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Eineiige Zwillinge ticken tatsächlich gleich


Herausforderung für Eltern
Eineiige Zwillinge ticken tatsächlich gleich

t-online, Simone Blaß

Aktualisiert am 24.10.2017Lesedauer: 5 Min.
Zwillinge - ein Bund fürs Leben.Vergrößern des Bildes
Zwillinge - ein Bund fürs Leben. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)

Eineiige Zwillinge sind eine Laune der Natur, die vor allem für Forscher sehr interessant ist. Aber auch für die Eltern sind Zwillinge eine Herausforderung. Egal, ob ein- oder zweieiig.

Bei jeder 250. Geburt wird ein Mensch geboren, der einen Doppelgänger mit den gleichen Persönlichkeitsmerkmalen hat. Das Statistisches Bundesamt zählte 2014 fast 13.000 Zwillingsgeburten in Deutschland, 2012 waren es nicht einmal 12.000. Das bedeutet, die Zahl der Zwillingsgeburten steigt. Wobei erstaunlicherweise in Asien weniger Zwillinge geboren werden als in Europa oder Afrika. Warum das so ist, konnte man bisher nicht herausfinden.

Immer mehr Zwillinge werden geboren

Warum die Zahl allerdings insgesamt höher wird, weiß man: Das liegt zum einen an den vermehrten künstlichen Befruchtungen, zum anderen am höheren Alter der Gebärenden. Mütter ab 35 bekommen häufiger Zwillinge als jüngere Mütter. Die Wahrscheinlichkeit einer Fehlgeburt oder einer Missbildung ist höher, und die Natur scheint so dafür sorgen zu wollen, dass zumindest ein gesundes Kind zur Welt kommt.

Zwillinge - Segen oder Fluch?

In manchen Gegenden der Welt galten Zwillinge als Fluch, in anderen als Segen. Interessant waren sie schon immer. Sie mussten herhalten als Symbol für Gut und Böse, wurden behandelt wie göttliche Wesen, aber auch ausgesetzt oder geopfert. Im Mittelalter ging man davon aus, dass sich diese ganz besonderen Geschwister eine Seele teilen. Noch bis ins 20. Jahrhundert hinein war man zum Beispiel in Madagaskar davon überzeugt, dass Zwillinge Unglück bringen.

Zwillinge werden meist vor der 40. Schwangerschaftswoche geboren und auch, wenn die Natur damit gerechnet hat, dass eine Mutter zwei Kinder säugen muss, ist das Stillen von Zwillingen eine ziemlich schwierige Herausforderung. Genau wie jeder Ausflug, Einkauf oder Kindergeburtstag. Zudem muss alles doppelt gekauft werden, nichts kann vererbt werden. Doch auch die Vorteile sind offensichtlich: Die Kinder wachsen miteinander auf, haben immer jemanden zum Spielen und ihr Entwicklungsstand ist in etwa gleich. Das heißt, auch in späteren Jahren kann man die Familienunternehmungen gut ans jeweilige Alter anpassen.

Zwillinge sehen sich anfangs als Einheit

Eineiige Zwillinge erkennen sich erst deutlich später im Spiegel als andere Babys. Sie glauben, im Spiegel ihren Zwilling zu sehen. Brauchen sie also länger, um ein Bewusstsein für das eigene Ich zu entwickeln? Ein besonderes Phänomen in der frühen Sprachentwicklung könnte darauf hindeuten, meint der Psychologieprofessor Rainer Riemann von der Universität Bielefeld: "Zwillinge entwickeln oft ein Wort, das sie gemeinsam bezeichnet. Das könnte möglicherweise darauf hindeuten, dass es hier in der Identitätsentwicklung Verzögerungen gibt."

Eineiige Zwillinge haben fast identische Gehirnwellenmuster, viele von ihnen, wie zum Beispiel die amerikanischen Ohlsen-Zwillinge Kate und Ashley, sind davon überzeugt, über Telepathie miteinander verbunden zu sein.

Wissenschaftlich nachweisen lässt sich das nicht. Aber aus der modernen Quantenphysik weiß man, dass es sogenannte "verschränkte Teilchen" gibt. Spaltet man ein Elementarteilchen und ändert von einem Teil die Eigenschaften, nimmt auch das andere diese neuen Eigenschaften an. Ganz egal, wo es sich befindet und ohne messbaren Kontakt zwischen beiden Teilchen. Sie haben sozusagen "eine Wellenlänge".

Genau die könnten Zwillinge auch haben. Oder aber andere sich sehr nahestehende Personen. Ein Forscherteam aus Braunschweig hat sich in einer groß angelegten Studie verschiedenen Geschwisterkonstellationen in der Pubertät gewidmet und dabei herausgefunden, dass das emotionale Band zwischen Zwillingen ähnlich stark ist wie das anderer Geschwister mit wenig Altersabstand.

Eineiige Zwillinge kommen aus der gleichen Ursprungszelle

Das Wort Zwillinge bedeutet im übertragenen Sinn "wovon es ein Zweites gibt" und impliziert, dass beide gleich sind. Wenn sie aus einer Eizelle sind, sind sie dann eigentlich ursprünglich ein Mensch? "Sie sind sich genetisch so ähnlich wie kein zweites Paar auf der Welt, das stimmt", bestätigt Frank Spinath von der Universität des Saarlandes.

"Hochgradig ähnlich auch in Bereichen des Verhaltens. Aber ein einziger Mensch sind sie nicht", so der Psychologieprofessor. "Es zeigen sich bereits sehr früh Unterschiede. Dafür verantwortlich sind zum einen Faktoren wie die Lage im Mutterleib oder auch die Frage, zu welchem Zeitpunkt sich die befruchtete Eizelle teilt und inwiefern sich die pränatale Situation der beiden Kinder unterscheidet."

Wechselspiel von Veranlagungen und Umwelteinflüssen

Der genetische Bauplan ist also der gleiche. Trotzdem gibt es Unterschiede, auch äußerlich. "Eineiige Zwillinge sind häufig nicht gleich groß. Daraus lässt sich schließen, dass sehr viele Merkmale, auch wenn es genetisch eine sehr große Übereinstimmung gibt, durch Umwelteinflüsse modifizierbar sind", erklärt Riemann.

Auch der Fingerabdruck ist nicht der gleiche. Denn dieser wird in den ersten Monaten der Schwangerschaft im Mutterleib festgelegt und sein konkretes Muster scheint unter anderem abhängig zu sein von der Lage des Fötus sowie den Bewegungen des Fruchtwassers. Ebenso ist das Muster, das die Iris aufweist, bei jedem Menschen anders.

Dass also nicht nur die Eltern, sondern auch andere Vertraute eineiige Zwillinge voneinander unterscheiden können - auch, wenn sie nicht erklären können, woran - ist also wissenschaftlich nachvollziehbar. Ganz deutlich zeigen das auch Scanneraufnahmen. Einen 2D-Scanner können Zwillinge täuschen, einen 3D-Scanner aber nicht mehr.

"Die Zwillinge" wollen Individuen sein

Etwa im Kindergartenalter beginnen Kinder, ihre eigenen Freundschaftsbande zu knüpfen. Dennoch sind sie im Kindergarten meist noch in einer Gruppe. Doch im Lauf der Zeit wird es immer wichtiger für sie, sich auch mit anderen auszutauschen. Zur einschulung überlegen daher viele Zwillingseltern, ob sie die Kinder in verschiedene Klassen geben. Um zu vermeiden, dass diese nur als "die Zwillinge" und nicht als Individuen behandelt werden.

Falsch machen können sie nichts, beruhigt Psychologe Spinath: "Wenn man eineiige Zwillinge in der selben Klasse mit solchen in verschiedenen Klassen vergleicht, dann ist die Auswertung eine echte Erleichterung für Eltern. Denn Intelligenz, Schulmotivation und Schulleistung unterscheiden sich im Durchschnitt nicht. Aber natürlich gibt es Zwillingspaare, bei denen Einflüsse von außen eine stärkere Rolle spielen. Für die es, zum Beispiel für das Sicherheitsgefühl, wichtig ist, den anderen um sich zu haben."

Wir suchen uns unsere Umwelt nach genetischen Vorgaben

Schwieriger wird es in der Pubertät. Besonders wenn Zwillinge eineiig sind, müssen sie auf dem Weg zur eigenen Identität eine Hürde mehr nehmen als andere. Denn sie müssen sich nicht nur vom Elternhaus abgrenzen, sondern auch voneinander.

Gerade in dieser Phase wollen Zwillinge als eigenständige Person wahrgenommen werden. Was umso schwieriger ist, je ähnlicher sie sich sind. Daher haben Zwillinge in diesem Alter oft völlig getrennte Freundeskreise oder suchen sich unterschiedliche Hobbys. So erfahren sie, wie andere sie sehen und entwickeln ihrem Alter angemessen ihre eigene Persönlichkeit.

Dass man immer wieder von Zwillingen hört, die, obwohl getrennt aufgewachsen, in einem fast identischen Umfeld leben, wundert die Wissenschaftler nicht. Denn genetische Prädispositionen bestimmen in vielerlei Hinsicht unsere Wahl, und werden im Laufe des Lebens immer ausgeprägter.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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