Plötzlich nass Wenn die Schwangerschaft zu Inkontinenz führt
Man lacht, hustet oder niest und plötzlich verliert man die Kontrolle über seine Blase. Eine peinliche Situation, die nicht nur Schwangere häufig durchleben müssen. Auch nach einer Geburt ist eine Inkontinenz durchaus normal.
Für den weiblichen Körper ist eine Schwangerschaft und die anschließende Geburt eine ziemliche Belastung. Auch danach dauert es, bis alles wieder so ist, wie vorher. Dass der Bauch noch eine Zeit lang schwabbelig ist, der Busen vielleicht neuerdings etwas mehr Stützpolster braucht und der Frau die Haare ausgehen, daraus wird schon lange kein Geheimnis mehr gemacht.
Dass man aber nach einer Geburt häufig unter einem Kontrollverlust über seine Blase leidet, dieses Thema wird doch lieber ausgespart. Wer gibt schon gerne zu, dass er beim letzten Lachanfall in der Mädelsrunde in die Hose gemacht hat?
Manchmal gibt es Prominente, die mit gutem Beispiel voran gehen: So hat beispielsweise Kate Winslet in einer Talkshow ungewohnt offen darüber gesprochen, das sie seit der Geburt ihrer drei Kinder häufig an Inkontinenz leidet. Was aber ist die Ursache dafür?
Die Gene spielen bei Inkontinenz eine Rolle
"Der Grund ist eine Überdehnung des Gewebes mit Schädigung von Nerven, Muskeln und Bindegewebe", erklärt Ursula Peschers vom Beckenboden Zentrum München. "Es gibt einen Zusammenhang mit dem Kopfumfang und der Länge der Austreibungsperiode. Aber es gibt auch Frauen, die haben ein kleines Kind schnell und unkompliziert geboren und trotzdem Probleme. Eine genetische Bindegewebsschwäche scheint hier eine Rolle zu spielen."
Man geht allgemein davon aus, dass der Grund für den Kontrollverlust über die Blase vor allem darin liegt, dass der Beckenboden noch geschwächt ist. Schwangerschaft und Geburt haben das Gewebe gedehnt und lockerer gemacht, die Stützfunktion lässt nach und der Verschlussmechanismus der Blase verliert an Kraft.
Die Muskulatur muss erst wieder gestärkt werden und es gibt Situationen, in denen es besonders schwer ist, den Urin zu halten. Dazu gehören Lachen, Husten oder Niesen. Selbst das Heben des Kindes kann Probleme bereiten, genau wie bestimmte sportliche Betätigungen.
Etwa 20 Prozent der Frauen sind betroffen
"Wenn ich ehrlich bin, habe ich mich jahrelang nicht getraut, mich irgend jemandem anzuvertrauen, weil ich mich in Grund und Boden geschämt habe. Stattdessen habe ich immer Binden getragen, um das Schlimmste zu vermeiden", erzählt die 34-jährige Jana Reuter, bei der bereits während der Schwangerschaft mit ihrem zweiten Kind die ersten Probleme dieser Art auftauchten.
"Ich war mir ganz sicher, ich sei die einzige mit diesem Problem und ich war ziemlich erstaunt, als ich irgendwann feststellte, dass eine ganze Menge anderer Frauen ebenfalls unter Inkontinenz nach der Geburt leidet."
Peschers, deren Schwerpunkte die Urogynäkologie sowie die rekonstruktive Beckenbodenchirurgie sind, bestätigt diese Vermutung. "Je nach Definition sind bis zu 50 Prozent aller Frauen betroffen. Ich persönlich denke, dass 20 Prozent realistisch sind. Nach einer Geburt ist es mindestens jede Zehnte. Es wäre wünschenswert, dass sich die Frauenärzte aktiver um das Thema kümmern würden."
In der Regel verbesserten sich nach einer Geburt die Beschwerden innerhalb der ersten Wochen. Ist das nicht der Fall, dann solle man auf jeden Fall im Rahmen der Nachuntersuchung seinen behandelnden Frauenarzt darauf ansprechen.
Anhaltende Inkontinenz sollte medizinisch abgeklärt werden
Beckenbodenübungen gehören zur normalen Rückbildung dazu, aber einmal in der Woche für fünf Minuten die klassische "Aufzugübung" zu machen, reicht nicht aus. Letztendlich muss man die entsprechenden Übungen langfristig in den Alltag einbauen, um tatsächlich Erfolge zu erzielen. Dazu gehört das richtige Heben, das entsprechende Atmen und das Vermeiden falscher Körperhaltung.
"Sollten sich nach der Rückbildungsgymnastik die Beschwerden nicht bessern, ist es sinnvoll, eine speziell ausgebildete Physiotherapeutin aufzusuchen", erklärt Spezialistin Peschers. "Der Frauenarzt oder auch der Urologe können die Physiotherapie verordnen. Gegebenenfalls ist aber auch eine weiterführende Abklärung notwendig."
Kann ein Kaiserschnitt Inkontinenz vorbeugen?
Die Tatsache, dass es nach einer spontanen Geburt nicht nur zu einem Kontrollverlust über die Blase, sondern auch über den Stuhlgang kommen kann, ist für so manche Frau ein weiteres Argument für einen geplanten Kaiserschnitt. Doch davon rät die Münchner Chefärztin für Gynäkologie ab: "Ein Kaiserschnitt ist keine Lösung. Er schont zwar den Beckenboden, birgt aber andere Probleme."
Auch im Deutschen Ärzteblatt äußert man sich kritisch: "Vor dem Hintergrund veränderter Wertvorstellungen in einer Gesellschaft, in der die Lebensqualität eine zentrale Stellung einnimmt, verwundert es nicht, dass Frauen den Kaiserschnitt auf Wunsch als Alternative zur natürlichen Geburt ansehen, zumal zunehmend über die Auswirkungen der vaginalen Geburt auf den Beckenboden berichtet wird, und falsch verstandene Begriffe wie 'sanfte Sectio' dem Laien eine Bagatellisierung dieser Operation suggerieren."
Gerade wenn man sich aus einem solchen Grund für einen Kaiserschnitt entscheidet, sollte man noch einmal gut über seinen Entschluss nachdenken und die Vor- und Nachteile einer spontanen Geburt für sich selbst und für das Kind gründlich abwägen.
Richtiges Vorgehen bei Inkontinenz
Schließlich ist Inkontinenz kein unlösbares Problem. Einige Physiotherapeuten arbeiten bei einer Beckenbodenschwäche mit einem Biofeedback-Gerät, das dem Patienten zwar nicht das Üben abnimmt, dafür aber anzeigt, ob er richtig übt.
Biofeedback ist ein lernstrategisches Verfahren, das aus der Psychologie kommt. Körperfunktionen, die unbewusst ablaufen, werden hier mithilfe von akustischen oder auch optischen Signalen hör- beziehungsweise sichtbar gemacht.
Wenn gar nichts hilft, dann gibt es immer noch die Möglichkeit einer Operation, bei der zum Beispiel ein Band unterhalb der Harnröhre eingearbeitet wird, das eine Straffung des Gewebes ermöglicht, bei Belastung ein Absenken verhindert und damit dem lästigen Tröpfeln ein Ende bereitet.
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- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.