Kindsbewegungen spüren Ist mein Baby okay? Was die Zählmethode taugt
"Count the Kicks" - zähl die Tritte - lautet eine Kampagne in den USA, die Babys vor dem Tod im Mutterleib bewahren soll. Schwangere sollen regelmäßig per Tabelle oder Smartphone-App die Bewegungen des Ungeborenen dokumentieren. Ist das ein nützlicher Rat für Schwangere oder Panikmache? Wir haben eine Hebamme gefragt.
Hinter der Kampagne steckt eine von Müttern gegründete Organisation, die sich für die Prävention von Totgeburten und Kindstod engagiert. Laut einer Statistik der Weltgesundheitsorganisation WHO kommen in den USA auf 1000 Geburten drei Totgeburten; in Deutschland sind es 2,4. Die Zählmethode könne das Risiko senken, heißt es.
Schwangere im dritten Trimester - ab der 28. Schwangerschaftswoche - sollen demnach einmal am Tag ganz genau auf die Aktivität ihres Babys achten. Bestenfalls immer zur gleichen Zeit, zum Beispiel nach einer Mahlzeit. Die Frau soll sich entweder mit hochgelegten Füßen hinsetzen oder auf die Seite legen und mitzählen, bis sie zehn Bewegungen wahrgenommen hat. Dies sollte innerhalb einer Stunde der Fall sein, maximal innerhalb von zwei Stunden, lautet die Faustregel der US-Organisation.
Falls es verdächtig lange ruhig bleibt, soll die Schwangere versuchen, das Baby mit sanftem Klopfen auf den Bauch oder durch Trinken von kaltem Wasser zu wecken. Sollte das Baby sich auch danach wenig oder gar nicht bewegen, sei es dringend ratsam, zum Arzt zu fahren und das Ungeborene untersuchen zu lassen, heißt es auf der Website von "Count the Kicks".
Hebamme: "Bewegungen wahrnehmen - aber nicht mit der Stoppuhr"
Ursula Jahn-Zöhrens aus Bad Wildbad, Vorsitzende des Vereins Hebammengemeinschaftshilfe, hält die Formel "mindestens zehn Bewegungen in einer Stunden" für übertrieben. "Ein 0815-Modell für die normale Anzahl von Bewegungen gibt es nicht. Wichtig ist, Frauen für die Bewegungsmuster ihres Babys zu sensibilisieren und deutliche Veränderungen wahrzunehmen - aber nicht mit der Stoppuhr." Sie rät dazu, im wahrsten Sinne auf das Bauchgefühl zu achten, als Tabellen auszufüllen oder die Regungen des Babys mit einer Smartphone-App zu überwachen.
Entscheidend sei, dass die Schwangere früh eine Bindung zum Ungeborenen aufbaut und immer wieder den Kontakt sucht, beispielsweise durch Streicheln des Bauches, Klopfen oder Reden. "Ein Schwangerschaftstagebuch ist eine tolle Sache", findet die Hebamme. Wie oft und wie intensiv sich ein Ungeborenes bewegt, sei sehr individuell. Manche seien von Anfang an lebhaft, andere ruhiger. "Das Kind schläft ja auch mal." Schon im Mutterbauch entwickelt jedes Kind einen Schlafrhythmus, der sich allerdings auch gegen Ende der Schwangerschaft verändern kann.
Grundregel: "Wahrnehmungen der Schwangeren ernst nehmen"
Alle Hebammen kennen die Situation, dass eine Schwangere in Panik anruft, weil sie das Gefühl hat, dass etwas mit dem Ungeborenen nicht stimmt. Erstgebärende sind schnell verunsichert, wenn sie etwas spüren, das sie nicht einordnen können. Und Frauen, die schon einmal eine Fehl- oder Totgeburt erlitten haben, sind extrem sensibilisiert für das Wohlergehen ihres Babys und leiden oft unter Ängsten und Albträumen. "Solche Frauen auch noch mit einem Programm wie 'Count the Kicks' unter Druck zu setzen, finde ich kritisch", sagt Jahn-Zöhrens.
Sie betont: "Eine Grundregel ist, die Schwangere mit ihren Sorgen immer ernst zu nehmen, ihre Wahrnehmungen nicht zu ignorieren, sondern die Ursachen zu klären. Die Frau weiß am besten, wenn etwas mit dem Baby nicht stimmt." Die Hebamme oder der Arzt prüfe dann üblicherweise zuerst die Herztöne des Kindes. Generell sei es sinnvoll, die Herztöne zu verschiedenen Tageszeiten zu checken, damit man nicht immer eine Schlaf-Phase erwischt.
Eine verdächtige Trägheit des Ungeborenen kann viele Gründe haben: Zum Beispiel mangelhafte Versorgung durch die Plazenta, abnehmende Fruchtwassermenge und dadurch weniger Bewegungsraum für das Kind oder ein Infekt der Mutter, der auch das Baby im Bauch schwächt. In der Regel könne man die Ursache herausfinden und entsprechend reagieren. Der schlimmstmögliche Fall - Kindstod im Mutterleib - ist glücklicherweise sehr selten.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.