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Ist Angst vor Impfungen berechtigt?


Schutz vor Infektionen
Ist die Angst vor Impfungen berechtigt?

dpa-tmn, lk

Aktualisiert am 10.01.2018Lesedauer: 4 Min.
Ein Baby bekommt eine Injektion.Vergrößern des Bildes
Deutschland keine Pflicht, viele werden aber von der Ständigen Impfkomission am Robert-Koch-Institut empfohlen. (Quelle: naumoid/getty-images-bilder)
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Jede Arznei, die gegen eine Krankheit wirkt, kann auch unerwünschte Effekte haben – sogenannte Nebenwirkungen. Das gilt für Impfstoffe ebenso. Impfungen sollen den Körper vor Infektionen schützen, können aber manchmal genauso zu gesundheitlichen Schäden führen.

Nebenwirkungen von Impfungen sind meistens harmlos

Impfungen sind eine segensreiche Erfindung. Sie bieten wirkungsvollen Schutz vor vielen Infektionskrankheiten. Dass sie dennoch immer wieder in der Kritik stehen, liegt daran, dass sie eine Reihe von Nebenwirkungen nach sich ziehen können. Die sind meist harmlos und vorübergehend, in einzelnen Fällen aber auch so schwerwiegend, dass manche das prophylaktische Piken scheuen.

"Impfungen greifen in unser Immunsystem ein. Das ist nötig, damit sie funktionieren, kann aber wie bei jedem wirksamen Medikament auch mal dazu führen, dass unerwünschte Nebeneffekte auftreten", erklärt die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut. Am häufigsten seien die sogenannten Impfreaktionen, die bei einigen Prozent der Impflinge auftreten und nicht weiter besorgniserregend sind: Dazu zählen kurzfristige, leichtere Lokal- und Allgemeinreaktionen wie Schmerzen an der Injektionsstelle oder grippeartige Beschwerden.

Anhaltende und starke Nebenwirkungen gelten als Impfkomplikationen

"Übersteigen die Beschwerden das normale Maß einer Impfreaktion, weil sie etwa sehr stark sind oder lange anhalten, spricht man von einer Impfkomplikation. Mit ihr sollte man zum Arzt", erläutert die STIKO. Das gilt zum Beispiel bei lang andauerndem hohen Fieber oder wenn sich ein Abszess an der Einstichstelle bildet. Das ist ein mit Eiter gefüllter Hohlraum im Gewebe. Ebenfalls in die Kategorie Impfkomplikation fallen Krankheiten wie die nach drei bis fünf Prozent der Masernimpfungen auftretenden "Impf-Masern" oder allergische Reaktionen auf die Inhaltsstoffe einer Impfdosis.

In Einzelfällen können chronische Erkrankungen ausgelöst werden

Impfkomplikationen sind selten. Der Anteil der betroffenen Impflinge liegt im Promillebereich. Meist ist auch nur eine kurzzeitige Behandlung nötig. Unter den Millionen von Menschen, die Jahr für Jahr geimpft werden, sind aber auch immer wieder solche, bei denen die Spritze schwerwiegende chronische Erkrankungen nach sich zieht. Dann spricht man auch von Impfschäden.

"Wohl zu den bekanntesten zählt das Guillain-Barré-Syndrom, eine Entzündung der Nerven, die zu Lähmungen und Muskelschwäche führen kann", erklärt Martin Hirte vom Verein Ärzte für individuelle Impfentscheidung in Herdecke (Nordrhein-Westfalen). Ursprünglich sei dieses Syndrom eine mögliche Folgeerscheinung bestimmter Infektionskrankheiten gewesen. Aber es sei auch schon nach verschiedenen Impfungen aufgetreten, darunter jenen gegen Grippe und Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Als weiteres Beispiel nennt der Arzt Fälle von Impf-Enzephalitis, also Gehirnschäden, die zum Beispiel nach Keuchhustenimpfungen beschrieben wurden.

Meldepflicht für Impfkomplikationen

"Impfkomplikations-Verdachtsfälle" sind laut Infektionsschutzgesetz durch den Arzt ans Gesundheitsamt zu melden und werden vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und dem Robert Koch-Institut (RKI) eingehend untersucht. Das ist wichtig für die Arzneimittelsicherheit, denn so können Risikosignale erkannt und gegebenenfalls Maßnahmen ergriffen werden: Je nach Ausmaß und Schwere der erkannten Nebenwirkung kann das ein Hinweis auf der Packungsbeilage oder eine Indikationseinschränkung sein. Aber auch der Widerruf der Zulassung des Impfstoffs ist möglich.

Inszwischen können Patienten auch selbst Nebenwirkungen melden, die sie nach einer Impfung feststellen. Dazu hat das PEI und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (Bfarm) ein Meldeprotal im Internet erstellt. Dort kann man ein Meldeformular online ausfüllen.

Betroffene haben Anspruch auf Versorgungsleistungen

Insofern hat die Verdachtsmeldung eine vorbeugende Funktion für künftige Patienten. Doch auch für den unmittelbar Betroffenen ist sie wichtig: Folgt die Komplikation auf eine STIKO-empfohlene Schutzimpfung wie die Dreifachspritze gegen Masern, Mumps und Röteln, hat er Anspruch auf staatliche Versorgungsleistungen. "Das gilt schon, wenn der ursächliche Zusammenhang von Impfung und Erkrankung lediglich wahrscheinlich ist", sagt PEI-Pressesprecherin Susanne Stöcker. Das PEI als Bundesamt für Impfstoffe hat die Aufgabe, alle Verdachtsmeldungen zu bewerten: Dabei wird unter anderem geprüft, ob die Symptome bereits als Nebenwirkung oder Impfkomplikation bekannt sind und ob die unerwünschte Reaktion wissenschaftlich erklärbar ist.

Zudem gilt es, andere potenzielle Ursachen, etwa die Veranlagung für eine Erkrankung oder einen Infekt, der selbige nach sich ziehen kann, auszuschließen. "Das ist oft echte Detektivarbeit", erklärt Stöcker. Besonders schwierig werde es, wenn zwischen Impfung und Erkrankung längere Zeit vergangen ist. "Da ist es oft nicht mehr möglich, alle Daten zu erhalten, die nötig sind, um zu bewerten, ob ein ursächlicher Zusammenhang vorliegt."

Zusammenhänge bleiben oft verborgen

Wohl auch deshalb stehen viele Impf-Spätfolgen nach wie vor in der Diskussion, obwohl sie in verschiedenen Studien als wahrscheinlich erkannt wurden, wie Hirte berichtet. Das gilt etwa für Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose – das Risiko, daran zu erkranken, soll durch eine Hepatitis-B-Impfung dreimal wahrscheinlicher sein als ohne. Zur Klärung der fraglichen Fälle wünscht sich der Arzt mehr Langzeitstudien und eine höhere "Impfschaden-Meldefreudigkeit" in der Ärzteschaft: "Derzeit würde ich die Quote auf zehn Prozent schätzen – viel zu wenig, um ein repräsentatives Bild entstehen zu lassen." So blieben etwaige ursächliche Zusammenhänge verborgen. Dass sie bestehen könnten, schließen auch STIKO und PEI nicht aus. "Es gibt bisher aber keinen eindeutigen Beleg, weder dafür noch dagegen", betont Leidel. Er rät dringend davon ab, eine Impfentscheidung von Eventualitäten abhängig zu machen – um der eigenen, aber auch um der Gesundheit der anderen Willen.

Nutzen und Risiken einer Impfung abwägen

Auch Hirte spricht sich nicht generell gegen das Impfen aus - wohl aber für eine individuelle, bewusste Impfentscheidung. Bevor man sie fällt, sollte man sich nicht nur über den Nutzen klar sein, sondern auch über die Risiken. "Und man sollte genau reflektieren, ob eine Impfung wirklich notwendig ist – die Hepatitis-B-Impfung eines Säuglings mit gesunden Eltern ist es zum Beispiel nicht."

Verdacht auf Impfkomplikationen melden

Wer den Verdacht hat, eine Impfkomplikation entwickelt zu haben, sollte umgehend einen Arzt aufsuchen. Fälle von Impfkomplikationen können aber auch direkt an das örtliche Gesundheitsamt oder das Paul-Ehrlich-Institut (Tel.06103/770, E-Mail: pei@pei.de, Online-Formular http://dpaq.de/K0Hw4) gemeldet werden.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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