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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kann zu Blutkrebs führen Wie sich ein myelodysplastisches Syndrom bemerkbar macht
Bei einem myelodysplastischen Syndrom (MDS) bilden sich vermehrt kranke oder unreife Blutzellen. Einige Erkrankte entwickeln im Verlauf eine Leukämie.
Die Bezeichnung "myelodysplastisches Syndrom" (myelos = Mark, Dysplasie = Fehlbildung) ist ein Sammelbegriff für verschiedene Erkrankungen der blutbildenden Stammzellen im Knochenmark. Der Körper produziert dann nicht mehr ausreichend gesunde Blutzellen – also weiße und rote Blutkörperchen sowie Blutplättchen –, sondern krankhaft veränderte Zellen, die ihre Aufgaben nicht erfüllen können.
Dies führt im Verlauf zu verschiedenen Symptomen. Dazu zählen vor allem
- Anzeichen einer Blutarmut,
- eine erhöhte Anfälligkeit für Infekte und/oder
- eine erhöhte Blutungsneigung.
Welche Beschwerden genau auftreten, hängt davon ab, welche Blutzellen nicht mehr richtig funktionieren.
Myelodysplastische Syndrome betreffen vor allem ältere Menschen: Die meisten Betroffenen sind zwischen 70 und 75 Jahre alt, wenn sie die Diagnose erhalten. Von 100.000 Personen über 70 Jahren erkranken zwischen 20 und 50. Kinder sind nur selten betroffen. Heilung kann nur eine Knochenmark- beziehungsweise Stammzelltransplantation bringen. Diese kommt jedoch nur bei bestimmten Patientinnen und Patienten infrage.
Die Lebenserwartung bei Menschen mit myelodysplastischem Syndrom kann stark variieren. Mehr dazu lesen Sie in unserem Artikel "Myelodysplastisches Syndrom – wovon die Lebenserwartung abhängt".
Ein myelodysplastisches Syndrom zählt bei Seniorinnen und Senioren zu den häufigsten Krankheiten der Blutbildung. Es ist nicht ansteckend.
Was passiert bei einem myelodysplastischen Syndrom?
Zu den festen Bestandteilen des Blutes zählen die Blutzellen: die roten und weißen Blutkörperchen und die Blutplättchen. Sie entwickeln sich aus den Blutstammzellen, welche im Knochenmark gebildet werden. Bis aus Blutstammzellen rote und weiße Blutkörperchen oder Blutplättchen werden, sind verschiedene Schritte nötig. Fachleute sprechen von Hämatopoese.
Bei einem myelodysplastischen Syndrom ist dieser Prozess gestört: Aus den Blutstammzellen gehen dann keine gesunden, sondern krankhaft veränderte Blutzellen hervor – und diese können ihre Aufgaben im Körper nicht richtig erfüllen. Die kranken Zellen sind entweder
- nicht vollständig ausgereift und/oder
- krankhaft verändert (sog. Dysplasien), zum Beispiel in ihrer Größe oder Form.
Dadurch bilden sich entsprechend weniger gesunde Blutzellen.
Meist haben erkrankte Personen nicht mehr genug funktionsfähige rote Blutkörperchen. Es gibt aber auch Typen von MDS, bei denen zusätzlich gesunde Blutplättchen und/oder weiße Blutkörperchen fehlen.
Fachleute unterscheiden verschiedene Typen von MDS. Die einzelnen Typen unterscheiden sich in ihrem Verlauf und der Prognose.
DNA-Schäden der Blutstammzellen
Myelodysplastische Syndrome sind auf Schäden im Erbmaterial (DNA) der Blutstammzellen zurückzuführen. Je älter eine Person ist, desto eher kommt es bei der Zellteilung zu Mutationen – also kleinen Fehlern – in der DNA. Diese können dazu führen, dass die Blutstammzellen nicht mehr richtig arbeiten, was nicht funktionsfähige Zellen zur Folge hat.
In den meisten Fällen ist unklar, warum genau eine Person an einem myelodysplastischen Syndrom erkrankt und andere Personen nicht. Dann handelt es sich um ein primäres MDS. Vermutlich spielen mehrere Faktoren eine Rolle – etwa Veranlagung oder äußere Einflüsse.
Manchmal lässt sich MDS auf Schäden zurückführen, die auf eine Chemo- oder Strahlentherapie zurückgehen (sog. therapieassoziiertes MDS). Andere giftige Substanzen wie etwa Benzol können weitere mögliche Auslöser sein. Dann sprechen Fachleute von einem sekundären myelodysplastischen Syndrom.
MDS: Welche Symptome treten auf?
Ein myelodysplastisches Syndrom ist manchmal ein Zufallsbefund im Rahmen einer Blutuntersuchung – denn anfangs spüren erkrankte Personen oft keine Symptome.
Beschwerden treten erst auf, wenn die Zahl der gesunden Blutzellen ein gewisses Maß unterschreitet. Welche Symptome das sind, hängt davon ab, welche Art von Blutzellen fehlt:
- Fehlen rote Blutkörperchen, entsteht eine Blutarmut (Anämie).
- Fehlen weiße Blutkörperchen (Leukopenie), führt das zu einer erhöhten Infektanfälligkeit.
- Fehlen Blutplättchen (Thrombozytopenie), ist das Risiko für Blutungen erhöht.
Symptome durch fehlende rote Blutkörperchen
Besonders häufig haben Menschen mit einem myelodysplastischem Syndrom eine Blutarmut, weil es ihnen an gesunden roten Blutkörperchen mangelt.
Normalerweise gelangt eingeatmeter Sauerstoff mithilfe der roten Blutkörperchen in sämtliche Organe und Gewebe. Fehlt es jedoch an funktionsfähigen roten Blutkörperchen, können nicht mehr alle Zellen gleichermaßen Sauerstoff erhalten. Mögliche Symptome einer Blutarmut sind:
- Atemnot, insbesondere bei Belastung
- Müdigkeit
- Schwächegefühl
- Blässe
- Kopfschmerzen
- Schwindel
- Herzrasen
Symptome durch fehlende weiße Blutkörperchen
Die weißen Blutkörperchen (Leukozyten) – und unter ihnen insbesondere eine bestimmte Unterform, die neutrophilen Granulozyten – spielen eine wichtige Rolle für die Immunabwehr. Sind zu wenige von ihnen vorhanden, können sich Krankheitserreger besser ausbreiten.
Die Folge: Betroffene Personen bekommen leichter Infekte (zum Beispiel Erkältungskrankheiten). Diese halten dann mitunter auch länger an als bei anderen Menschen. Darüber hinaus lassen sich bakterielle Infektionen schlechter behandeln, da Antibiotika nicht so gut wirken.
Symptome durch fehlende Blutplättchen
Die Blutplättchen (Thrombozyten) sind für die Blutgerinnung von Bedeutung – etwa bei der Wundheilung. Je weniger funktionsfähige Blutplättchen vorhanden sind, desto schlechter gerinnt das Blut. Die Folge ist eine erhöhte Blutungsneigung.
Betroffene Personen bemerken Symptome wie:
- punktförmige Hauteinblutungen (Petechien), die vor allem an Armen und Beinen zu sehen sind
- häufiges Zahnfleischbluten
- vermehrte Blutergüsse
- häufiges Nasenbluten
Zudem halten Blutungen länger an als gewohnt. So können unter Umständen schon kleine Verletzungen stark bluten. Auch stärkere Blutungen sind möglich, etwa im Verdauungstrakt. Bei Frauen kann die Regelblutung stärker ausfallen als normal.
Wichtiger Hinweis
Solche Symptome können zahlreiche Ursachen haben. Sie sind kein Beweis für ein myelodysplastisches Syndrom. Eine eindeutige Diagnose ergibt sich erst aus einem umfassenden Blutbild (Differenzialblutbild) und einer Knochenmarkuntersuchung.
MDS kann in Leukämie übergehen
Bis zu 25 von 100 Personen mit einem myelodysplastischen Syndrom entwickeln im Laufe der Zeit eine Form von Blutkrebs: die akute myeloische Leukämie, kurz AML.
Bei bestimmten Typen von MDS bilden die Blutstammzellen weiße Blutkörperchen, die nicht vollständig gereift und somit funktionsunfähig sind. Bei unreifen weißen Blutkörperchen sprechen Fachleute von Blasten.
Ist der Anteil der Blasten sehr hoch, kann ein myelodysplastisches Syndrom in eine akute myeloische Leukämie übergehen: Dies ist der Fall, wenn der Anteil der Blasten im Knochenmark mehr als 20 Prozent beträgt.
Insbesondere Personen, welche am Typ "MDS mit Blastenvermehrung" (MDS EB) erkrankt sind, haben ein erhöhtes Risiko, eine Leukämie zu entwickeln. Da auch Typen mit niedrigem Risiko manchmal in Blutkrebs übergehen, sollten alle Patientinnen und Patienten regelmäßige Kontrolluntersuchungen wahrnehmen.
Unterstützende Therapie lindert Beschwerden
Die Behandlung eines myelodysplastischen Syndroms ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Basis bildet die sogenannte unterstützende Therapie (Supporttherapie). Ziel ist in erster Linie, Beschwerden zu lindern und Nebenwirkungen so gering wie möglich zu halten.
Transfusion roter Blutkörperchen und Chelattherapie
Sind zu wenig gesunde rote Blutkörperchen vorhanden, kann eine Transfusion roter Blutkörperchen über eine Vene sinnvoll sein.
Gleichzeitig kann eine sogenannte Chelattherapie nötig werden: Da rote Blutkörperchen Eisen enthalten, können häufige Transfusionen den Eisenanteil im Körper erhöhen. Überschüssiges Eisen lagert sich dann im Körper an, was den Organen schadet. Mithilfe des Wirkstoffs Deferasirox aus der Gruppe der Chelate lässt sich dieser Prozess hemmen, sodass Patientinnen und Patienten das Eisen ausscheiden. Die Chelattherapie kann zu Verdauungsbeschwerden wie Übelkeit oder Durchfall führen.
Behandlung mit Antibiotika
Bei einer erhöhten Infektanfälligkeit durch einen Mangel an gesunden weißen Blutkörperchen kann unter Umständen eine Behandlung mit Antibiotika geeignet sein, um bakteriellen Infektionen vorzubeugen.
Wann Antibiotika bei einem myelodysplastischen Syndrom infrage kommen, wird die Ärztin oder der Arzt individuell entscheiden. Denn zum einen können diese Medikamente verschiedene Nebenwirkungen haben. Zum anderen besteht das Risiko, dass Bakterien gegen diese Mittel resistent werden: Dann verliert das Antibiotikum seine Wirkung.
Transfusion von Blutplättchen
Hat eine Person mit myelodysplastischem Syndrom zu wenig gesunde Blutplättchen und neigt zu Blutungen, kommen eventuell Blutplättchen-Transfusionen infrage. In manchen Fällen nimmt die Wirkung dieser Behandlung jedoch mit der Zeit ab, weil der Körper Antikörper gegen die transplantierten Blutplättchen bildet und diese eliminiert. Ob eine Blutplättchen-Transfusion geeignet ist, wird die Ärztin oder der Arzt daher von Fall zu Fall entscheiden.
Myelodysplastisches Syndrom: Weitere Therapiemöglichkeiten
Welche Maßnahmen bei einem myelodysplastischen Syndrom zusätzlich zur unterstützenden Therapie geeignet sind, hängt unter anderem davon ab, wie hoch das Risiko für einen schweren Verlauf ist, welcher MDS-Typ vorliegt und wie stark die Zellveränderungen ausgeprägt sind. Auch die gesundheitliche Verfassung und das Alter der Person spielen eine Rolle.
Fachleute unterscheiden zwischen Niedrig-Risiko- und Hoch-Risiko-Patientinnen und -Patienten. Bei der ersten Gruppe ist die Wahrscheinlichkeit, dass MDS in eine Leukämie übergeht oder schwer verläuft, gering, bei der zweiten hingegen hoch.
Behandlung von Niedrig-Risiko-Patienten
Die Lebensqualität von Personen mit niedrigem Risiko lässt sich mit verschiedenen Maßnahmen verbessern. Dazu zählen etwa Behandlungen mit
- Wachstumsfaktoren: Dies sind Medikamente, welche die Zellen im Knochenmark anregen, gesunde Blutzellen zu bilden.
- Lenalidomid: Der Wirkstoff kann bei Personen helfen, welche bestimmte Chromosomenveränderungen in den kranken Zellen aufweisen.
Diese Medikamente können verschiedene Nebenwirkungen haben und sind nicht in jedem Fall geeignet. Daher muss die Ärztin oder der Arzt sorgfältig abwägen, ob und welche Behandlung infrage kommt.
Behandlung von Hoch-Risiko-Patienten
Bei Personen mit myelodysplastischem Syndrom, die ein hohes Risiko für eine Leukämie oder für einen schweren Verlauf haben, kommen weitere Behandlungsmöglichkeiten infrage.
Eine davon ist die Stammzell- oder Knochenmarktransplantation. Ist diese erfolgreich, ist das myelodysplastische Syndrom heilbar. Allerdings handelt es sich um einen schweren Eingriff, der verschiedene Komplikationen nach sich ziehen kann. Hinzu kommt, dass das Risiko für einen Rückfall hoch ist. Daher ist die Transplantation nur für zumeist jüngere Personen geeignet, die in guter körperlicher Verfassung sind.
Bei dem Eingriff werden Blutstammzellen oder Knochenmark einer spendenden Person übertragen. Vorher muss das Knochenmark der erkrankten Person mit einer Chemotherapie (und eventuell einer zusätzlichen Strahlentherapie) zerstört werden.
Eine weitere Behandlungsmöglichkeit sind Medikamente, die den Verlauf der Erkrankung etwas aufhalten – etwa mit dem Wirkstoff Azacitidin. Die Ärztin oder der Arzt spritzt den Wirkstoff unter die Haut. Die Therapie muss regelmäßig wiederholt werden. Mögliche unerwünschte Wirkungen sind Verdauungsprobleme, Nierenprobleme, Irritationen an der Einstichstelle und ein Mangel an Blutzellen.
In seltenen Fällen kommt eine hochdosierte Chemotherapie infrage, um funktionslose Zellen zu bekämpfen. Dabei können verschiedene Nebenwirkungen auftreten, da teils auch gesunde Zellen absterben.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Online-Informationen der Stiftung Deutsche Leukämie- & Lymphom-Hilfe: www.leukaemie-hilfe.de (Abrufdatum: 10.4.2024)
- "Myelodysplastische Syndrome (MDS)". Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e.V.: www.onkopedia.com (Stand: Februar 2024)
- Herold, G.: "Innere Medizin 2024". Eigenverlag, Köln 2023
- Stiftung Deutsche Leukämie- & Lymphom-Hilfe: "MDS. Myelodysplastische Syndrome. Informationen für Patienten und Angehörige". (PDF), Online-Publikation: www.leukaemie-hilfe.de (Stand: September 2023)
- Nachtkamp, K., et al.: "Myelodysplastische Syndrome". Deutsches Ärzteblatt, Jg. 120, Heft 12, S. 203-210 (24.3.2023)
- Hahn, J.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2018
- Baenkler, W.: Kurzlehrbuch Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2015
- Germing, U., et al.: "Myelodysplastische Syndrome". Deutsches Ärzteblatt, Jg. 110, Heft 46, S. 783-790 (November 2013)