionsfähig und zukunftssicher zu halten. - Einspeisemanagement
Eisman oder Einsmann betrifft die Steuerung der Einspeisung von Strom, insbesondere von erneuerbaren Energien, um eine Überlastung des Netzes zu vermeiden. Denn wenn zu viel erneuerbare Energie – beispielsweise an sonnenreichen Tagen von PV-Anlagen oder windintensiven Tagen von Windkraftwerken – in das Stromnetz gespeist wird, diese Energie jedoch keine Abnehmer findet, gibt es einen Überschuss an Strom. Und dieser kann zu einer Überspannung und somit einem instabilen Netz führen (Brownout oder gar Blackout). - Redispatch
Redispatch bezeichnet die gezielte Steuerung von Kraftwerken, um eine Überspannung oder Unterspannung zu verhindern und die Stromnetzstabilität zu gewährleisten. Das geschieht, indem die Einspeisung von Strom in das Netz an den aktuellen Bedarf angepasst wird. Nötig ist der Redispatch, weil die Stromeinspeisung von erneuerbaren Energiequellen volatil ist und oft schwankt. Um diese Schwankungen auszugleichen, ist teilweise ein Redispatch nötig. - Netzreserve, Kapazitätsreserve, Sicherheitsbereitschaft
Mit der Netzreserve sollen Netzengpässe verhindert werden – etwa weil weniger Strom produziert wird oder mehr Strom verbraucht wird, als geplant oder es eine Kraftwerkstörung gibt. Die Netzreserve wird aus stillgelegten oder inaktiven Anlagen gebildet, die dann kurzfristig aktiviert werden können. So sind beispielsweise noch Gaskraftwerke vorhanden, jedoch nicht aktiv im Energiemarkt eingeplant. Sie werden erst dann aktiviert, wenn sie benötigt werden und stehen so lange quasi still.
So ähnlich funktioniert auch die Kapazitätsreserve und die Sicherheitsbereitschaft. - Regelenergie und Blindleistung
Dies umfasst Maßnahmen zur Sicherstellung der Netzstabilität und den Ausgleich von Schwankungen im Stromnetz. - Sonstiges wie die individuellen Kosten des Unternehmens
Diese Kosten entstehen, um eine zuverlässige und stabile Stromversorgung zu gewährleisten, unabhängig von regionalen Gegebenheiten oder der Art des Stroms (erneuerbare Energien oder konventionelle Erzeugung).
Warum variieren Netzentgelte je nach Region?
Die Höhe der Netzentgelte ist von Region zu Region unterschiedlich, da sie von verschiedenen Faktoren abhängen. Einer davon ist der Ausbau und die Wartung der Netzinfrastruktur. In ländlicheren Gebieten, in denen die Bevölkerungsdichte geringer ist, müssen Netzbetreiber größere Distanzen überbrücken, um Strom zu liefern. Dies führt zu höheren Kosten (Übertragungsnetzentgelte), da weniger Verbraucher die gleichen Infrastrukturen nutzen. Auf der anderen Seite gibt es städtische Gebiete mit höherer Bevölkerungsdichte, in denen der Ausbau kostengünstiger und effizienter gestaltet werden kann.
Ein weiterer Einflussfaktor ist das Alter und somit der Zustand der Netze. In älteren Stromnetzen sind die Wartungs- und Reparaturkosten tendenziell höher, und auch die Übertragungsverluste nehmen zu. Regionen mit älteren Netzstrukturen müssen daher mehr investieren, um die Netzstabilität zu gewährleisten, was sich in höheren Netzentgelten niederschlagen kann.
Ein dritter Faktor sind regionale Investitionen in den Ausbau erneuerbarer Energien. In Bundesländern mit einer hohen Anzahl an Windkraft- oder Solaranlagen, wie Schleswig-Holstein oder Brandenburg, entstehen oft Mehrkosten. Denn die Einspeisung des Öko-Stroms kann zu Schwankungen im Stromnetz führen – und diese müssen ausgeglichen werden. Das kann gelingen, indem die Strominfrastruktur erweitert wird, was wiederum Geld kostet. Die Bundesnetzagentur (BNetzA) erklärt jedoch, dass die entstehenden Kosten und somit die Netzentgelte nicht ausschließlich die Regionen zahlen müssen, die am meisten in den Netzausbau investieren. Vielmehr sollen die Entgelte solidarisch über alle Stromverbraucher in Deutschland verteilt werden. Dadurch müssen die Regionen, in denen hohe Mehrkosten durch den Netzausbau entstehen und die auf erneuerbare Energien setzen, die Entgelte nicht allein schultern. Der erste Schritt zur Anpassung der Netzentgelte wurde Anfang 2025 gemacht. Bis die Netzentgelte einheitlich sind, wird es jedoch noch etwas dauern.
Auswirkungen auf die Stromrechnung
Netzentgelte machen zwischen 22 und 29 Prozent des gesamten Strompreises aus. Sie sind demnach ein wesentlicher Faktor, der sich auf die Höhe der Stromrechnung auswirkt. Da Netzbetreiber im Gegensatz zu Stromanbietern nicht frei wählbar sind, haben Verbraucher hier wenig Einfluss darauf, wie hoch diese Kosten ausfallen.
In Regionen, in denen die Kosten für den Netzbetreiber höher sind, können sodann auch die Netzentgelte im Bundesvergleich etwas höher ausfallen. Besonders Haushalte in ländlicheren Gegenden, die für längere Strecken die Netzinfrastruktur nutzen müssen, können also höhere Entgelte zahlen – und das wiederum ist an der Stromrechnung erkennbar.
Ein weiterer Aspekt ist die Infrastrukturentwicklung. In Gebieten, die noch stark in die Modernisierung ihrer Netze investieren müssen, sind die Netzentgelte tendenziell höher. Das bedeutet, dass Verbraucher in diesen Regionen auch länger mit etwas höheren Entgelten rechnen müssen, bis eine effiziente Strominfrastruktur vorhanden ist.
Anders sieht es in Regionen aus, die in den Ausbau erneuerbarer Energien investiert haben oder in denen die Netze bereits gut ausgebaut sind. Hier sind die Entgelte vergleichsweise niedrig. Diese Regionen können sowohl ihre Infrastruktur effizienter nutzen als auch von einer besseren Integration erneuerbarer Energien in das Netz profitieren – zugunsten geringerer Betriebskosten und damit niedrigerer Netzentgelte.
Zeitvariable Netzentgelte für Kleinverbraucher
Allerdings haben Kleinverbraucher, zu denen auch Privathaushalte zählen, die Möglichkeit, zeitvariable Netzentgelte zu nutzen – insofern sie über ein intelligentes Messsystem (Smart Meter) verfügen. Zeitvariable heißt in diesem Fall in etwa so viel wie "dynamisch" und bedeutet, dass die Höhe der Netzentgelte den tatsächlichen Systemzustand widerspiegelt.
Laut der Bundesnetzagentur (BNetzA) sind dynamische Netzentgelte sinnvoll, wenn die Netzbelastung nicht mehrere Monate im Voraus exakt planen lässt – zum Beispiel bei der Windstromerzeugung oder beim elektrischen Heizen. Sie sind demnach oft wetterabhängig. Zwar ist bekannt, wann der Winter in der Regel beginnt, dennoch gibt es starke Schwankungen bei der Temperatur. Es muss also in den Wintermonaten nicht jeden Tag geheizt werden.
Die BNetzA sieht bei den dynamischen Netzentgelten sowohl Chancen als auch Risiken. Sicherlich kann bei einer kurzfristigen Festlegung das aktuell gültige Netzentgelt exakt wiedergegeben werden. "Allerdings sind kurzfristige Vorlaufzeiten sowohl auf Seiten der Netzbetreiber wie auch der Netznutzer aufwändig", so die Experten.
Wie werden die Netzentgelte berechnet?
Die Höhe der Netzentgelte ist nicht willkürlich, sondern wird nach festen Vorgaben berechnet. Sie unterliegt einer strengen Regulierung durch die Bundesnetzagentur. Die Behörde stellt durch die Kontrolle sicher, dass Netzbetreiber nur die tatsächlich benötigten Erlöse erzielen, die für den Betrieb, die Wartung und den Ausbau der Netzinfrastruktur erforderlich sind. Netzbetreiber dürfen also nicht mehr verlangen, als ihnen von der Behörde als Erlösobergrenze vorgegeben wird.
Netzbetreiber | Entgelte 2025 in ct/kWh |
---|---|
Bayernwerk Netz GmbH | 10,46 |
E.DIS Netz GmbH | 11,16 |
Schleswig-Holstein Netz AG | 11,84 |
WEMAG Netz GmbH | 9,81 |
Die Tabelle zeigt das Netzentgelt für Haushaltskunden mit einem Jahresverbrauch von 3.500 kWh/a (Werte in ct/kWh). Darin sind der Grundpreis, der Arbeitspreis und das Messstellenbetreiber(MSB)-Entgelt enthalten. Quelle: Bundesnetzagentur
Die Höhe der Erlösobergrenze orientiert sich an den tatsächlichen Betriebskosten des Unternehmens. Diese werden einmal im Jahr ermittelt. Neben den tatsächlichen Betriebskosten wird berücksichtigt, wie viel ein Netzbetreiber für den Ausbau seiner Infrastruktur investieren muss, um den Stromtransport auch in Zukunft sicherstellen zu können.
Netznutzungsentgelte bestehen – wie auch der Strompreis – aus einzelnen Bestandteilen, die für die Berechnung entscheidend sind:
- einen Arbeitspreis, der für die entnommene Energiemenge in Cent/Kilowattstunde anfällt und
- einen Leistungspreis, der für die maximale in Anspruch genommene Leistung in Cent/kW erhoben wird. Wichtig: Haushaltskunden in der Niederspannung zahlen meist einen festen Grundpreis anstelle eines separaten Leistungspreises. Das bedeutet wiederum, dass Haushalte prozentual stärker durch die Netznutzungsentgelte belastet werden als Gewerbe- und Industriekunden.
Die rechtlichen Regelungen für die Netzentgelte sind in § 20 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) sowie in Abschnitt 3 der Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) verankert.
Regulierung und Veröffentlichung der Netzentgelte
Stromnetze sind natürliche Monopole. Aus diesem Grund stehen die Netzentgelte nicht in Konkurrenz zueinander. Nichtsdestotrotz unterliegen die Netzbetreiber der BNetzA, die als Kontrollinstanz über die Regulierung der Netzentgelte wacht. Dabei legt sie nicht nur die Erlösobergrenzen fest. Sie überprüft auch, dass die berechneten Entgelte die tatsächlichen Kosten des Netzbetriebs widerspiegeln.
Um diese Transparenz zu wahren, müssen die Netzbetreiber ihre Entgelte im Internet öffentlich einsehbar bekannt geben. Meist erfolgt das auf der Internetseite des Netzbetreibers oder auf der Internetseite der Bundesnetzagentur. Dadurch können Verbraucher jederzeit nachvollziehen, welche Entgelte in ihrer Region erhoben werden.
Ausblick auf die Zukunft der Netzentgelte
Da der Ausbau der Strominfrastruktur und die Integration erneuerbarer Energien weiter voranschreiten, könnte es sein, dass die Netzentgelte in den kommenden Jahren steigen werden. Insbesondere in Regionen, die noch in den Ausbau der Netze investieren müssen oder in denen die Bevölkerungsdichte weiterhin wächst, könnten die Entgelte ansteigen, um die entsprechenden Kosten zu decken.
Gleichzeitig gibt es jedoch auch Bestrebungen, die Netzentgelte auszugleichen und solidarisch zu verteilen, etwa durch eine stärkere Berücksichtigung der Ausbaukosten bei der Berechnung der Netzentgelte, was zu einer faireren Verteilung zwischen den Regionen führen könnte.
Nichtsdestotrotz werden die Netzentgelte steigen – entweder bei allen Verbrauchern solidarisch oder in einigen Regionen stärker als in anderen.
- bundesnetzagentur.de: "Netzentgelte – Informationen der Beschlusskammer 8"
- bundesnetzagentur.de: "Netzkosten: Bundesnetzagentur veröffentlicht neue Informationen zur Entwicklung"
- bundesnetzagentur.de: "Verteilung der Netzkosten"
- bundesnetzagentur.de: "Monitoringbericht Energie 2024"
- bundesnetzagentur.de "Zeitvariable Verteilnetzentgelte"
- enbw.com: "Netzentgelte für Strom – Grundlagen und Zusammensetzung"
- next-kraftwerke.de: "Netzentgelte – Was sind Netznutzungsentgelte?"
- strom-report.com: "Netzentgelte Strom 2024 – Entwicklung, Höhe & Vergleich"