Neue Strategie Volkswagen will Marktführer beim autonomen Fahren werden
Volkswagen hat große Zukunftspläne: Die Wolfsburger denken schon an die nächste Transformation nach der E-Mobilität. VW-Chef Diess ist überzeugt: Autonomes Fahren wird "das nächste große Ding"
Der größte Hersteller Europas bündelt seine Pläne für den Hochlauf des autonomen Fahrens auf separaten Technologie-Plattformen – so wie man das bisher mit der Antriebstechnik machte.
Die verschiedenen Dienstleistungen, die um eigene Fahrzeug-Software angeordnet sind, sollen in den nächsten Jahren konzernweit vereinheitlicht werden. Nach dem Ausbau der E-Mobilität, die nun mit üppiger staatlicher Förderung stärker bei den Verbrauchern ankommt, soll es das nächste "große Ding" werden, mit dem sich die Branche neu erfinden will.
Auch mit dieser Vereinheitlichung der Technik will Volkswagen seine bisherigen Margenziele bis zur Mitte des Jahrzehnts übertreffen. Nun strebt das Management um VW -Chef Herbert Diess und Finanzchef Arno Antlitz 2025 mittelfristig als operative Zielrendite vor Zinsen und Steuern 8 bis 9 Prozent an statt 7 bis 8 Prozent.
Autonomes Fahren mache den Verkehr sicherer
Die VW-Vorzugsaktie konnte das am Dienstag nicht beflügeln, in einem eher schwachen Branchenumfeld verlor sie am Nachmittag knapp 2 Prozent – hatte in den vergangenen Tagen aber auch spürbar zugelegt.
Diess sieht in der künftigen, neuen Autowelt beträchtliches Potenzial. "Die Mobilität 2030 wird autonom sein, digital, smart, nachhaltig und sicher", sagte er am Dienstag zur Vorstellung der neuen Strategie.
Das Konzept trägt seine Handschrift – und dürfte mit ein Grund dafür sein, dass er gerade einen Anschlussvertrag bis zum Herbst 2025 bekam. "Der Verkehr wird viel sicherer, Autos werden miteinander kommunizieren."
Ziel: Das weltweit größte Netz an autonomen Fahrzeuge
Bisher muteten solche Vorstellungen noch etwas wolkig an. Sie werden jetzt zusehends mit Projekten unterlegt. So testet VW autonome Busse in München – weitere Vorhaben in Deutschland, den USA und China folgen. Zur Fußball-WM Ende 2022 in Katar sollen autonome E-Busse im Land des Großaktionärs vom Persischen Golf unterwegs sein.
Generell werden "selbstfahrende Systeme", ihre Integration ins Auto, die Steuerung ganzer Flotten und der Aufbau von Mobilitätsplattformen ein Kernthema – letztere auch im Wechselspiel mit Sharing-Angeboten und dem öffentlichen Nahverkehr. Das Langfrist-Ziel lässt aufhorchen: das "weltweit größte neuronale Netz von Fahrzeugen auf den Straßen".
Auch in anderen Unternehmensbereichen erhöht Volkswagen-Chef Herbert Diess das Tempo beim Umbau des Autokonzerns zu einem softwaregetriebenen Technologieunternehmen. Bis 2030 wolle Volkswagen den CO2-Fußabdruck pro Auto über den gesamten Lebenszyklus um ein Drittel senken.
Verbrenner sollen E-Mobilität finanzieren
Das heutige robuste und margenstarke Geschäft mit Verbrennungsmotoren solle die Umstellung auf E-Mobilität finanzieren und beschleunigen. Gleichzeitig sollen die Margen von E-Autos durch niedrigere Batterie- und Produktionskosten sowie steigende Stückzahlen verbessert werden. In zwei bis drei Jahren sollten sich die Margen der beiden Technologien in etwa angeglichen haben, schätzt der Autokonzern.
VW will viel zusätzliches Geld in ein neues Entwicklungszentrum an seinem Stammsitz stecken. Für den "Campus Sandkamp" in Wolfsburg könnten rund 800 Millionen Euro veranschlagt werden, hieß es in einem Schreiben an die Belegschaft.
Batteriezellfabrik mit chinesischem Partner geplant
Volkswagen kündigte außerdem an, seine in Salzgitter geplante Batteriezellfabrik zusammen mit dem chinesischen Partner Gotion High-Tech zu bauen. Dort soll 2025 die Produktion der Einheitszelle für das Volumensegment starten, von der sich Europas größter Autobauer deutliche Kostensenkungen verspricht.
In Schweden plant Volkswagen zusammen mit den Batteriezellspezialisten Northvolt bereits die Produktion von Premiumzellen. Als Standort für eine dritte große Batteriezellfabrik komme Spanien in Frage, bestätigte VW nun. Dort prüfe der Konzern zusammen mit einem strategischen Partner die Option für den Aufbau einer Giga-Fabrik mit einer Jahreskapazität von ebenfalls 40 Gigawattstunden.
Strategiewechsel bringt personelle Veränderungen mit sich
Für den Betriebsrat, der zuletzt häufiger mit Diess aneinandergeraten war, bedeuten die Eckpunkte dieser Technikstrategie auch mehr Verbindlichkeit in der Steuerung personeller Umwälzungen. Der Wandel zu alternativen Antrieben und immer mehr Vernetzung bringt ganz neue Anforderungen an die Beschäftigten mit sich – etliche Jobs aus der Zeit des klassischen Autobaus dürften dagegen absehbar verschwinden.
Es gebe jetzt einen "klaren Fahrplan für die anstehenden Veränderungen", erklärte Betriebsratschefin Daniela Cavallo Ende voriger Woche zusammen mit Diess und Personalvorstand Gunnar Kilian. Vorgesehen ist zudem ein Modernisierungsfonds, aus dem binnen fünf Jahren 125 Millionen Euro in die Standorte der VW AG fließen sollen. Allgemeines Ziel: die eigene Attraktivität als Arbeitgeber steigern.
Die Kernmarke Volkswagen Pkw hatte bereits im Frühjahr eine neue Unternehmensstrategie vorgelegt. Sie heißt "Accelerate" und umfasst einen rascheren Hochlauf weiterer E-Modelle zur CO2-Minderung, die Einführung von Abo-Diensten und Vorbereitungen fürs autonome Fahren.
Im zurückliegenden ersten Halbjahr 2021 konnte sich der Gesamtkonzern vom Corona-Einbruch Mitte 2020 weiter erholen. Auf Basis vorläufiger Zahlen lag das Betriebsergebnis schon bei rund 11 Milliarden Euro.
- Nachrichtenagentur dpa-AFX und Reuters