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EU-Atomkraft-Regel: Für die Grünen der GAU


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EU-Atomkraft-Regel
Die Grünen haben geschlafen

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 11.01.2022Lesedauer: 3 Min.
Robert Habeck und Annalena Baerbock (Symbolbild): Besonders die Grünen regen sich über die neue EU-Taxonomie auf.Vergrößern des Bildes
Robert Habeck und Annalena Baerbock (Symbolbild): Besonders die Grünen regen sich über die neue EU-Taxonomie auf. (Quelle: Frank Ossenbrink/imago-images-bilder)
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Deutschland wird nicht verhindern können, dass Atomkraftwerke von der Europäischen Kommission als nachhaltig eingestuft werden. Das ist besonders für die Öko-Partei gefährlich.

Markiger kam eine Ablehnung gegen ein europäisches Projekt selten daher. Ein "klares Nein" zur Taxonomie werde die Bundesregierung nach Brüssel kabeln, drohen Bundesumweltministerin Steffie Lemke (Grüne) und der Parteivorsitzende der Grünen, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Atomkraft sei aus Sicht der deutschen Bundesregierung alles andere als nachhaltig.

Dumm ist nur: Die Grünen wussten – wie alle anderen politischen Parteien – seit Monaten, dass die EU-Kommission die Kernenergie für ihren Beitrag zum Klimaschutz adeln will. Sie haben nur geschwiegen. Jetzt ist die Sache kaum noch zu stoppen.

Dennoch wird erbittert gegen das neue Regelwerk protestiert, mit dem Europa Investoren signalisieren will, welche Finanzanlagen nachhaltig und damit zukunftsfest sind.

Deutschland kämpfte fürs Erdgas

Die Idee dahinter: Will Europa zur Jahrhundertmitte klimaneutral leben und wirtschaften, gibt es Investments, die in den nächsten Jahren rapide an Wert verlieren. So würde beispielsweise jetzt schon niemand mehr in eine neue Braunkohlegrube investieren. Nur Zocker würden über ein Entwicklungsprojekt für eine Erdöl-Bohrinsel nachdenken. Aber auch Bürogebäude, die zu viel Energie verbrauchen, und Investmentfonds, die große Anteile von "braunen" Unternehmen enthalten, werden unattraktiver.

Von vornherein war klar, dass die Taxonomie auch Übergangstechnologien bewerten muss, vor allem im Bereich der Energieerzeugung. Offensichtlich war auch, dass Frankreich und vor allem einige osteuropäische Länder gern die Atomkraft als nachhaltig eingestuft haben wollten. Schließlich haben Kernreaktoren zwar viele Probleme, über die man streiten muss, aber eines ist eben auch sicher:

Die Stromerzeugung mittels Kernspaltung belastet das Klima weniger als die meisten anderen Technologien, weil kein Kohlendioxid ausgestoßen wird. Deutschland machte sich für Erdgas als Übergangstechnologie stark, das zwar bei der Verbrennung CO2 freisetzt, dessen Bilanz aber besser ist als die von Kohle und Öl.

Wir haben die Debatte verschlafen

Anstatt aber im Diskussionsprozess heftig gegen die Einstufung der Kernenergie zu protestieren, hörte man von den Grünen nichts. Sie glaubten, die Sache werde sich auf der Zeitschiene von allein erledigen: Weil die Genehmigung und der Bau neuer Reaktoren Jahrzehnte braucht, erledige sich die vermeintliche Renaissance der Kernkraft auf dem kleinen Dienstweg. Nach 2050 sollen die Übergangstechnologien ja ebenfalls auslaufen.

So hörten sie geduldig zu, als Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sein Narrativ von der neuen, sicheren Kernenergie entwickelte. Sie hielten die Klappe, als ihre eigenen Parteifreunde in Skandinavien auf einmal viel Gutes in der Kernenergie entdeckten. Sie schwiegen auch dann noch, als sich Politiker in Osteuropa für die neuen attraktiven Mini-Atomkraftwerke von der Stange begeisterten, mit denen künftig alles schneller, preiswerter und sicherer werden soll.

Sie haben geschlafen. In Deutschland herrschte nach der Fukushima-Katastrophe und dem anschließenden endgültigen Atomausstieg schließlich endlich Ruhe in der Nuklear-Debatte. Man war sich zu sicher, dass alle anderen irgendwann auch auf den vorbildlichen deutschen Weg einschwenken würden.

Für die Grünen ist der Schritt gefährlich

Doch das Gegenteil passiert. Polen, Frankreich, Tschechien, Finnland und die Niederlande wollen neue Anlagen bauen. Und weil die Regierungen diese Vorhaben garantieren, wird auch investiert, – künftig auch mit dem Segen der Europäischen Gemeinschaft.

Es ist bitter: Obwohl sie jetzt mitregiert, kann die deutsche Öko-Partei nicht verhindern, dass ihr Gründungsmythos "Atomkraft – Nein danke" durch die europäische Kanonisierung der Atomkraft irreparabel beschädigt wird. Das ist nicht nur peinlich. Für die Grünen wird es gefährlich.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Ihr neuer Bestseller heißt: Die Kanzlerin. Porträt einer Epoche. Sie können es jetzt bestellen.

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