Umstrittene Igel-Leistungen Welche Extra-Vorsorge für Schwangere sinnvoll ist
Damit ihr Kind gesund zur Welt kommt, stehen Schwangeren allerhand Vorsorgeuntersuchungen zur Verfügung. Viele sind Kassenleistungen, andere müssen sie selbst zahlen. Deren Nutzen sollten Frauen gut abwägen, bevor sie sich dafür entscheiden.
Nichts wünschen sich werdende Eltern mehr, als dass die Zeit bis zur Geburt gut verläuft und ihr Kind gesund zur Welt kommt. Um Risiken frühzeitig zu erkennen und abzuwenden, steht schwangeren Frauen eine ganze Reihe von Vorsorgeuntersuchungen zu. Sie sind in den Mutterschaftsrichtlinien geregelt und werden wie andere für die Schwangerschaft bedeutsame Informationen, etwa Vorerkrankungen der Frau, im Mutterpass festgehalten. Die Kosten dafür werden von den gesetzlichen und privaten Krankenkassen in jedem Fall übernommen. Dazu zählen etwa Ultraschalluntersuchungen, regelmäßige Kontrollen, wie das Kind liegt, oder der Test auf eine Infektion mit Röteln.
Igel-Untersuchungen für Schwangere
Darüber hinaus gibt es weitere Untersuchungen auf Infektionen, die Schwangeren oft angeboten werden, aber nicht Bestandteil der üblichen Vorsorge sind. Medizinisch notwendig sind sie nach Einschätzung des Gemeinsamen Bundesausschusses von Ärzten und Krankenkassen nicht. Werdende Mütter müssen sie daher in der Regel aus eigener Tasche, als sogenannte Individuelle Gesundheitsleistungen (Igel), finanzieren.
Wann man von Pränataldiagnostik spricht
Wollen werdende Eltern gezielt nach Krankheiten, Chromosomenstörungen oder Behinderungen bei ihrem ungeborenen Kind suchen, spricht man von Pränataldiagnostik. Diese Untersuchungen sind ebenfalls keine Kassenleistung und müssen selbst bezahlt werden.
"Man sollte ein bisschen zurückhaltend sein"
"Generell reicht das, was in den Mutterschaftsrichtlinien vorgesehen ist, aus", sagt Ursula Jahn-Zöhrens, Mitglied im Deutschen Hebammenverband. "Bei Igel sollte man ein bisschen zurückhaltend sein." Es komme aber immer auf die individuelle Situation an, ob weitere Tests sinnvoll sind. "Die Kassen übernehmen heute schon einige zusätzliche Untersuchungen, wenn Risiken bestehen." Im Folgenden ein Überblick, welche weiteren Tests sinnvoll sein können:
Toxoplasmose-Test
Kassen übernehmen den Toxolasmose-Test zum Beispiel, wenn eine Frau in der Landwirtschaft arbeitet. Sinnvoll kann er auch sein, wenn sie eine Katze besitzt. "Wer nichts mit Tieren zu tun hat, bei dem ist der Test unnötig", betont Jahn-Zöhrens. Häufig würden Frauenärzte pauschal dazu raten, ohne die individuellen Lebensumstände der Frau abzuwägen, die den Test selbst zahlen muss.
Verursacht wird die Infektion von Parasiten, die Tiere, insbesondere Katzen, in sich haben können und die sie mit Kot ausscheiden. Auch verunreinigte Lebensmittel wie Obst und Gemüse oder nicht durchgegartes Fleisch sind mögliche Ansteckungsquellen. Abhängig vom Zeitpunkt einer Infektion kann sie unbehandelt beim Kind noch Monate und Jahre nach der Geburt zu schweren Schäden am Zentralnervensystem und an den Augen führen.
"Wir empfehlen den Test auf jeden Fall", sagt Christian Albring, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte. Zeigt der Test keine Infektion an, sei alle zwei Monate ein Nachtest sinnvoll, ergänzt Professor Klaus Friese von der Frauenklinik am Uniklinikum München. Friese rät Schwangeren, die auf den Test verzichten, ein Katzenklo nicht selbst zu reinigen, auf ihre Essgewohnheiten zu achten und nach jedem Kontakt mit Erde die Hände gut zu waschen.
Zytomegalie-Test (CMV)
Auch diesen Test hält Albring für sehr empfehlenswert. Laut Friese zahlen einzelne Kassen wie die AOK Hessen ihn bereits. Die Infektion mit Erregern aus der Gruppe der Herpesviren sei verantwortlich für "eine der schwerwiegendsten Veränderungen bei Neugeborenen". Möglich sind unter anderem Kopf- und Gehirnveränderungen, die zu lebenslangen Beeinträchtigungen führen, im schlimmsten Fall stirbt das Kind im Mutterleib. Bislang gibt es dagegen keine Therapie.
Der Münchener Mediziner hat ermittelt, dass in Deutschland auf eine von 200 Schwangerschaften eine CMV-Infektion kommt. Das sei weniger als gedacht, aber auf das gesamte Land und eine Geburtenzahl von 600.000 bis 650.000 pro Jahr bezogen doch viel. "Ich würde auf diesen Virus testen", sagt daher auch Friese. Erwachsene, die als Kind eine CMV-Infektion durchgemacht haben, seien recht gut geschützt.
Hepatitis-Impfung
Eine Impfung gegen Hepatitis vor der Schwangerschaft schützt vor den Virustypen A und B. Im letzten Schwangerschaftsdrittel ist eine Blutuntersuchung auf die meist durch Viren verursachte Infektion Bestandteil der im Mutterpass vorgesehenen Vorsorgeuntersuchungen. Albring rät aber, den Test schon zu Beginn der Schwangerschaft zu machen. Denn Hepatitis erhöht das Risiko für eine Frühgeburt und kann zu Leberschäden beim Kind führen.
Laut dem Portal familienplanung.de ist die Übertragung von der Mutter auf das Kind kurz vor oder während der Geburt häufiger. Friese hält die Kassenleistung für ausreichend. "Wenn man weiß, dass die Mutter infiziert ist, dann kann man das Kind direkt nach der Geburt impfen", sagt er. Bei Hepatitis C kann zwar nicht geimpft, aber mit Medikamenten behandelt werden.
Streptokokken-Test
Streptokokken der Gruppe B können bei einem Neugeborenen zu einer lebensgefährlichen Blutvergiftung führen. Oft wird Schwangeren geraten, sich etwa in der 36. Woche darauf testen zu lassen. "Das halten wir nicht für sinnvoll, weil man nicht weiß, ob die Patientin es unter der Geburt hat", sagt Albring. Denn bei vielen Frauen dauere es meist noch vier bis fünf Wochen nach dem Test bis zur Geburt - da kann sie sich auch noch eine Infektion zuziehen.
Ähnlich sieht das Hebamme Jahn-Zöhrens. "Der Test gibt manchmal eine Pseudo-Sicherheit", warnt sie. Selbst wenn die Mutter keine Streptokokken habe, befreie das nicht von der besonderen Aufsicht über das Neugeborene. "Das Kind kann die Bakterien nicht nur durch die Mutter bekommen", erläutert sie. Und auch Friese sagt: "Es würde völlig ausreichen, bei einer unauffälligen Schwangerschaft erst kurz vor der Geburt zu testen." Werde dabei eine Infektion festgestellt, sei es in seiner Klinik Standard, eine Frau während der Geburt mit einem Antibiotikum zu behandeln, um das Kind zu schützen.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.