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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Amtsarzt warnt vor Partys "Es sind die Jüngeren, die das Infektionsgeschehen treiben"
Einige Bezirke in Berlin sind aktuell besonders von der Corona-Pandemie betroffen. Was auffällt: Dieses Mal erkranken vor allem jüngere Menschen, die sich größtenteils bei illegalen Partys oder privaten Feiern infizieren. Im Gespräch mit t-online erklärt Amtsarzt Patrick Larscheid, welche Maßnahmen jetzt ergriffen werden müssten.
In den vergangenen Tagen sind die Infektionszahlen in ganz Deutschland, aber vor allem auch in Berlin stark angestiegen. Obwohl es in den letzten Wochen bei vielen anderen Branchen Lockerungen gab, blieben viele Clubs geschlossen – ganz zum Leidwesen der jungen, feierfreudigen Generation. Der Corona-Krise zum Trotz feierten viele dennoch weiter: Jetzt zeigen sich an den Berliner Zahlen die Konsequenzen aus den meist illegalen Partys. Der Reinickendorfer Amtsarzt Patrick Larscheid hat mit t-online darüber gesprochen, wie man jungen Menschen die Gefahren der Pandemie bewusster machen könnte und wie Verbote umgesetzt werden könnten.
Dr. Patrick Larscheid
Dr. Patrick Larscheid leitet seit vier Jahren das Gesundheitsamt in Berlin-Reinickendorf. Als Amtsarzt und medizinischer Direktor koordiniert der 53-Jährige seit Monaten die Corona-Aufgaben der öffentlichen Behörde.
t-online: Wie bewerten Sie das aktuelle Infektionsgeschehen in Berlin?
Dr. Patrick Larscheid: Wir sehen ja immer das Ergebnis von vor sieben bis zehn Tagen. Und das Problem momentan ist eigentlich, dass die Infektionen räumlich breit verteilt sind und wir nicht wie zu Beginn der Pandemie sehr genau eingrenzbare und letztlich auch veränderbare Infektionsorte haben. Stattdessen haben wir jetzt eine breite räumliche Verteilung, allerdings vor allem in einer bestimmten Bevölkerungsgruppe, nämlich bei jüngeren Menschen. Und das ist etwas, was wir bisher so nicht kannten. Und es ist tatsächlich so, dass das Coronavirus in diesen Fällen überwiegend bei Feiern oder Partys übertragen wurde.
Was sollte deshalb jetzt in Berlin passieren, sollte das Feiern grundsätzlich verboten werden? Was kann das überhaupt bringen, wenn private Partys weiter stattfinden?
Grundsätzlich muss man natürlich, wenn man das Problem erkennt, ein Signal setzen. Auch, wenn man weiß, dass sich nicht immer alle an die Regeln halten, sollte man festlegen, Feiern mit 200 Menschen im privaten Raum zu verbieten. Es wäre toll, wenn man das dann auch kontrollieren könnte. Aber es muss letztlich wirklich jeder verstehen: Das ist ein Verhalten, das total riskant ist – letztlich auch für die, die wir besonders schützen wollen.
In Großbritannien soll sogar das Militär bei der Durchsetzung der Maßnahmen eingesetzt werden. Könnten Sie sich auch in Deutschland und Berlin eine Unterstützung durch die Polizei vorstellen?
Die Polizei ist ja durchaus schon behilflich. Man darf aber nicht vergessen: Diese Militäridee ist eine Idee von Boris Johnson und grundsätzlich weniger ernst zu nehmen. Ein Einsatz des Militärs ist in Deutschland in dieser Form auch gar nicht möglich. Da fehlt mir auch ein wenig die Fantasie, was die Bundeswehr in diesem Fall dann machen sollte. Natürlich muss jedes Verbot kontrolliert werden – aber das hat sich auch nicht überall gleich stark herumgesprochen.
Wie könnten die Menschen denn Ihrer Meinung nach besser erreicht werden?
Die Leute sollten sich Gedanken darüber machen, dass ihr Verhalten wirklich unmittelbar Auswirkungen auf das Infektionsgeschehen hat. Die Menschen, die im vergangenen halben Jahr vernünftig waren, die sind auch jetzt relativ wenig betroffen von der aktuellen Entwicklung. Es sind die Jüngeren, die das Infektionsgeschehen treiben und es sind auch die Jüngeren, die sehr mobil sind und oft auch an ihrem Arbeitsplatz sehr kommunikativ sind. Sie haben ältere Familienmitglieder und sind so schon ein Problem für die gesamte Gesellschaft – dessen müssten sie sich bewusst sein.
Wie kann man diesen jungen Menschen besser erklären, welches Risiko aktuell hinter Partys steckt?
Tja, sie wissen es ja selbst. Und es ist nun einmal das Wesen des jüngeren Menschen, dass er Sachen weiß und sie doch anders macht. Und andere Schwerpunkte setzt. Das ist so. Und wir wissen, dass man das immer und immer wieder wiederholen muss. Und dass man auch äußere Schwerpunkte setzen und eben bestimmte Dinge untersagen muss. Sodass klar wird: Es gibt eine klare Regel und die Regel wird auch umgesetzt.
Woran hapert es bei den Berliner Gesundheitsämtern derzeit besonders?
Zum einen haben wir furchtbar viel zu tun. Und dann haben wir zum anderen auch die Situation, dass in vielen Bezirken das Unterstützungspersonal wieder abgezogen wurde. So müssen die Gesundheitsämter jetzt mit Personal arbeiten, das von außerhalb rekrutiert wurde, was aber gar nicht so schnell geht. Und so schlaucht man dieselben Menschen, die sowieso schon seit Monaten die Hauptlast der Arbeit tragen. Und das ist einfach furchtbar anstrengend. Und wir sind auch nur Menschen und sind bald körperlich am Ende.
Was würden Sie sich von den Menschen in Berlin wünschen?
Dass alle Abstands- und Hygieneregeln einhalten und sich immer wieder klarmachen, dass wir durch diese Nummer nicht durchkommen, wenn nicht jeder einzelne mithilft. Das ist nichts, was von oben gelöst wird. Hier kann jeder einzelne mitentscheiden, ob die Pandemie irgendwann enden wird oder nicht.
Vielen Dank für das Gespräch Herr Dr. Larscheid.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.