Down-Syndrom "Das Down-Syndrom war wie ein ungeliebter Schwiegersohn"
Sarah hat mehr als andere Kinder. In jeder ihrer unzähligen Körperzellen. Statt 46 Chromosomen sind dort 47 zu finden, das Chromosom 21 ist dreifach statt doppelt vorhanden. Sarah hat Trisomie 21, das Down-Syndrom. Ihre Mutter Elena gehört zu den wenigen Frauen, die sich trotz dieser Diagnose für ihr Kind entscheiden. Ein kleiner blonder Sonnenschein dankt es ihr.
Erste Reaktion: Schock, Enttäuschung, Scham
"Erst einmal war es ein Schock", sagt Elena Sommer über den Moment, als die Ärzte in der Schwangerschaft ihren immer stärker werdenden Verdacht auf Down-Syndrom bei dem Kind äußerten. "Wir waren wie unter einer Glasglocke." Gleichzeitig krallte sich die Mutter bis zur Geburt an der Hoffnung fest, dass die Prognose sich doch nicht bestätigen würde. Als Sarah dann im Juni 2010 mit properen 3.830 Gramm geboren wurde, zerschlug sich die Hoffnung in einer Sekunde.
"Als die Hebamme mir Sarah zeigte, saß sie da wie ein kleiner Buddha. Es war eindeutig", erinnert sich Elena. Sie sah die typisch nach oben geschrägten Augen, die kleine flache Nase. "Ich war enttäuscht. Und beschämt, ein behindertes Kind zur Welt zu bringen."
Blonder Sonnenschein statt Sorgenkind
Gut eineinhalb Jahre später ist davon nichts mehr zu spüren. Sarah mit ihren blonden Löckchen und den tiefblauen Augen ist ein Sonnenschein. Wenn sie an das Spielkeyboard ihrer großen Schwester krabbelt, sich hochzieht und in die Tasten haut, gewinnt sie alle Herzen. "Heute sage ich zur Diagnose Down-Syndrom: So what?", erklärt Elena. "Wir haben allerdings auch das Glück, dass die Prognose für Sarah sehr gut ist. Vor zwei Jahren wusste ich noch nicht, dass sie jetzt hier sitzen würde und so einen Quatsch macht."
Trotz Down-Syndrom - Sarah sollte bleiben
Wegen eines Herzfehlers - der typisch in Verbindung mit Trisomie 21 auftritt - kam Sarah nach der Entbindung erst einmal auf die Intensivstation. Die erste Woche war von der Medizin bestimmt, dann hatten die Eltern Zeit, ihre Tochter kennenzulernen. Und zu merken: Sarah ist Sarah. Das Down-Syndrom gehört zwar zu ihr dazu, ist aber nicht das Bestimmende. Elena lernte zu unterscheiden: "Das Down-Syndrom war für mich wie ein ungeliebter Schwiegersohn, den meine Tochter ins Haus gebracht hat und der jetzt bei mir wohnt."
Inzwischen hat sich die Familie mit dem "Schwiegersohn" nicht nur arrangiert, sondern ihn als Teil von Sarah lieben gelernt. Und gegen das Kind hätten sich Elena und ihr Mann Stefan ohnehin nie entschieden. Als die Ärzte sie fragten: "Wollen Sie das Kind haben?", war die Antwort schon klar. Sarah sollte bleiben.
Jährlich rund 800 Babys mit Down-Syndrom
Etwa 700 bis 800 Kinder mit Trisomie 21 werden nach Auskunft des Deutschen Down-Syndrom-InfoCenters jährlich in Deutschland geboren. Manchmal erfahren die Eltern erst bei der Geburt vom Down-Syndrom ihres Kindes. In den meisten Fällen hingegen steht in der Schwangerschaft die Diagnose zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits fest - und die Eltern entscheiden sie sich bewusst für das Baby mit Behinderung.
Neun von zehn Frauen entscheiden sich für Abtreibung
Damit sind sie allerdings in der Minderheit: "Laut einer vergleichenden Studie liegt die Abbruchrate in Deutschland bei circa 91,5 Prozent", erklärt Elzbieta Szczebak vom DS-InfoCenter. "Mit anderen Worten: neun von zehn Frauen entscheiden sich für den Abbruch ihrer Schwangerschaft bei Diagnose Down-Syndrom."
"Hätte ich Sarah abgetrieben, ich hätte darunter gelitten", war sich Elena Sommer schon damals sicher. Mit Sarah in den Armen weiß sie jetzt umso mehr, dass die Entscheidung richtig war.
Eltern beeinflussen den Grad der Behinderung
Vor der Geburt ist nicht absehbar, wie stark das Down-Syndrom ausgeprägt ist und wie die geistige Entwicklung beeinflusst ist. Ob sie die Kraft gehabt hätte, ein schwer pflegebedürftiges Kind groß zu ziehen, habe sie sich in der Schwangerschaft gefragt, sagt Elena. Sie weiß es nicht. Zum Glück stellt sich die Frage nicht mehr.
"Das hängt ganz von Ihnen ab", sagte der Arzt nach der Geburt, als Elena ihn fragte, wie stark ihre Tochter behindert sein würde. Das hat ihr Mut gemacht. "Und das hat mich angespornt, Sarah all das an Therapien zu ermöglichen, die sie in ein selbstständiges Leben führen." Mit Bewegungs- und Sprachtherapie und ganz unterschiedlichen Förderungsangeboten wird Sarah geholfen, den Anschluss nicht zu verpassen.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.