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Corona | Experte zu Omikron-Welle: Die Kinder werden durchseucht


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Neue Corona-Welle
Epidemiologe zu Omikron: Die Kinder werden durchseucht


Aktualisiert am 06.01.2022Lesedauer: 4 Min.
Schülerinnen mit Masken in der Schule: Ein Epidemiologe rechnet mit der Durchseuchung der Kinder.Vergrößern des Bildes
Schülerinnen mit Masken in der Schule: Ein Epidemiologe rechnet mit der Durchseuchung der Kinder. (Quelle: CTK Photo/imago-images-bilder)
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Die hochansteckende Omikron-Variante breitet sich in Deutschland aus. Womit müssen wir rechnen? Ein Experte warnt vor Rekord-Inzidenzen und fordert mehr Kontaktbeschränkungen.

Die Zahl der Omikron-Fälle hat sich bundesweit binnen eines Tages um 21 Prozent auf 51.472 erhöht. Was bedeutet das für die kommenden Wochen und Monate für uns? Womit müssen wir rechnen? t-online fragte den Epidemiologen Markus Scholz.

t-online: Herr Scholz, was erwartet uns unter der Omikron-Welle?

Markus Scholz: Wir gehen davon aus, dass bei gleichbleibenden Maßnahmen die Infektionsfälle bis zu sechsfach höher sein könnten als die, die wir in der Delta-Welle gesehen haben. Das heißt, wir könnten Rekord-Inzidenzen sehen. Diese Variante ist sehr ansteckend, deshalb werden die Infektionszahlen in die Höhe schnellen und extreme Spitzenwerte erreichen. Wir rechnen aber auch damit, dass die Zahlen danach relativ schnell wieder abnehmen werden.

Ist das auf eine schnelle Durchseuchung zurückzuführen?

Ja, diese Welle kann sehr schnell durchrauschen.

Prof. Markus Scholz
Prof. Markus Scholz (Quelle: Universität Leipzig, Fotograf: Christian Hüller)


Markus Scholz ist Epidemiologe an der Universität Leipzig und forscht dort zur weiteren Entwicklung der Pandemie.

Schützen da härtere Kontaktbeschränkungen?

Ein Lockdown light, wie er derzeit erprobt wird, wird da nicht viel dran ändern. Man bräuchte verschärfte Kontaktbeschränkungen, um neue Spitzenwerte bei den Infektionen zu vermeiden.

Was wäre nötig? Wo sind die derzeitigen Ansteckungsherde?

Wir können nicht im Detail nachvollziehen, wo die Menschen sich infizieren. Klar ist: Ist eine Person im Haushalt infiziert, stecken sich auch alle anderen mit hoher Wahrscheinlichkeit an. Das ist unter Omikron kaum vermeidbar. Gleiches gilt für die Arbeit, wenn man zum Beispiel zusammen in einem Büro ist.

Ein ganz wesentlicher Ansteckungsort sind aber auch die Schulen. Schüler haben derzeit die höchsten Inzidenzen über alle Altersgruppen hinweg. Und die Lehrer haben die höchste Infektionsrate in allen Berufsgruppen, trotz überdurchschnittlicher Impfquote. Hier findet ein massives Infektionsgeschehen statt.

Das heißt in der Konsequenz: Die Kinder werden durchseucht?

Das muss man so sagen, auf dieses Konzept scheint man zu setzen. Gleichzeitig sehen wir in Frankreich und den USA sehr hohe Hospitalisierungsraten bei Kindern. Das ist eigentlich unverantwortlich.

Also müsste man die Schulen wieder schließen?

Die derzeitigen Konzepte sind nicht ausreichend, um die Schulen sicher zu machen. Als Konzept zur Eindämmung wird an den Schulen ja hauptsächlich auf Schnelltests gesetzt, von denen wir jetzt wissen, dass diese unter Omikron weniger verlässlich sind. Wichtig wäre es, die Impfquote unter den Schülern zu erhöhen. In Schleswig-Holstein ist dies zum Beispiel gut gelungen. Hier sind 65 Prozent der Jugendlichen geimpft, in Sachsen sind es gerade mal 30 Prozent. So kann man die Schüler, aber auch deren Familien kaum schützen.

Es war meines Erachtens ein Fehler, die Impfungen im Kinder- und Jugendbereich so spät und dann teilweise nur eingeschränkt zu empfehlen. Und offenbar gehen die Länder mit diesem Thema auch sehr unterschiedlich um. Jetzt wäre eine massive Impfkampagne auch in den Schulen nötig.

Nun sehen wir aber auch, dass Omikron nicht mehr im gleichen Maße zu schweren Verläufen führt wie die Varianten davor.

Ja, die Infektionszahlen sind schon von der Hospitalisierungsrate entkoppelt. Aber dennoch: Die extrem hohe Anzahl von Fällen führt dann eben auch wieder zu hohen Fallzahlen in den Kliniken. Das kommt nicht überraschend. Wir befanden uns zwischen Juli und Dezember im exponentiellen Wachstum, mit einem kleinen zwischenzeitlichen Plateau. Der Rückgang im Dezember wurde durch Maßnahmenintensivierungen erzielt, die aber bei Omikron nicht ausreichen werden.

Was wäre sonst noch nötig, um bestmöglich durch diese Welle zu kommen?

Kurzfristig helfen nur Kontaktbeschränkungen. Es sind die Fehler der Vergangenheit, die uns auf die Füße fallen. Die Booster-Kampagne begann zu spät und wurde anfangs erst nach sechs Monaten nach der zweiten Impfung empfohlen. Da war aus israelischen Daten längst klar, dass das der maximale Zeitraum ist und nicht der optimale.

Und dann hat man die dritte Impfung plötzlich für alle freigegeben. Da wäre eine Priorisierung nötig gewesen, wie wir sie ja auch schon hatten. Dass junge fitte Menschen früher als Ältere oder Vorerkrankte geboostert wurden, weil sie sich schneller einen Impftermin holen konnten, war einfach falsch. Das Thema Impfungen bei Kindern und Jugendlichen wurde nicht ausreichend priorisiert bzw. wird länderspezifisch sehr unterschiedlich gehandhabt. Hier könnte man noch deutlich nachbessern, wird aber keinen kurzfristigen Effekt erzielen.

Auch die Kontaktbeschränkungen sind oft schlecht kommuniziert und sind vielen Leuten nur noch schlecht vermittelbar.

Ja, wenn zum Beispiel Restaurants bis 20 Uhr normal öffnen dürfen, dann aber komplett schließen müssen, ist das kaum nachzuvollziehen. Oder dass Museen schließen müssen. Hier lassen sich Publikumsströme doch gut steuern bzw. Abstände einhalten. Mannschaftssportarten hingegen bergen hohe Risiken, das sehen wir jeden Tag in den Sportnachrichten über neue Corona-Infektionen. Sie finden aber weiter statt.

Wie gut ist der Schutz der Impfungen aus Ihrer Sicht?

Sie bieten einen guten Schutz vor schweren Krankheitsverläufen, und wofür wir jetzt auch Hinweise haben: Sie schützen auch vor Long Covid. Wer sich also trotz Impfung infiziert, hat wahrscheinlich ein geringeres Risiko für Langzeitfolgen. Das sollte immer mitbedacht werden, denn auch Long Covid kann langfristig eine enorme Belastung darstellen – sowohl individuell als auch für das Gesundheitssystem.

Ist nach der dritten Spritze Schluss oder müssen wir uns jetzt alle sechs Monate nachboostern?

Nein, ich rechne damit, dass die Corona-Impfungen für die Risikogruppen zyklisch immer vor der Herbst/Winter-Saison anstehen werden. Sich im Sommer nachzuboostern, hat aufgrund der starken Saisonalität der Virusausbreitung wenig Sinn.

Omikron könnte also ein Weg in die Endemie sein?

Ja, es ist zwar nicht auszuschließen, dass eine noch ansteckendere Variante kommen kann. Aber das, was wir jetzt sehen, ist eine Entwicklung, die viele Viren durchmachen. Sie werden ansteckender, aber im Verlauf meist harmloser. Dadurch wird das Risiko langfristig beherrschbar, vor allem mit regelmäßigen saisonalen Impfungen wie bei der Grippe auch.

Ist es sinnvoll, die Quarantäne-Dauer unter Omikron zu verkürzen?

Es zeigt sich, dass die Inkubationszeit von Omikron geringer ist als die von Delta. Dies begründet die Verkürzung der Quarantänedauer. Allerdings ist dies nicht ohne Risiko, da die Inkubationsdauer individuell unterschiedlich sein kann. Hier differenziert vorzugehen, ist sinnvoll. Bei kritischen Infrastrukturen besteht durch hohe Personalausfälle die Gefahr einer Überlastung, sodass man hier wohl verkürzen muss. Allerdings muss man auch mögliche Kontaktpersonen schützen. Zum Beispiel bei Mitarbeitern im Pflege- und Gesundheitsbereich muss man schon sicher sein, dass keine Ansteckungsgefahr mehr besteht.

Herr Scholz, wir danken Ihnen für dieses Gespräch!

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Interview mit Markus Scholz
  • Eigene Recherche
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