Bewertungsreserven Baufinanzierung über Lebensversicherung – hier lauert der Haken
Lange Zeit war es eine attraktive Option: die Kopplung des Darlehens eines Eigenheims mit einer Lebensversicherung. Doch nach dem Absenken des Garantiezins bringt ein BGH-Urteil neue
Das eigene Haus über eine Lebensversicherung zu finanzieren, war lange ein gern gewähltes Modell. Inzwischen ist es für die meisten aber uninteressant. Denn seit mehr als zehn Jahren sind Auszahlungen dieser Policen nicht mehr steuerfrei. Das macht sie vergleichsweise unrentabel – erst recht in der aktuellen Niedrigzinsphase. Ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) wirft ein Schlaglicht auf die Probleme, denen Bauherren bei dieser Finanzierungsvariante begegnen können.
Das Modell und das Problem mit der Rendite
"Bei dieser Art der Baufinanzierung wird während der Laufzeit das Baudarlehen nicht getilgt, sondern es werden nur Zinsen bezahlt", erklärt Anke Behn von der Verbraucherzentrale Bremen. "Nebenbei zahlt man in eine Kapitallebensversicherung ein, die dann bei Auszahlung das Darlehen auf einen Schlag ablöst."
Das Problem: Wie hoch die Auszahlung der Lebensversicherung am Ende ausfallen wird, das sind Schätzungen. Sie hängen mit der Markt- und Zinsentwicklung zusammen, weil die Lebensversicherungen das Geld am Markt anlegen. Entsprechend können die Renditen und damit auch die tatsächliche Auszahlungshöhe anders ausfallen als erhofft. In der Regel konnten Versicherte aber von einer Mindestauszahlung ausgehen. "Versicherungen kalkulieren eigentlich vorsichtig", sagt Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten (BdV).
Die Rendite aus einer Lebensversicherung wird von drei Faktoren bestimmt: erstens der Garantiezins, zweitens die Überschussbeteiligung und drittens die Bewertungsreserven. Während die Lebensversicherer bereits die Garantieverzinsung gesenkt haben, geht es nun an die Bewertungsreserven – die Buchgewinne durch steigende Kurse. Die Frage, wie viel dieser Reserven den Anlegern zusteht, hat den BGH in Karlsruhe im Sommer 2018 beschäftigt (Az.: IV ZR 201/17).
Bewertungsreserven: In die Bewertungsreserven fließen Kursgewinne zum Beispiel von Wertpapieren wie Aktien und festverzinslichen Papieren aber auch von Immobilien ein. Die Geldanlagen werden von den Lebensversicherern in ihren Bilanzen ausgewiesen – sie stehen somit in den "Büchern". Steigt der Marktwert der Buchwerte, kommt es zu so genannten "Buchgewinnen". Aufgrund der Niedrigzinsphase steigen die Buchwerte der vor Jahren erworbenen festverzinslichen Papiere – im Vergleich zur aktuellen Situation – überproportional an. Entsprechend hoch fiel die Beteiligung der Kunden aus. Die Bewertungsreserven sind Teil der Gesamtverzinsung am Ende der Vertragslaufzeit.
Der BGH-Urteil zu den Bewertungsreserven
Der BGH bestätigte, dass Lebensversicherungen nicht mehr die Hälfte ihrer Bewertungsreserven an ihre Versicherten auszahlen müssen. Eine entsprechende Neuregelung von 2014 sei verfassungsgemäß.
Dabei geht es um viel Geld. Norbert Pieper von der Finanzaufsicht BaFin zufolge betrugen die Bewertungsreserven der Versicherer im Jahr 2017 rund 132 Milliarden Euro. Und die niedrigen Zinsen setzen den Versicherern zu. Zu hohe Ausschüttungen würden die Lage der Lebensversicherungen verschärfen, von denen derzeit jede dritte unter Aufsicht der Finanzaufsicht Bafin steht.
Kritik der Verbraucherschützer
Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) begrüßt das Urteil: "Die aktuelle Regelung dient dem angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen ausscheidender und im Versichertenkollektiv verbleibender Versicherungsnehmer", sagt GDV-Experte Mathias Zunk. Die Sicherheit in die Leistungsversprechen der Versicherer und damit das Vertrauen in die Branche werden gestärkt.
Anders sieht dies BdV-Fachmann Axel Kleinlein. Die Verbraucherschützer hatten schon 2005 das Recht der Anleger auf Beteiligung an den Bewertungsreserven erstritten und wollen die Einschränkung nun nicht hinnehmen. Zumal Kleinlein die Verantwortung aufseiten der Versicherungen sieht: "Nicht die niedrigen Zinsen sind Schuld, sondern die Versicherungen haben sich verkalkuliert, aber die Kunden müssen dafür zahlen." Er schätzt, dass nur noch fünf Prozent der Bewertungsreserven ausgezahlt werden.
Die Konsequenzen für Verbraucher
Die Verknappung der Bewertungsreserven ist rechtens, aber sie muss begründet werden, so der BGH. Verbrauchern wird das finanziell wenig nutzen, vermutet Rechtsanwalt Schöller. "Der Versicherte wird nicht mehr Geld aus den Bewertungsreserven bekommen – nur eine bessere Begründung warum er nicht mehr bekommt", sagt er. Die Begründung hat der BGH in seinem Urteil angemahnt und den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückverwiesen.
Kleinlein rät Besitzern von bereits gekündigten oder abgelaufenen Verträgen, die möglicherweise eine zu niedrige Bewertungsreserve ausgezahlt bekommen haben, ihren Versicherer anzuschreiben und um Unterbrechung der Verjährung zu bitten. So hielten sie ihre Ansprüche bei einem späteren positiven Urteilsspruch aufrecht.
Der Immobilienmarkt
Doch wie viele Bauherren kämpfen aktuell tatsächlich mit einer zu niedrigen Auszahlung und haben damit ein Rückzahlungsproblem ihres Baudarlehens. Genaue Zahlen sind nicht zu bekommen, nur so viel: "Um den Immobilienmarkt unter Druck zu setzen, sind es zu wenige", sagt Schöller. Doch auch wenn die Auszahlung der Lebensversicherung zu gering ausfällt, stehen die Bauherren in der Regel nicht vor einem finanziellen Desaster. "Meistens bieten die Banken Darlehen an, mit denen der Bauherr die finanzielle Lücke schließen kann."
Die Problematik, ein Baudarlehen mit einer Lebensversicherung zu koppeln, ist inzwischen erkannt worden. "Diese Art der Baufinanzierung wird aktuell kaum noch angeboten", erklärt Verbraucherschützerin Behn.
- dpa