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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Krypto und Kriminalität Wie Bitcoins für schmutzige Geschäfte genutzt werden
Der Bitcoin hat mittlerweile den Weg in den Mainstream gefunden. Doch trotz des Hypes haftet der Kryptowährung ein schmutziges Image an. Sind Bitcoins nur ein Werkzeug für Kriminelle?
Drogen, Waffen, Geldwäsche: Es gibt viele Verbrechen, bei denen Bitcoins eine zentrale Rolle spielen. Auf der Darknetplattform "Silk Road" beispielsweise wurden jahrelang illegale Waren im großen Stil gegen Bitcoin gehandelt, ehe sie zerschlagen wurde. Auch nach echten oder vorgetäuschten Hackerangriffen verlangen die Angreifer oft Bitcoinzahlungen als Lösegeld.
Solche Fälle nagen am Image der Kryptowährung, die spätestens 2020 zum beliebten Spekulationsobjekt für professionelle und private Anleger geworden ist. Selbst angesehene Geschäftsleute lassen sich von dem Hype mitreißen. Doch reicht das, um der Kryptowährung einen seriösen Anstrich so verleihen? Oder bleibt sie ein Zahlungsmittel unter Kriminellen, von dem man besser die Finger lässt?
Nicht so anonym, wie viele glauben
Zunächst einmal muss man natürlich sagen, dass auch "echtes Geld" für kriminelle Machenschaften verwendet wird – ohne, dass dies hinterfragt wird oder Zweifel am Wert des Zahlungsmittels weckt. Kryptogeld bietet allerdings gewisse Vorteile für technikaffine Kriminelle. Das liegt vor allem an der grundsätzlichen Anonymität und der dezentralen Struktur der zugrundeliegenden Technologie, der sogenannten Blockchain.
Anders als Fiatwährungen können Kryptowährungen von jedem, überall und jederzeit gesendet und empfangen werden. Will man Bitcoins von A nach B überweisen, müssen weder der eigene Name noch andere Informationen angeben werden. Kriminelle können dadurch weitgehend problemlos Gelder an jede Instanz auf der Welt überweisen, ohne dabei ihre Identität preiszugeben. Für Ermittlungsbehörden ist es schwer, diese Geldflüsse konkreten Personen zuzuordnen.
Doch so anonym wie viele Menschen denken, sind Bitcoins und andere Kryptowährungen längst nicht. Durch die transparente Architektur der Blockchain lassen sich Transaktionen zu einem gewissen Grad nachvollziehen. Die Blockchain funktioniert wie ein öffentliches Register, in dem jeder einsehen kann, von welcher Adresse wann eine bestimmte Summe an eine andere Adresse überwiesen wurde. Mit diesen Informationen ist es möglich, Zahlungsmuster zu identifizieren und Rückschlüsse auf mögliche kriminelle Machenschaften zu ziehen.
Das Problem mit der Geldwäsche
Diese Transparenz stellt für alle, die Kryptowährungen auf illegale Weise erworben haben, irgendwann ein Problem dar. Denn spätestens wenn Kriminelle Bitcoins in reguläre Fiatwährungen umtauschen wollen, stehen sie vor dem Problem, die Herkunft ihrer Gelder verschleiern zu müssen. Und das kann unter Umständen komplizierter sein und länger dauern, als man erwarten würde.
"Gelder aus illegalen Aktivitäten bleiben häufig so lange unangetastet, bis ein effektiver Weg gefunden wird, um sie auszahlen zu können", sagte etwa Tom Robinson, Gründer der Krypto-Analysefirma Elliptic, bereits vor drei Jahren dem Portal "Vice News". Gauner laufen also Gefahr, von Strafverfolgern entdeckt zu werden, sobald sie versuchen, ihren Reichtum in die "echte" Welt zu tragen. Würden sie stattdessen mit Bargeld oder Gold handeln, wäre die Gefahr entdeckt zu werden kleiner.
Gangster nutzen seltener Bitcoin
Dass Geldwäsche bei Kryptowährungen weniger verbreitet sein könnte als angenommen, legen aktuelle Zahlen des sogenannten "Crypto Crime Report" der Analysefirma Chainanalysis nahe, die vor allem Strafbehörden, Finanzinstituten oder Versicherungen bei der Analyse von Kryptotransaktionen unterstützt. Dem Report zufolge ist der Anteil von Transaktionen mit kriminellem Hintergrund am gesamten Transaktionsvolumen aller Kryptowährungen im vergangenen Jahr gesunken – auf gerade einmal 0,34 Prozent, was umgerechnet in etwa zehn Milliarden US-Dollar entspricht. Ein Jahr zuvor lag der Wert noch bei 2,1 Prozent.
Außerdem haben die Analysten errechnet, dass sich über die Hälfte der illegalen Transaktionen gerade einmal 270 Adressen zuordnen lässt. Diese Konzentration auf wenige Akteure ist den Experten zufolge auch auf die Professionalisierung der Kryptobranche zurückzuführen. Denn Bitcoins sind mittlerweile als gängiges Spekulationsobjekt etabliert. Auch große Firmen wie Paypal oder Tesla setzen auf die Kryptowährung. Deswegen wollen immer weniger Bitcoin-Handelsplätze etwas mit kriminellen Geschäften zu tun haben, vermuteten die Experten. Kriminelle können entsprechend nur noch auf weniger Anbieter zurückgreifen, um Bitcoins zu waschen. Dadurch wächst die Gefahr, von Strafverfolgern entdeckt zu werden.
Ob diese Zahlen aber wirklich der Realität entsprechen, ist fraglich. Zum Vergleich: Einer Schätzung des "Review of Financial Studies" aus dem Jahr 2019 zufolge hatten mit 46 Prozent fast die Hälfte aller Transaktionen einen widerrechtlichen Hintergrund. Die weltweit schwachen Regulierungen und die vielen Schlupflöcher machen es schwer, genaue Daten zu erheben. Wie tief Bitcoin und Co. tatsächlich im kriminellen Sumpf stecken, weiß also niemand genau.
Die Beute bleibt unangetastet
Generell ist es seit jeher ein Problem, große Mengen Kryptowährung in echtes Geld einzutauschen – egal ob kriminell erbeutet oder legal verdient. Denn Bitcoins einfach auf ein Bankkonto überwiesen, ist nicht möglich. Zwar gibt es Geldautomaten, die Kryptowährungen als Bargeld auszahlen, doch ist die tägliche Auszahlsumme gedeckelt. Größere Summen Kryptogeld können auf Tauschbörsen wie Coinbase mit Sitz in den USA umgetauscht werden. Doch auch dort sind die täglichen Auszahlungen begrenzt. Zudem verlangen viele Tauschbörsen einen Identitätsnachweis ihrer Kunden.
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Wer als Krimineller also Hunderttausende oder sogar Millionenbeträge umtauschen will, müsste erstens Geduld mitbringen und zweitens hoffen, dass die regelmäßigen Auszahlungen nicht die Finanzbehörden alarmieren. Denn solche Transaktionen können ein Hinweis auf Geldwäsche sein. Wegen dieser Hürden wird vermutet, dass ein Großteil illegal erworbener Bitcoins über unseriöse Börsen oder in Ländern mit schwächeren Regularien eingetauscht wird. Allerdings fallen bei diesen Börsen zum Teil hohe Gebühren an, zudem werden sie oft selbst Ziel von Hackerangriffen. Außerdem kommt es nicht selten vor, dass die Betreiber solcher Plattformen selbst kriminell sind.
Weltweite Regulierung gefordert
Bis heute sind Bitcoins schwach reglementiert. Um illegale Geschäfte mit Bitcoins und Geldwäsche zu unterbinden, werden daher schon länger strengere Regeln gefordert. Erst im September legte die EU-Kommission einen Vorschlag dafür vor. Auch die Chefin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, forderte zuletzt eine weltweit einheitliche Regulierung. "Denn wenn es ein Schlupfloch gibt, wird dieses Schlupfloch genutzt", so Lagarde in einem Interview auf dem Onlineforum "Reuters Next".
Zwar gibt es in der Europäischen Union, Großbritannien oder den USA bereits strengere Regeln, um etwa Geldwäsche mit Kryptowährungen zu verhindern, doch können Kriminelle weiterhin – ähnlich wie bei Steueroasen – dorthin ausweichen, wo es schwache oder keine Regeln gibt. Eine Möglichkeit sinnvoller Regulierung sehen Experten deshalb darin, dass der Umtausch von Kryptowährungen in reguläres Geld nicht mehr anonym stattfinden kann. Würde der Tausch stattdessen über eine regulierte Bank oder Börse abgewickelt, wären die Zahlungsströme wieder nachvollziehbar. Ein Verbot, wie es auch innerhalb der EU diskutiert wird, halten manche Beobachter allerdings für wenig sinnvoll. Dies würde ebenfalls zu Ausweichbewegungen führen.
- New York Times: "Bitcoin Has Lost Steam. But Criminals Still Love It"
- Deutsche Welle: "Cyberkriminalität auf neuem Höchststand"
- Manager Magazin: "Dann reguliert mal schön!"
- Vice.com: "Criminals are racing to cash out their bitcoin. Here´s how they´re doing it"
- Zeit.de: "Alle Augen auf die Beute"
- Stern.de: "Schmutziges Geld? Der große Irrtum um Bitcoin und Geldwäsche"
- Businessinsider.de: "Die dunkle Seite des gehypten Bitcoin: Darum droht der Bitcoin-Markt das nächste Paradies für Offshore-Konten zu werden"