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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Ausbau der Erneuerbaren Die Tage der EEG-Umlage sind gezählt
Die Ökostromumlage soll 2022 drastisch sinken. Für Verbraucher heißt das aber nicht, dass ihr Strom günstiger wird. Das wäre der Fall, wenn die EEG-Umlage ganz abgeschafft wird.
Das Ende seiner Karriere rückt näher: Steht die neue Ampelkoalition wie geplant vor Weihnachten, dürfte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier noch in diesem Jahr von der politischen Bildfläche verschwinden.
Umso mehr schien er seinen Auftritt vor Journalisten am Freitag zu genießen – hatte er doch bei der Pressekonferenz zur EEG-Umlage eine frohe Botschaft im Gepäck. "Ich habe heute gute Nachrichten für Verbraucher und den Mittelstand", sagte er und verkündete dann, was schon am Vortag von den Stromnetzbetreibern durchgesickert war: Die Ökostromumlage sinkt deutlich, um knapp drei Cent auf 3,723 Cent pro verbrauchter Kilowattstunde.
Die seit dem Jahr 2000 erhobene Abgabe finanziert den Ausbau der erneuerbaren Energien und macht einen großen Teil des Strompreises aus. Auf den ersten Blick könnte man also meinen, dass die Deutschen künftig tatsächlich weniger zahlen müssen für ihren Strom.
Doch ist das wirklich so? Nicht unbedingt.
EEG-Umlage stieg deutlich an
Um das zu begreifen, muss man die Funktionsweise der EEG-Umlage verstehen. Hintergrund der Umlage ist die Verpflichtung der Übertragungsnetzbetreiber, den immer mehr produzierten Ökostrom abzunehmen – und zwar zu weitgehend fixen Preisen.
Den so von beispielsweise Windenergie-Firmen erworbenen Strom verkaufen die Netzbetreiber dann an der Strombörse. Dabei entsteht für die Netzbetreiber je nach Stromverbrauch und Börsenpreis eine Differenz, die die EEG-Umlage, gezahlt von den Verbrauchern und Unternehmen, ausgleichen soll.
Die EEG-Umlage stieg dabei im Laufe der Zeit deutlich an, 2020 musste erstmals der Bund gegensteuern: Wegen der Corona-Krise brachen die Börsenstrompreise ein, das sogenannte EEG-Konto, das für die Berechnung der Umlage entscheidend ist, war fast leer. Um einen drastischen Anstieg auf knapp 10 Cent zu verhindern, überwies der Bund rund 10 Milliarden Euro auf das EEG-Konto.
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Dieses Jahr sieht es genau andersherum aus: Durch die stark gestiegenen Strompreise kann die EEG-Umlage nächstes Jahr sinken. Trotzdem überweist der Bund abermals 3,25 Milliarden Euro, die laut Altmaier aus der CO2-Bepreisung stammen.
Wird die sinkende EEG-Umlage wirklich entlasten?
Nach Berechnungen des Vergleichsportals Verivox könnte ein Dreipersonenhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 4.000 Kilowattstunden um rund 132 Euro entlastet werden. Theoretisch. Ob das in der Praxis passiert, ob die Absenkung wirklich bei den Kunden ankommt, ist noch offen.
Schlimmer noch: Trotz Bundeszuschuss könnte es sein, dass Verbraucher künftig mehr zahlen müssen für ihren Strom. Denn die höheren Börsenpreise schlagen sich auch im Strompreis nieder, den eigentlichen Beschaffungskosten der Stromanbieter.
Experte: EEG-Umlage ist "Bürokratiemonster"
Hinzu kommt: Die Netzentgelte, also das Geld, das die Netzbetreiber von den Stromanbietern erhalten, dürften nächstes Jahr steigen. Zudem müssen die Stromanbieter die gesunkene EEG-Umlage nicht zwangsläufig an Verbraucher weitergeben.
Altmaier appellierte deshalb am Freitag an RWE, Vattenfall, Eon und Co., "die Entlastung muss weitergegeben werden". Das sei "essenziell für das Vertrauen in das Gelingen der Energiewende", so der scheidende Wirtschaftsminister.
Auch Thorsten Lenck von der Denkfabrik Agora Energiewende sieht das Problem. Er rechnet zumindest damit, dass durch die stark sinkende EEG-Umlage die Strompreise für Haushalte im nächsten Jahr weitgehend stabil bleiben.
Um die Haushalte jedoch nachhaltig zu entlasten, ist sein Vorschlag, die Umlage ab 2023 ganz abzuschaffen. Die neue Koalition habe "jetzt die einmalige Chance, das Ende der EEG-Umlage zu beschließen. Das wäre ein Befreiungsschlag bei den Stromkosten für Haushalte und Unternehmen."
Denn die Abschaffung der EEG-Umlage sorge nicht nur für sinkende Stromkosten. "Damit würde für viele Firmen der über die Jahre immer weiter gewachsene Bürokratieaufwand entfallen."
Altmaier will EEG-Umlage schnellstmöglich abschaffen
Auch Altmaier will das erreichen – als Datum für die Abschaffung bringt er ebenfalls den 1. Januar 2023 ins Spiel. "Wir müssen die EEG-Umlage so schnell wie möglich komplett abschaffen, um gerade in der aktuellen Lage zu Entlastungen zu kommen", sagte er mit Blick auf die hohen Energiepreise.
Allein: Wie soll die Abschaffung finanziert werden? Denn subventioniert werden sollen erneuerbare Energien, wo nötig, trotzdem weiter.
Altmaier hielt sich dazu bedeckt. Man müsse "Verständnis" haben, aber er wolle den Koalitionären nicht vorschreiben, wie sie das konkret im Haushalt einrichten sollten, sie hätten sicherlich bereits Ideen dafür.
Ende der EEG-Umlage ist nahe
Lenck von der Agora Energiewende hält die Abschaffung der EEG-Umlage für möglich, wenn der CO2-Preis deutlich steigt: "Die neue Bundesregierung sollte den CO2-Preis bei Wärme und Verkehr ab 2023 von 35 auf 60 Euro pro Tonne anheben."
Unabhängig von der genauen Finanzierung gilt: Die Tage der EEG-Umlage sind gezählt. Denn nicht nur Altmaier spricht sich für ihre Abschaffung aus. Auch die Ampel-Parteien FDP, SPD und Grüne schreiben dies in ihrem Sondierungspapier für die Koalitionsverhandlungen fest. Womöglich nimmt also schon bald nicht nur Altmaier seinen Hut, sondern auch die Ökostromabgabe.
- Eigene Recherche
- Pressekonferenz mit Peter Altmaier im Bundeswirtschaftsministerium
- Gespräch mit Thorsten Lenck
- Wirtschaftswoche: "Die Kosten belasten die Menschen immer stärker"
- Mit Material der Nachrichtenagentur AFP