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INPP: Zweite Chance für die Entwicklung bei ADHS


ADHS-Therapie
INPP ist eine zweite Chance für die Entwicklung

t-online, Maria Held

Aktualisiert am 27.12.2016Lesedauer: 4 Min.
Die Lerntherapie INPP setzt an den Wurzeln von Lernschwierigkeiten und Verhaltensproblemen an.Vergrößern des Bildes
Die Lerntherapie INPP setzt an den Wurzeln von Lernschwierigkeiten und Verhaltensproblemen an. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Herumzappeln, Konzentrationsschwäche, Aggressionen, Ungeschicklichkeit bei Kindern – das bringt Lehrer, Erzieher und Eltern zur Verzweiflung. Schnell wird ADHS diagnostiziert. Doch die Ursachen sind damit nicht erkannt. Die Lerntherapie INPP setzt nicht an den Symptomen, sondern an den Wurzeln an. Hier geht es um vorgeburtliche Erfahrungen, um das Ausreifen von Reflexen. INPP verspricht keine Wunder, aber Eltern und Therapeuten berichten von enormen und raschen Erfolgen.

INPP steht für Institute for Neurophysiological Psychology. An diesem Institut in England wurde in den 1970er Jahren die Therapie entwickelt und dort wird sie bis heute immer weiter verfeinert. Das Programm mit Bewegungsübungen bietet eine zweite Chance, nicht durchlaufene Schritte im regulären Entwicklungsprogramm nachzuholen und so Blockaden zu lösen, erklären seine Vertreter. Das gibt Kindern die Basis, ihr Potential voll auszuschöpfen.

Entwicklungsförderung mit INPP

Langsam, ganz langsam dreht sich der Bürostuhl, nur wenige Zentimeter, erst nach rechts, dann nach links, Jan kreischt fast panisch, dann gluckst er, er kann es kaum aushalten. Die Hände vor der Brust verschränkt, die Augen geschlossen, die Beine hochgezogen und überkreuzt: Wie ein Embryo, aber er ist der "Astronaut“. So heißt die Übung, die der Zehnjährige seit vier Wochen jeden Abend mit seiner Mutter durchführt. Fast so selbstverständlich wie Zähneputzen ist ihnen das gemeinsame abendliche Ritual geworden.

Seine Mutter stoppt den Stuhl, es wird wieder still im Zimmer, der Astronaut ist gelandet. Dank der Bewegungsübung der INPP-Therapie bemerkt Andrea eine Veränderung an ihrem Sohn, auch die Rückmeldung der Lehrer ist positiv. Jan kann der Lehrerin in die Augen schauen, das ist neu. Jan sitzt jetzt auch mal länger als fünf Minuten am Tisch, ohne aufzuspringen, sich auf den Boden zu legen oder die Beine auf den Stuhl hochzuziehen.

Manche Reflexe müssen verschwinden

Hinter der Therapie steht die Grunderkenntnis, dass einige frühkindliche oder vorgeburtliche Reflexe, die für Babys zum Überleben notwendig sind, in einer späteren Phase verschwinden müssen, damit sich eine normale Entwicklung vollziehen kann. Zum Beispiel der Moro-Reflex: Er hilft Neugeborenen, den ersten Atemzug außerhalb des Mutterleibes zu tun. Bleibt er bestehen, wird der Betroffene extrem schreckhaft.

In den ersten Monaten nach der Geburt übernimmt das Gehirn immer mehr das Kommando und macht einige Reflexe überflüssig, einige bestehen weiter, neue werden erlernt. Läuft dies bei einem Kind nicht wie vorgesehen ab, treten Beeinträchtigungen in Motorik, Koordination, Wahrnehmung, in der Haltung oder in den emotionalen, sozialen und kommunikativen Kompetenzen auf. Ursachen für diese Störungen in der Reizverarbeitung können schwierige Schwangerschafts- oder Geburtsverläufe oder postnatale Traumata sein.

Diesen Kindern kann INPP helfen

Die Therapie eignet sich vor allem für Kinder, bei denen folgende Diagnosen gestellt wurden:

  • AD(H)S
  • Dyslexie, Dyskalkulie oder ähnliche Störungen
  • Wahrnehmungsstörungen
  • Koordinations- und Gleichgewichtsstörungen
  • Ängste, Panikstörungen oder emotionale Anpassungsprobleme
  • Asperger-Syndrom

Für Eltern leichter zu beurteilen sind diese Symptome:

  • Schwierigkeiten, Fahrrad zu fahren oder Schwimmen zu lernen
  • Unfähigkeit, still zu sitzen oder leise zu bleiben über das zwölfte Lebensjahr hinaus
  • Probleme beim Schreibenlernen, besonders Schreibschrift
  • motorische Schwierigkeiten: wenn Purzelbaum, Handstand oder Schubkarre nie gelingen wollen
  • aggressives Verhalten
  • schlechte Auge-Hand-Koordination, die sich besonders bei Ballspielen oder beim Malen zeigt
  • Probleme in der Sprache und Artikulation
  • Schul- und Versagensängste

Erfolge der Therapie

"Zu mir kommen Eltern, die völlig frustriert sind, weil sie für ihr Kind die Diagnose ADS und Leserechtschreibschwäche (LSR) und Wahrnehmungsstörungen erhalten haben“, erzählt die Nürnberger Therapeutin Christiane Ramm, die in ihrer Praxis neben Logopädie auch INPP-Therapien anbietet. "Diese Diagnosen sind richtig, aber wir müssen die Ursachen finden.“ Und das tue INPP.

Das sind die Effekte

"INPP ist eine Therapie für Kinder, die ganz tief in ihrer Basis ein Problem haben.“ Die Astronauten-Übung beispielsweise integriert alle Sinnessysteme. Es sollte während der Übung ganz still sein, die Augen sind geschlossen, das bedeutet die Sinnesorgane Ohren und Augen sind abgeschaltet, der Körper konzentriert sich auf das Gleichgewicht. Ziel ist, das gesamte System der Sinne in Einklang zu bringen. Christiane Ramm ist begeistert von den schnellen, nachhaltigen Erfolgen. "Mit dieser Therapie bleibt Kindern so viel Stress und Frustration erspart.“

Die gesamte Familie profitiert von den Fortschritten. Eltern berichten, dass Kinder allein ihre Hausaufgaben machen, sie schlafen durch, bewegen sich koordiniert oder haben keine Albträume mehr. Vor allem sind sie ausgeglichener, konzentrierter und fröhlicher. "Es geht nicht darum, das Kind perfekt zu machen, sondern es zu stärken“, betont Ramm, "INPP ist nicht leistungsorientiert, und der Zeitaufwand ist überschaubar.“ Kritiker monieren, der Therapie-Ansatz sei nicht ausreichend wissenschaftlich fundiert.

Die optimale Therapiephase

Der optimale Start für die Therapie sei bei Schuleintritt. Die meisten kleinen Patienten kommen im Laufe des dritten oder vierten Schuljahres, hat Ramm beobachtet, wenn es um die Wahl der weiterführenden Schule geht. Ideal sei die Phase zwischen sechs und zehn Jahren.

Problematisch könne die Pubertät sein, denn dann ist der Körper mit vielen anderen Reaktionen gefordert, doch ein "zu spät“ gibt es nicht, auch Erwachsene können die Therapie durchlaufen. Wichtig ist, dass das Umfeld auf Reaktionen vorbereitet ist, dass Kinder beispielsweise vorübergehend wieder in die Trotzphase verfallen.

Ablauf der Therapie

In einem ersten Anamnese-Gespräch mit den Eltern werden die Defizite und Blockaden aufgespürt. Darauf baut das Übungsprogramm auf, die Eltern werden intensiv mit den täglichen Übungen vertraut gemacht. Nach sechs bis acht Wochen werden die Erfolge überprüft, die Übungen dem jeweiligen Stand angepasst. Das gesamte Programm erstreckt sich über etwa 1,5 Jahre. Die INPP-Therapie ist keine Kassenleistung, die Kosten werden aber in Ausnahmefällen übernommen.

In Deutschland ist die Therapie kaum bekannt, doch Ramm ist sich sicher: "Bei keiner anderen Therapie erzielen wir solche Effekte. Der Nutzen ist so viel größer als der Aufwand.“ Und das Schöne: "Diese Therapie ist nicht leistungsorientiert, aber wenn ein Kind dann doch gute Noten bekommt, ist das wunderschön.“

Das INPP-Institut Deutschland stellt unter www.inpp.de/fragebogen.php einen Fragebogen zur Verfügung, der Eltern eine erste Orientierung geben kann, ob ihrem Kind diese Therapie helfen könnte.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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