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Was es mit der 21-Tage-Gewöhnungszahl auf sich hat


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Können wir noch?
Was es mit der 21-Tage-Gewöhnungszahl auf sich hat

Eine Kolumne von Ulrike Scheuermann

03.05.2020Lesedauer: 3 Min.
Corona-Krise: Wie einschneidend jemand die Corona-Situation erlebt, hängt ganz wesentlich davon ab, wie schmerzlich der Verlust ist.Vergrößern des Bildes
Corona-Krise: Wie einschneidend jemand die Corona-Situation erlebt, hängt ganz wesentlich davon ab, wie schmerzlich der Verlust ist. (Quelle: Daniel Balakov/getty-images-bilder)

Die Krise verändert unseren Alltag enorm. Einige entdecken positive Seiten, für andere ist es kaum auszuhalten. Wie lange dauert es, mit einer neuen Situation klarzukommen?

Ein Bekannter von mir sagte gestern: "Ich bin inzwischen total genervt. Und ich verstehe nicht, warum ich mich nicht langsam an die Umstellung in meinem Leben gewöhne. Im Internet habe ich gelesen, dass der Mensch sich in 21 Tagen an so ziemlich alles gewöhnt. Was ist denn dann mit mir los?"

Diese 21-Tage-Gewöhnungszahl geistert auch in den sozialen Medien herum, weil sie leicht zu merken ist, die Zeitspanne nicht zu lang wirkt und zugleich einen plausiblen Eindruck macht. Sie sorgt im Moment jedoch eher für Entmutigung, wenn man merkt, dass bei einem selbst auch nach 22 Tagen noch kaum Gewöhnung da ist.

Neue Gewohnheiten umstellen braucht seine Zeit

Doch die wissenschaftlichen Studienergebnisse zur Gewöhnung besagen tatsächlich etwas anderes: Man braucht im Durchschnitt 66 Tage vom bewussten Ausführen einer Tätigkeit bis zur automatisierten Gewohnheit. Komplexe Gewohnheiten mit vielen Teilaufgaben benötigen natürlich länger. Ungefähr das anderthalbfache an Zeit ist dann bis zur Automatisierung notwendig. Das hängt zum Beispiel ab von der Art und Länge der Gewohnheit, der Testperson und den Umständen. Es können auch weniger oder deutlich mehr Tage notwendig sein. Beim Ändern von Essgewohnheiten kann es zum Beispiel bis zu drei Jahre dauern, bis das neue Verhalten wirklich stabil ist.

Was bedeutet das nun für die aktuelle Situation? Zurzeit geht es für uns nicht darum, eine einzelne Gewohnheit zu ändern. Sondern wir müssen uns an eine in fast allen Lebensbereichen komplett neue Gesamtsituation gewöhnen. Das heißt, viele Gewohnheiten müssen geändert werden. Mehrmals täglich rausgehen, Fitness am Bildschirm, mehr Struktur mit den Kindern, mehr (digitale) Beziehungspflege mit Freunden, Kollegen, Familie, Nachbarn, mehr Online-Arbeiten statt vor Ort.

Vorherige Lebenszufriedenheit wird wieder erreicht

Und bei all dem geht es auch um Lebenszufriedenheit: Wie zufrieden fühle ich mich in der neuen Situation? Hierzu finde ich die Set-Point-Theorie aus den 1990er-Jahren interessant: Die Forscher haben herausgefunden, dass man sich nach einem positiven oder negativen Lebensereignis oder in einer neuen Lebenssituation nach einer vorübergehenden Abweichung bald wieder auf den vorherigen Wert der Lebenszufriedenheit einpegelt.

Der Lottogewinner ist nach einigen Monaten Euphorie wieder so zufrieden wie vorher. Oder aus der anderen Richtung gedacht: Nach einer Trennung pegelt man sich irgendwann weitgehend auch wieder auf dem vorherigen Niveau ein. Weitgehend jedenfalls. Es gibt auch die so genannten "Narbeneffekte", wenn ein Erlebnis besonders einschneidend und schmerzlich war. Dann liegt der Wert nur annähernd auf dem Niveau des vorherigen.

Jeder bewertet die Corona-Situation anders

Wie einschneidend jemand die Corona-Situation erlebt, hängt ganz wesentlich davon ab, wie schmerzlich der Verlust ist. Ich höre von vielen, dass sie sich in der jetzigen Situation einrichten können, sie nutzen die Zeit sogar zum persönlichen Runterfahren. Wer gerade weniger Arbeit hat, verbringt mehr Zeit mit der Familie, geht öfter raus und kommuniziert häufiger und tiefgehender, was auch digital geht.

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Aber es gibt auch diejenigen mit sehr hohem Stresslevel, weil sie zum Beispiel alleinerziehend mit kleinen Kindern im Homeoffice arbeiten und das manchmal kaum zu vereinbaren ist. Andere haben kein Geschäft mehr und wissen nicht, wann ihr Business wieder laufen wird. Das macht Sorge und Angst. Das Erleben ist also zweigeteilt.

Das Beste daraus machen

Können wir noch? Die Frage stellt sich für mich gar nicht. Wir müssen. Unsere Regierung hat sich in Abstimmung mit den anderen Ländern der Welt für diesen Weg entschieden. Wenn wir zu früh wieder zum Alltag zurückkehren, droht eine neue Infektionswelle. Es sind sogar wiederkehrende Verbesserungen und Verschlechterungen in Abhängigkeit vom Verhalten möglich. Das würde sich über ein bis zwei Jahre ziehen, bis ein wirksamer Impfstoff im Einsatz ist. Und da gilt eigentlich nur, dass man versucht, das Beste aus der Situation zu machen und seine persönliche Belastung durch den Blick auf andere Länder oder Schicksale zu relativieren, so banal das auf den ersten Blick auch klingen mag.

Wir werden Zeit brauchen, um in ein normales Leben zurückzukehren. Der Alltag nach Corona wird nach meiner Einschätzung nicht mehr so sein wie unser gewohntes Leben davor. Das muss aber keine Angst machen. Nach einer Krise gibt es viele positive Veränderung, denn man lernt immer etwas daraus. Einige Aspekte in der Umwelt haben sich jetzt schon verbessert, die meisten Beziehungen werden tiefgehender. Viele erkennen momentan, wer und was für sie wichtig ist im Leben.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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