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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Tatort: Der treue Roy Kann man nach einem Kopfschuss einfach wieder aufstehen?
Die skurrile Handlung im Tatort "Der treue Roy" sorgte für Diskussionen. Gleich zwei Kopfschüsse überlebte der tatverdächtige Stahlarbeiter Roy (Florian Lukas). Eine Kugel jagt ihm seine Schwester mit einem Jagdgewehr durch eine Autoscheibe in den Hinterkopf. Die andere schießt er sich selbst mit einer Pistole aus kurzer Distanz durch die die Schläfe - und lebt immer noch.
Doch kann ein Mensch wirklich so viel Glück haben? "Ein Kopfschuss ist meist eine lebensgefährliche Verletzung, die häufig tödlich endet. Aus meiner Praxis kenne ich aber auch etliche Fälle, die einen solchen überlebt haben und normal weiterleben konnten", sagt Peter Madjurov, vom Bundeswehrkrankenhaus in Berlin. Seit vielen Jahren behandelt der Neurochirurg Kriegsverletzte und Opfer von Schießereien.
Schuss durch die Schläfe muss nicht tödlich enden
"Vielen von ihnen konnten wir die Kugel aus dem Kopf herausoperieren, bei anderen haben wir entschieden, die Kugel drin zu lassen, weil das Risiko eines Eingriffs zu groß gewesen wäre", sagt Madjurov. Dass der "Tatort"-Held Roy die beiden Schüsse überleben konnte, sei nicht unmöglich.
"Selbst bei Schüssen aus naher Distanz, wenn die Pistole direkt an die Schläfe gesetzt wird, ist das möglich." Schwieriger dagegen sei es, wenn sich jemand mit der Pistole in den Mund schieße. "Das endet in der Regel tödlich", so der Neurochirug.
Wie die Überlebenschancen bei einem Kopfschuss sind, hängt vor allem davon ab, wo und in welchem Winkel die Kugel in den Kopf eintritt. "Dabei ist es nicht so wichtig, um welche Waffe genau es sich handelt", sagt Madjurov. Man könne jedoch sagen, dass kleinkalibrige Waffen in der Regel die größeren Schäden anrichteten.
Überlebenschancen hängen von Fluglinie und Winkel ab
Vom Einschusswinkel hängt auch ab, welchen Weg sich die Kugel durch den Kopf bahnt. Dabei gibt es ungünstige und günstige Konstellationen. Zwischen den zwei Großhirnhälften und dem Kleinhirn gibt es beispielsweise eine anatomische Trennung mit schmalen Lücken.
Wenn die Schusslinie genau da durchgeht, kann es sein, dass das Projektil auf dem Weg durch den Kopf tatsächlich keine wichtigen Areale zerstört. Das kann sowohl bei einem Frontalschuss als auch bei einem Schuss in den Hinterkopf passieren.
Auch bei Schüssen durch das sogenannte Frontalhirn können Menschen überleben - allerdings meist mit erheblichen Folgeschäden: In der Regel haben Patienten dann Störungen im Gefühlsbereich. Das kann sich in in vielerlei Hinsicht äußern, zum Beispiel in gesteigerter Aggressivität, mangelnder Belastbarkeit bei Stress oder extrem introvertiertem Verhalten. Andere typische Folgeschäden sind laut Madjurov das Erblinden sowie Sprach- und motorische Störungen.
Bewusstlosigkeit ist kein "Muss"
Dass ein Mensch wie im Fall des "Tatort"-Helden Roy kurz nach einem Kopfschuss wieder auf den Beinen ist, ist nach Einschätzung von Madjurov zwar unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. "Eine Phase der Bewusstlosigkeit ist zwar wahrscheinlich, aber nicht zwingend notwendig", so der Experte. Somit sind die Szenarien, die der "Tatort" präsentiert, trotz aller Skurrilität nicht ausgeschlossen.
Attentat von Tucson: US Politikerin wird nach Kopfschuss gerettet
Dass Menschen im Zuge von Attentaten und Schießereien Kopfschüsse überleben, kommt tatsächlich immer wieder vor - beispielsweise beim Tucson-Amoklauf im Jahr 2011. Damals waren Schüsse auf die US-Politikerin Gabrielle Giffords abgefeuert worden, die sie aus kurzer Distanz am Hinterkopf trafen.
Giffords hatte Glück: Das Projektil hatte eine geringe Mündungsgeschwindigkeit und durchschlug keine zentralen Gehirnregionen. Es konnte herausoperiert werden. Allerdings dauerte die Genesung der Politikerin mehrere Jahre und noch heute leidet sie unter motorischen Schwierigkeiten.
35-Jähriger hat riesiges Glück
Auch ohne Operation ist es möglich, mit einer Pistolenkugel im Gehirn weiterzuleben. Das zeigt der Fall eines 35-jährigen Mannes aus Herne, der 2010 die Polizei beschäftigte. Der Mann hatte Jahre zuvor in einer Silvesternacht in angetrunkenem Zustand einen Schlag am Hinterkopf verspürt, dem aber keine Bedeutung beigemessen. Später entpuppte sich dieser als Kopfschuss.
Der Irrtum fiel nur zufällig auf, weil der Mann Jahre später in ein Krankenhaus fuhr, um eine Geschwulst am Kopf untersuchen zu lassen. Während der OP fanden die Ärzte ein Projektil vom Kaliber 22, wie es in Pistolen oder Gewehren in Schützenvereinen verwendet wird.
Der Mann hatte unfassbares Glück. Die Kugel war nicht in seinen Kopf eingedrungen, sondern hatte sich zwischen Kopfhaut und Schädel festgesetzt. Jahre später rief sie dann eine Entzündung hervor, so dass die Geschwulst wuchs und sich der Mann in ärztliche Behandlung begab.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.