Geburtskomplikationen Was tun bei Geburtsstillstand?
Eine Geburt dauert beim ersten Kind im Durchschnitt zehn bis 14 Stunden. Dabei geht es mal schneller, mal langsamer vorwärts, auch Pausen sind nichts Ungewöhnliches. Wann aber spricht man von einem Geburtsstillstand? Wie gehen Ärzte und Hebammen damit um und was können die Frauen selbst tun, um das Baby doch noch ohne Kaiserschnitt auf die Welt zu bringen?
Wie lange dauert eine Geburt?
Die Frage nach einem Geburtsstillstand kann man nicht beantworten, ohne sich mit dem Thema "Beginn und Dauer der Geburt" auseinanderzusetzen. Beides ist nämlich schwieriger zu beantworten, als man denkt. Fragt man frischgebackene Eltern, wie lange die Geburt gedauert hat, erhält man sehr unterschiedliche Antworten. "20 Stunden", sagt dann vielleicht die Mutter, weil sie bei der ersten Wehe begonnen hat, auf die Uhr zu schauen. "Wir waren ewig im Krankenhaus, lange ist nichts passiert, aber dann ist es plötzlich ganz schnell gegangen", könnte die Antwort des Vaters lauten. Für Ärzte und Hebammen wiederum beginnt die Geburt erst, wenn die Wehen so stark sind, dass sie den Muttermund öffnen.
Wann die Geburt beginnt
Auch für Susanne Steppat vom Deutschen Hebammenverband ist es gar nicht so leicht zu sagen, wann eine Geburt beginnt. "Das Ganze ist ein fließender Prozess und hängt natürlich auch von der Frau ab. Merke ich, dass die Wehen noch sehr unregelmäßig kommen und der Muttermund erst leicht geöffnet ist, kann sie nach Absprache auch noch einmal nach Hause gehen. Braucht sie aber Beistand und Betreuung, obwohl die Wehen noch nicht muttermundwirksam sind, kann sie natürlich trotzdem bleiben - und damit hat die Geburt im Grunde begonnen."
Wann man von einem Geburtsstillstand spricht
Ähnlich verhält es sich bei einem Geburtsstillstand. "Eine Geburt ist rhythmisch und nicht getaktet", erklärt Steppat. "Was normal ist und was nicht, lässt sich sehr schwer sagen. Um festzulegen, dass eine Geburtspause so lange dauert, dass man von einem Stillstand spricht, müsste man eine Grenze festlegen. Das ist aber eher willkürlich. Solange es Mutter und Kind gut geht, kann die Frau das Baby auf natürlichem Weg zur Welt bringen."
Auch Ärzte haben zum Thema Geburtsstillstand unterschiedliche Meinungen. "Über vier Stunden kein Geburtsfortschritt trotz Wehen", so definiert ihn Christian Albring, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte. Babett Ramsauer, Leiterin der Klinik für Geburtsmedizin im Vivantes-Krankenhaus Berlin-Neukölln, eine der größten Geburtskliniken in Berlin (rund 2500 Geburten pro Jahr) sieht es so: "Als Geburtsstillstand bezeichnet man eine Situation, in der während der Geburt über zwei Stunden kein Fortschritt gesehen wird, also keine Erweiterung des Muttermundes und kein Tiefertreten des Kindes in das Becken."
Ursachen für einen Geburtsstillstand
Die Gründe für einen Stillstand sind vielfältig. "Meist ist es die Folge einer lang andauernden Geburt mit einer Überdehnung und Schwächung der Muskulatur der Gebärmutter, so dass sie sich in der Wehenphase nicht mehr kräftig zusammenziehen kann", erklärt Albring. "Hintergrund eines Geburtsstillstandes ist oft oft ein Missverhältnis zwischen der Größe des Kindes, speziell des kindlichen Köpfchens und der Größe der Geburtswege bei der Mutter. Manchmal rutscht das Kind nicht in die richtige Geburtsposition, so dass der Druck der Wehen nicht auf den Gebärmutterausgang wirkt. Manchmal reicht aber auch einfach die Kraft der Mutter nicht aus."
"Mitunter sind die Schmerzen so stark, dass sich die Frau nicht mehr auf die Geburt konzentrieren kann", sagt Ramsauer. "Man kann dann mit Lachgas in einer modernen Form oder mit einer Anästhesie der Nervenbahnen oder anderen Mitteln versuchen, den Schmerz soweit zu nehmen, dass er nicht mehr im Vordergrund steht."
Häufig führt auch die Lage des Babys zu Problemen im Geburtsablauf. Liegt das Baby quer im Bauch, kann es nicht auf natürliche Weise geboren werden. In diesen Fällen ist ein Kaiserschnitt unvermeidlich. Außerdem kann das Baby eine Position einnehmen, die die Geburt erschwert, etwa weil der Kopf ungünstig ins Becken eintritt, sich nicht dreht oder in die "falsche" Richtung zeigt. Solche Baby können aber dennoch auf natürliche Weise geboren werden.
So können Schwangere vorbeugen
"Ein Missverhältnis zwischen der Größe des Kindes und der Weite der Geburtswege kann mit dem Ultraschall möglicherweise schon gegen Ende der Schwangerschaft festgestellt werden", sagt Albring. "Nur bei einem absoluten Missverhältnis oder einer Fehllage des Fötus wird man rechtzeitig vor der Geburt mit der Schwangeren überlegen, ob nicht von vornherein ein Kaiserschnitt durchgeführt werden sollte, weil eine natürliche Geburt zu schweren Schäden am Beckenboden bei der Mutter führen aber auch zu Schäden beim Kind führen kann, zum Beispiel zu typischen Schulterverletzungen." Sehr große Kinder fänden sich entweder, wenn zum Beispiel der Kindesvater viel größer als die Mutter sei, wenn die Mutter sich in der Schwangerschaft überernährt oder einen Schwangerschaftsdiabetes entwickelt habe.
"Manchmal kann also die Mutter vorbeugen, indem sie sehr auf ihre Ernährung in der Schwangerschaft achtet, und sich viel körperlich bewegt. Frauen, die in der Schwangerschaft Sport getrieben haben, erleben die Geburt leichter und leiden seltener unter einem Geburtsstillstand", so der erfahrene Frauenarzt.
So können Hebammen und Ärzte helfen
Was können Frauen tun, wenn die Geburt ins Stocken geraten ist? "Das kommt natürlich immer auf den Einzelfall an", so Hebamme Steppat. "Bei manchen Schwangeren hilft ein Bad, weil es sie entspannt. Auch eine Lageänderung oder ein Seitenwechsel nach jeder Wehe können helfen." Geburtsmedizinerin Ramsauer sagt: "Wenn man den Eindruck hat, dass lediglich die Stärke der Wehen nicht ausreichend ist, dann kann man versuchen, den Fortschritt der Geburt mit einem Wehenmittel zu unterstützen."
Die Geburt beenden
Wenn alle Mittel ausgeschöpft sind, muss die Geburt operativ beendet werden. Hebamme und Arzt werden die Schwangere dann über alle weiteren Schritte aufklären. Die Phase der Geburt, in der der Stillstand eingetreten ist, entscheidet über das weitere Vorgehen. "Wenn das Kind noch nicht sehr tief im Becken steht, dann kann man auf einen Kaiserschnitt ausweichen", erklärt Ramsauer. "Ein Kaiserschnitt ist solange möglich, bis der Kopf geboren ist. Wenn die Geburt schon weiter fortgeschritten ist, wird ein Kaiserschnitt schwieriger, so dass man dann abwägen sollte, ob nicht die Geburt in dieser letzten Phase mit einer Saugglocke oder einer Geburtszange unterstützt werden kann."
Wann und wie die Geburt beendet wird, muss also immer individuell entschieden werden.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.