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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Stärkere Nebenwirkungen möglich Wie gut schützen Kreuzimpfungen vor Corona-Varianten?
Nachdem die Ständige Impfkommission die sogenannte Kreuzimpfung empfiehlt, sind viele verunsichert. Wann sollten Astrazeneca-Erstgeimpfte sich impfen lassen? Wie sicher ist die Mischimpfung?
Inhaltsverzeichnis
- Was genau empfiehlt die Stiko zu Kreuzimpfungen?
- Wie sicher und wirksam ist eine Kreuzimpfung?
- Wie gut schützt die Kreuzimpfung vor Virusvarianten?
- Drohen bei einer Kreuzimpfung mehr Nebenwirkungen?
- Wie wird die Empfehlung bei den Hausärzten umgesetzt?
- Wirkt sich die Kreuzimpfung darauf aus, wann Sie erneut geimpft werden müssen?
- Viele Hausärzte beklagen Chaos bei den Impfungen: Wie steht der Hausärzteverband zu der Stiko-Empfehlung?
- Sollten Sie nach einer Erstimpfung mit einem mRNA-Impfstoff auf Astrazeneca umsteigen, um ebenfalls eine Kreuzimpfung zu bekommen?
Zum Juli hat die Ständige Impfkommission (Stiko) ihre Impfempfehlung für den Impfstoff von Astrazeneca angepasst: Seitdem wird eine Kreuzimpfung nach einem kürzeren Zeitabstand empfohlen. Doch es bleiben einige Fragen offen: Wann sollten Sie sich jetzt zum zweiten Mal gegen Covid-19 impfen lassen und wie läuft die Impfung ab? Warum wurde der Impfabstand verkürzt? Wie sicher ist eine Kreuzimpfung? t-online hat die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Was genau empfiehlt die Stiko zu Kreuzimpfungen?
Diejenigen, die bei der ersten Corona-Impfung das Vakzin von Astrazeneca erhalten haben, sollen laut der Empfehlung der Stiko eine Zweitimpfung mit einem mRNA-Impfstoff erhalten. Also folgt auf Astrazeneca dann Biontech/Pfizer oder auch Moderna. Diese Empfehlung ist, anders als die grundsätzliche Empfehlung für den Impfstoff von Astrazeneca, altersunabhängig.
Die zweite Dosis dieser sogenannten Kreuzimpfung kann demnach bereits nach mindestens vier Wochen gespritzt werden. Es wird allerdings auch darauf hingewiesen, dass eine Zweitimpfung mit Astrazeneca durchgeführt werden sollte, wenn der Impftermin bereits in naher Zukunft ansteht.
Wie sicher und wirksam ist eine Kreuzimpfung?
Kürzlich wurden die Ergebnisse einer Studie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) von Professor Dr. Reinhold Förster, Leiter des Instituts für Immunologie, und Professor Dr. Georg Behrens, Klinik für Rheumatologie und Immunologie, in der Fachzeitschrift "Nature Medicine" veröffentlicht. Die Untersuchung ergab, dass eine Kreuzimpfung wirksamer gegen SARS-CoV-2-Infektionen ist als die zweifache Impfung mit dem Astrazeneca-Impfstoff, und dass sie darüber hinaus auch besser gegen Virusvarianten wirkt.
Für ihre Studie haben die Wissenschaftler Blutproben von 175 Teilnehmern untersucht, von denen ein Drittel zwei Astrazeneca-Dosen und zwei Drittel als zweite Dosis Biontech/Pfizer bekommen haben. "Die Zweitimpfungen mit dem Biontech/Pfizer-Impfstoff führten zu deutlich stärkeren Immunantworten als die Zweitimpfungen mit dem Astrazeneca-Impfstoff", berichtete Förster. Nach der Kreuzimpfung sei ein 11,5-facher Anstieg schützender Antikörper zu sehen, wohingegen die ausschließliche Astrazeneca-Impfung nur zu einem rund dreifachen Anstieg führte.
"Die Wirkung der Kreuzimpfung entsprach insgesamt der von vollständig mit dem Biontech/Pfizer-Impfstoff geimpften Personen", erklärt Behrens. Allerdings befinde sich die Immunantwort auch bei einer ausschließlichen Impfung mit Astrazeneca schon auf einem sehr hohen Niveau und der Impfstoff bleibe sehr wichtig für den Kampf gegen Covid-19.
Wie gut schützt die Kreuzimpfung vor Virusvarianten?
Ein weiterer Vorteil der Kreuzimpfung ist der Studie zufolge, dass sie auch stärker gegen die Virusvarianten Alpha, Beta und Gamma schützt. Bei den ausschließlich mit Astrazeneca Geimpften blieb die Immunantwort hingegen eher schwach. "Wir prüfen nun die Immunantwort auf die Virusvariante Delta", kündigte Förster an. Die ursprünglich in Indien festgestellte Variante verbreitet sich mittlerweile auch in Deutschland und ist deutlich ansteckender als andere Varianten.
Drohen bei einer Kreuzimpfung mehr Nebenwirkungen?
Wie das Robert Koch-Institut (RKI) erklärt, zeigen Studien, dass Kreuzimpfungen im Vergleich zu reinen Astrazeneca-Impfungen "kurzfristig etwas reaktogener" sind, also für etwas mehr Impfnebenwirkungen sorgen können. Allerdings seien auch diese Reaktionen im Allgemeinen nicht schwer und dauerten in der Regel nur wenige Tage an. Die Studienteilnehmer haben beispielsweise von leichten oder mittelschweren Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen oder Schüttelfrost berichtet.
Fieber ist diesen Studien zufolge bei 34 Prozent der Teilnehmer aufgetreten, die eine Kreuzimpfung bekommen haben. Bei den zweimal mit Astrazeneca Geimpften waren es nur zehn Prozent, bei einer homogenen Impfung mit dem Vakzin von Biontech 21 Prozent.
Wie wird die Empfehlung bei den Hausärzten umgesetzt?
Laut Hausärzteverband ist die Empfehlung mit einem "enormen organisatorischen Aufwand" verbunden. "Meine Medizinischen Fachangestellten haben sich die Ohren wund telefoniert", schildert Jens Wagenknecht aus dem Vorstand des Hausärzteverbands Niedersachsen den Praxisalltag kurz nach der Empfehlung. "Inzwischen konnten wir die allermeisten Patienten mit dem gewünschten Vakzin versorgen. Sofern in den kommenden Wochen genug Impfstoff in die Praxen geliefert wird, ist die Umstellung geglückt."
"In unserer Praxis haben wir den Zeitabstand vor der Zweitimpfung für Astrazeneca-Geimpfte von ursprünglich zwölf Wochen auf sechs Wochen verkürzt", berichtet Wagenknecht. "Am Ende muss aber jeder Hausarzt für sich entscheiden, welcher Abstand des Impfintervalls den meisten Sinn ergibt – medizinisch wie auch organisatorisch. Da kann ich nicht für alle sprechen."
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Wirkt sich die Kreuzimpfung darauf aus, wann Sie erneut geimpft werden müssen?
Den Experten zufolge kann es sein, dass für die sogenannte "Booster"-Impfung bereits gezielt unterschiedliche Impfstoffe zum Einsatz kommen: "Wir müssen jetzt schon darüber nachdenken, wie die Immunitätssituation im Spätsommer und im Herbst sein wird, und anhand dieser Situation muss entschieden werden, welche Gruppen eine dritte Impfung brauchen und mit welchem Impfstoff sie geimpft werden sollen", erklärt Förster.
"Für eine Auffrischungsimpfung könnte gezielt ein anderer Impfstoff genutzt werden – auch um beispielsweise auf neue Mutationen reagieren zu können, die jederzeit auftauchen könnten", ergänzt Behrens.
Viele Hausärzte beklagen Chaos bei den Impfungen: Wie steht der Hausärzteverband zu der Stiko-Empfehlung?
Deutschlandweit hat die Stiko-Empfehlung Hausärzte kalt erwischt, wie der Landesverband Niedersachsen auf t-online-Anfrage mitteilt. Es habe keine vorherige Abstimmung oder Information gegeben – die Praxen und auch der Verband haben von der neuen Empfehlung aus der Presse erfahren.
"Aus medizinischer Sicht ist die Stiko-Empfehlung sicher sinnvoll und daher werden wir sie auch umsetzen", erklärt Jens Wagenknecht. "Dennoch ist der Zeitpunkt der Veröffentlichung und die Art und Weise der Kommunikation schon ein großes Problem gewesen." Der Impfstoff für die kommende Woche musste bereits am Dienstag bestellt werden – die Empfehlung wurde allerdings am Donnerstag veröffentlicht.
Sollten Sie nach einer Erstimpfung mit einem mRNA-Impfstoff auf Astrazeneca umsteigen, um ebenfalls eine Kreuzimpfung zu bekommen?
Nein, die umgekehrte Reihenfolge der Impfstoffe ist laut Robert Koch-Institut "keinesfalls empfohlen". Der Impfschutz sei dann nicht besser als bei zwei Impfdosen mit Astrazeneca. Zudem sollte auch dabei beachtet werden, dass der Impfstoff Vaxzevria von Astrazeneca erst ab 60 Jahren empfohlen wird.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Eigene Recherche
- Robert Koch-Institut
- Anfrage Hausärzteverband
- Studie: MHH-Studie zu SARS-CoV-2: Kreuzimpfung schützt effektiv, 15. Juli 2021.
- Bundesregierung zur Impfempfehlung der Stiko