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Rund ein Drittel der Vorschulkinder mit Sprachproblemen


Kinderkrankheiten
Sprachstörungen gelten bei Kindern als neues Krankheitsbild

Von dapd, dpa
31.01.2012Lesedauer: 3 Min.
Sprachstörungen bei Kindern nehmen zu.Vergrößern des Bildes
Sprachstörungen bei Kindern nehmen zu. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Neben klassische Kinderkrankheiten wie Windpocken oder Röteln treten zunehmend Sprachentwicklungsstörungen oder das Zappelphilipp-Syndrom. Sind die neue Krankheiten möglicherweise auch nur Modeerscheinungen?

Wenn die Worte fehlen

Sie stammeln und stottern, bekommen häufig keinen vollständigen Satz heraus oder finden nur schwer die richtigen Worte. So geht es etwa jedem dritten Kind im Vorschulalter, wie die größte deutsche Krankenkasse Barmer GEK ermittelte. Und die Probleme bei Jungen sind deutlich größer als bei Mädchen.

"Wir haben eine sehr gute Versorgung für Kinder in Deutschland"

Fazit des am Dienstag veröffentlichten Reports, für den Daten der 8,3 Millionen eigenen Versicherten ausgewertet wurden: Psychosoziale Krankheitsbilder wie Sprachstörungen bei Vorschulkindern, aber auch Konzentrationsschwächen und Hauterkrankungen bei Kleinkindern sind auf dem Vormarsch. An mangelnder ärztlicher Betreuung liege das aber nicht. Für Barmer-GEK-Vizechef Rolf-Ulrich Schlenker lässt die Entwicklung aufhorchen. Sie sei aber kein Grund zur Beunruhigung: "Wir haben eine sehr gute Versorgung für Kinder in Deutschland."

Mehr als eine Million Kinder betroffen

Während danach 20 Prozent aller fünfjährigen Jungen eine Logopädie-Verordnung zur Behandlung ihrer Sprechstörung erhielten, waren es bei den Mädchen 14 Prozent. Für Barmer-GEK-Vizechef Rolf-Ulrich Schlenker ist das aber kein Grund zur Beunruhigung: "Wir sehen, dass professionelle Sprachförderung in Anspruch genommen wird." Bundesweit liegt der Anteil an Kindern mit Sprech- und Sprachstörungen laut Report bei 10,3 Prozent. Pro Jahr sind davon etwa 1,12 Millionen Kinder zwischen Null und 14 Jahren betroffen. Die Barmer GEK als Branchenprimus zahlt für Therapien bei Logopäden nach Worten Schlenkers jährlich rund 70 Millionen Euro. Auf alle Kassen hochgerechnet, komme so ein Betrag "von knapp unter einer Milliarde Euro" zusammen.

Sprachstörungen nehmen zu

Eine Sprech- oder Sprachstörung wird nicht durch organische oder mentale Störungen verursacht. Sie liegt vor, wenn ein Kind nicht in der Lage ist kurze, vollständige Sätze mit angemessenen Worten zu bilden oder zu verstehen. Seit 2004 hat dieses Krankheitsbild nach Aussage der Wissenschaftler um rund 20 Prozent zugenommen.

Zusammenhang mit sozialer Schicht?

"Wir sehen, dass professionelle Sprachförderung in Anspruch genommen wird", sagt Schlenker. Guten Anklang finden auch regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen für Kinder: Die Termine werden im Durchschnitt zu über 90 Prozent wahrgenommen. Nur in Stadtstaaten wie Berlin oder Hamburg hinkt die Quote hinterher. Experten sehen einen Zusammenhang mit sozialer Schicht, Migrations- und Milieuproblemen der Eltern. Für Studien-Mitautor Friedrich Wilhelm Schwartz lässt sich dies nur vermuten; aus den Daten sei es nicht erkennbar.

Klassische Kinderkrankheiten auf dem Rückzug

Neben die klassischen Kinderkrankheiten wie Windpocken, Scharlach oder Röteln treten der Untersuchung zufolge zunehmend Diagnosen wie die Sprachentwicklungsstörung oder das Zappelphilipp-Syndrom Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Auch diese Diagnose findet sich überdurchschnittlich häufig bei Jungen: Jeder zehnte Neunjährige geht zum Neurologen oder Psychiater (9,6 Prozent). 60 Prozent davon mit der Diagnose ADHS. Zum Vergleich: Bei den neunjährigen Mädchen sind es sechs Prozent, davon rund 40 Prozent mit ADHS-Diagnose.

Viele Kinder leiden an Neurodermitis

Auffällig ist laut Studie auch, dass mehr als elf Prozent aller Kinder zwischen Null und 14 Jahren unter der Hautkrankheit Neurodermitis leiden. Bei den Bis-3-Jährigen sind es sogar rund 16 Prozent. Besonders häufig sind ostdeutsche Kinder betroffen. Nach Einschätzung von Schwartz sind dafür wahrscheinlich Umweltbelastungen, aber auch psychologische Faktoren zumindest mitverantwortlich.

"Auffällig hohe Diagnosen"

Die Kasse selbst will nicht ausschließen, dass es sich bei den neuen Diagnosen auch um "Modekrankheiten" handeln könnte. Verstärkte Aufmerksamkeit von Eltern, Erziehern und Ärzten könnten mit den "auffällig hohen Diagnosen" durchaus zu tun haben. "Und vermutlich treiben die begrüßenswert hohen Vorsorgeraten diese Diagnosen zusätzlich nach oben", räumt Schlenker ein.

Ist das immer frühere Schuleintrittsalter eine Ursache?

Und mutmaßt, dass Probleme mit der Sprachentwicklung auch auf ein immer früheres Schuleintrittsalter zurückzuführen sein könnten. In Baden-Württemberg, wo er herkomme, würden Kinder erst mit fast sieben Jahren und nicht wie etwa in Berlin schon mit fünfeinhalb eingeschult. Im "Schwabenländle" seien Sprachstörungen bei Schulanfängern jedenfalls seltener, sagt Schlenker.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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