Bevölkerung schrumpft Weltweit niedrigste Geburtenrate wird für Deutschland zum Problem
Bei Geburtenrate und Kinderwunsch gehörte Deutschland im internationalen Vergleich schon lange zu den Schlusslichtern. Nun sind wir sogar auf den letzten Platz weltweit abgerutscht. Die niedrigste Geburtenrate führt zu wirtschaftlichen Problemen für Deutschland.
Einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO und des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) zufolge wurden in den vergangenen fünf Jahren im Durchschnitt 8,2 Kinder je 1000 Einwohner geboren. Das liegt unter dem Niveau des bisherigen Schlusslichts Japan von 8,4 Kindern je 1000 Einwohner. Unter den EU-Ländern schneiden nur Portugal (9,0) und Italien (9,3) ähnlich schlecht ab.
Zustrom an Arbeitsmigranten reicht nicht aus
Die anderen großen EU-Länder haben dagegen deutlich höhere Geburtenraten: Frankreich und Großbritannien kommen im gleichen Zeitraum auf durchschnittlich 12,7 Geburten je 1000 Einwohner. Die höchsten Geburtenraten weisen die afrikanischen Länder auf, allen voran Niger mit 50 Geburten je 1000 Einwohner.
Laut Datenreport der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung (DSW) ist der Durchschnitts-Deutsche derzeit über 46 Jahre alt. Zugleich sind 21 Prozent der Bevölkerung, also mehr als jeder Fünfte, älter als 64 Jahre und nur 13 Prozent jünger als 15 Jahre. Die Deutschen werden tendenziell immer älter und die Geburtenrate sinkt - das bedeutet: Deutschlands Bevölkerung schrumpft.
Aus der Entwicklung hierzulande ergeben sich nach Ansicht von HWWI-Direktor Prof. Henning Vöpel erhebliche Nachteile und Konsequenzen für die Attraktivität und Leistungsfähigkeit Deutschlands als Wirtschaftsstandort. Die Altersgruppe der Erwerbsfähigen von 20 bis 65 Jahren werde von aktuell 61 Prozent bis 2030 auf 54 Prozent schrumpfen. "In keinem anderen Industrieland verschlechtert sich dieser Trend trotz des Zustroms an jungen Arbeitsimmigranten so stark wie in Deutschland", sagte Vöpel.
Folgen für die Wirtschaft
Als unmittelbare Folge drohten in Deutschland höhere Lohnnebenkosten, mittelbar Mangel an Fachkräften. "Ohne starke Arbeitsmärkte als zentralen Standortfaktor kann Deutschland seinen wirtschaftlichen Vorsprung auf Dauer nicht aufrechterhalten", sagte BDO-Vorstand Arno Probst. "Die Zuwanderung junger Fachkräfte erscheint vor diesem Hintergrund als unverzichtbares Stabilisierungsinstrument." Auch die Erwerbsarbeit der Frauen müsse verstärkt gefördert werden, um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu sichern.
Manche Wissenschaftler sagen zudem, dass eine alternde Bevölkerung deflationär wirkt. Es sei nicht auszuschließen, dass die aktuelle deflationäre beziehungsweise disinflationäre Entwicklung in der Welt auch damit etwas zu tun habe, schrieb Yves Longchamp vom Schweizer Fondsanbieter Ethenea kürzlich in einem Kommentar. Die demografische Entwicklung fördere Tendenzen zu fallenden Preisen.
Auswirkungen auf das Preisniveau
Insgesamt muss die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter einen größeren Teil ihres Arbeitseinkommens für den Ruhestand zurücklegen, was weniger Mittel für den momentanen Konsum übrig lässt. Da immer mehr ältere Menschen von den Sozialsystemen unterstützt werden müssen, steigen außerdem die Steuern, was das aktuelle Budget für Konsum noch weiter kürzt.
Der Ausblick auf ein Leben in einer alternden Gesellschaft ändert das Konsum- und Sparverhalten in den verschiedenen Lebensphasen. Gemeint sei das sogenannte Lebenszyklus-Konsum-Modell, das verschiedene Aspekte beinhaltet, durch die sich die Alterung auf das Preisniveau auswirkt.
So ist die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter ausschlaggebend für das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und die Gesamtnachfrage, schreibt Longchamp weiter. Geht die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter zurück, schrumpft auch das BIP. Das setzt die Gesamtnachfrage unter Druck, woraus Druck auf die Preise resultiert.
Rückläufige Preise sind gut für emsige Sparer
Außerdem wird wohl ein zunehmender Anteil der älteren Bevölkerung verstärkt von seinen gesparten Rücklagen über die Auflösung von Geldanlagen oder den Verkauf von Vermögenswerten leben. Da die Anzahl der Verkäufer steigt, dürften infolgedessen die Preise für Vermögenswerte zurückgehen. Dadurch wird wiederum das Gesamtvermögen der Sparer und somit deren Konsum gemindert.
Das Fazit des Experten: "Die demografische Entwicklung verheißt nichts Gutes für die Inflationsziele der Zentralbanken. Ein Blick auf Japan mit einer ähnlich stark überalternden Gesellschaft vermittelt keinen ermutigenden Inflationsausblick. Dass Deflation für alternde Konsumenten, die für ihren Ruhestand gespart haben, positiv ist, ist hingegen als gut zu bewerten. Für diejenigen mit Schulden ist sie unterdessen desaströs", so Longchamp. Er empfiehlt, frühzeitig mit dem Sparen anzufangen - und Geldgeschenke für Geburten. Singapur etwa bietet für jedes der ersten beiden Kinder einen Bonus von bis zu 3250 US-Dollar (fast 3000 Euro), der dann für jedes dritte und vierte Kind auf beinahe 5000 Dollar ansteigt.
Die Wirtschaftsredaktion von t-online.de fragt sich: Muss unser Kindergeld vielleicht anders ausgezahlt werden? Mit einem satten Bonus zur Geburt des Kindes?