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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Notfallsanitäter zu Corona "Ich rate von FFP2-Masken ab"
Im Notfall sind Rettungskräfte schnell vor Ort und helfen – auch jetzt, in der Corona-Krise. Notfallsanitäter Markus Wollmann erzählt im Interview mit t-online.de, was er und seine Kollegen sich jetzt wünschen würden – und was er Patienten rät.
Sie retten Unfallopfer, transportieren Kranke und begeben sich dabei nicht nur in Zeiten des Coronavirus selbst in Lebensgefahr: Rettungskräfte sind auch während der aktuellen Krise im Dauereinsatz. Einer von ihnen ist Markus Wollmann aus Hannover. Der 46-Jährige erzählt im Gespräch mit t-online.de, ob er sich gerade sicher fühlt und was die neue Anerkennung für seinen Beruf mit ihm macht.
Markus Wollmann ist Notfallsanitäter beim Malteser Hilfsdienst. 1995 ist er über den Zivildienst zu den Maltesern gekommen, wo er im Anschluss eine hauptamtliche Stelle übernehmen konnte. Zunächst war der Vater zweier Kinder Rettungssanitäter, später Rettungsassistent und schließlich Notfallsanitäter. Er hat außerdem eine Zusatzausbildung zum staatlich geprüften Desinfektor gemacht und war jahrelang an der Ausbildung neuer Rettungskräfte beteiligt. Mittlerweile leitet er eine Rettungswache in Hannover mit insgesamt 40 Mitarbeitern.
t-online.de: Wie hat sich Ihre Arbeit durch die Corona-Krise verändert?
Markus Wollmann: Schon zuvor haben wir im Rettungsdienst einen hohen Hygienestandard erfüllt. Das heißt, die Fahrzeuge und auch das Material wurden nach jedem Einsatz desinfiziert. Dieser Standard wurde aber in der jetzigen Situation nochmals erhöht. Zum Beispiel tragen unsere Kollegen vorsorglich bei jedem Einsatz im Rettungsdienst und Krankentransport eine FFP2-Maske und Schutzbrillen. Auch bei Krankentransporten, bei denen das eigentlich nicht üblich ist. Im Umgang mit den Patienten sind wir noch vorsichtiger geworden. Vor dem direkten Patientenkontakt stellen wir gezielte Fragen, um eine mögliche Covid-19-Erkrankung zu erkennen.
Fühlen Sie sich gut vorbereitet und sicher?
Die Ausbildung, sei es zum Rettungssanitäter oder seit 2014 zum Notfallsanitäter, bereitet die Kollegen optimal auf den Umgang mit Infektionskrankheiten vor. Jährliche Schulungen zur Hygiene und Arbeitssicherheit frischen diese Kenntnisse wieder auf. Zudem stehen die Kollegen unter regelmäßiger betriebsärztlicher Kontrolle.
Im Rettungsdienst kommen wir oft mit Erregern in Kontakt, die eine ernste Gefahr für die Gesundheit darstellen können, wie zum Beispiel Meningitis oder Tuberkulose. Tuberkulose-Patienten werden beispielsweise wöchentlich zur Augenkontrolle transportiert. Die Kollegen sind also den Umgang mit Schutzmaterial gewohnt und wissen, wie man nach solchen Einsätzen die Fahrzeuge desinfiziert. Insofern hat sich nicht so viel verändert. Schutzmaterial steht derzeit noch in ausreichender Qualität und Menge zur Verfügung. Das könnte sich im weiteren Verlauf der Pandemie noch ändern, was wir aber nicht hoffen. Die Beschaffung von Schutzmaterial ist derzeit unsere größte Herausforderung. Zum Teil haben sich die Preise einzelner Artikel mehr als verzehnfacht.
Welche Unterstützung wünschen Sie sich jetzt von der Politik?
Eine Unterstützung bei der Materialbeschaffung wäre wünschenswert. Außerdem haben die vergangenen Wochen gezeigt, dass wir zu sehr auf den Import von Hygiene- und Schutzmaterialien angewiesen sind. Vermutlich wäre es besser, wenn wir Schutzausrüstungen auch in ausreichender Menge in Deutschland produzieren würden. Das muss auf lange Sicht geändert werden. Wenn so etwas noch einmal passiert, und es wird immer wieder passieren, dann stehen wir sonst wieder da und haben kein Material. Darüber hinaus spüren wir jetzt die Auswirkungen einer jahrzehntelangen Sparpolitik im Gesundheitswesen. Damit wir unser Malteser-Motto "Qualität rettet Leben" auch weiterhin leben können, benötigen wir entsprechende Rahmenbedingungen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen, sei es bei uns Rettern oder in der Kranken- und Altenpflege, macht sich gerade jetzt sehr negativ bemerkbar.
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Was könnte die Politik da konkret tun?
Rettungsdienst ist in der Regel Landessache. Die Budgets für den Rettungsdienst sind äußerst eng gestrickt, da können wir leider nicht aus dem Vollen schöpfen. Und da wird meiner Meinung nach am falschen Ende gespart. Natürlich sind die Gesundheitskosten insgesamt sehr hoch, der Rettungsdienst trägt daran allerdings nur einen Anteil von drei Prozent. Jeder Euro, den wir im Rettungsdienst mehr investieren, spart dem Krankenhaus später Geld.
Was wünschen Sie sich von Patienten?
Grundsätzlich sollten sich alle Menschen an die Kontaktbeschränkungen halten, was die allermeisten ja auch tun. Auch Masken können zumindest im geringen Maße die Ausbreitung des Virus verringern. Von FFP2-Masken rate ich allerdings ab, weil die auf Dauer nicht zu tragen sind. Gerade bei Patienten, die sowieso schon Atemnot haben, können sie sogar gefährlich sein, auch wenn sie natürlich vor einer Ansteckung schützen. Von den Patienten im Speziellen wünschen wir uns klare Aussagen zu eventuellen Risikokontakten oder Aufenthalten in Risikogebieten. Es kommt leider häufiger vor, dass Patienten bei unseren Einsätzen erst nach mehreren Minuten erwähnen, dass sie derzeit als Verdachtsfall gelten. Offenheit und Ehrlichkeit schützen letztlich nicht nur unsere Kollegen, sondern auch die nachfolgenden Patienten. Zudem ist es sinnvoll, bei milden Symptomen den Erstkontakt zum Hausarzt oder dem Gesundheitsamt zu suchen. Aber natürlich ist der Rettungsdienst im Notfall für alle Patienten da.
Auch wenn es jetzt schon wieder etwas abgeflaut zu sein scheint: Wie empfinden Sie das viele Lob und den Applaus für die systemrelevanten Berufe wie Ihren?
Die Rückmeldungen aus Öffentlichkeit und Politik sind in den letzten Wochen sehr motivierend. Wir hören mitunter ein einfaches "Danke für eure Arbeit", das uns an der Ampel zugerufen wird, oder man bietet uns einen Gratiskaffee oder -brötchen beim Bäcker an. Das ist eine supertolle Geste, keine Frage. Aber so etwas nehmen wir natürlich nicht an. Diese Wertschätzung ist wirklich toll. Und es gibt auch einige größere Firmen, die beispielsweise Schmierstoffe, Reifen oder Reparatur für unsere Rettungswagen anbieten. Da merken wir ein Riesen-Entgegenkommen, auch von der Industrie. Die Unterstützung ist spürbar und tut wirklich gut.
Vor der Corona-Krise gab es zunehmend Aggressivität und sogar Übergriffe auf Rettungskräfte. Hat sich daran jetzt was geändert?
Tatsächlich ist das immer noch so. Die Gewalt gegen Retter ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Wir werden auch tätlich angegriffen und es gab auch schon Verletzte. Da fragen wir uns oft, was mit den Menschen nicht stimmt.
Wir sind ja eigentlich die Guten. Wenn wir kommen, helfen wir jedem. Deshalb konnten wir nie verstehen, warum wir angegriffen werden. Möglicherweise richtet sich der Fokus der Bevölkerung nun stärker auf unsere Arbeit und wir können den negativen Trend der vergangenen Jahre vielleicht auch mit der neuen Anerkennung umkehren.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.