Chaos an der Börse Bei Geld und IT-Sicherheit hört der Spaß auf
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Erst heben keine Flugzeuge mehr ab, dann rumpelt es im Depot. Wenn die Basisanforderungen bei Firmen nicht stimmen, ist Ärger programmiert.
Den Namen Crowdstrike kennen nach dem weltweiten IT-Crash nun ein paar Millionen Menschen mehr als zuvor. Das börsennotierte US-Unternehmen für IT und Cybersicherheitstechnologie war am 19. Juli 2024 durch ein fehlgeschlagenes Software-Update dafür verantwortlich, dass Airlines, Fast-Food-Filialen, Kliniken und viele andere Firmen und Einrichtungen von einem der größten IT-Fehler der letzten Jahrzehnte betroffen waren.
Am Montag, dem 22. Juli machte sich dann, auf Europa bezogen, ein anderer Dienstleister wenig Freunde. Und das zum wiederholten Male. Die Deutsche Börse meinte, ihre Dax-Berechnung anpassen zu müssen und bepreiste den Deutschen Aktienindex Dax am Montag früh mal eben auf 17.740 Punkte. Ein Fehler.
Der korrekte Kurs lag etwa 500 Punkte darüber. Die Folge waren große Verwerfungen bei ETFs, Hebelpapieren und Anlagepapieren. Zwar korrigierte die Börse im Laufe des Tages den Dax-Kurs. Doch die Panne bereitete in vielen Banken einerseits einen Haufen Arbeit und andererseits schlechte Laune.
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Frankfurt im Abwärtstrend
Aktive Privatanleger wissen, wie wichtig zuverlässige Kursstellungen sind und welche Auswirkungen Fehlpreisungen auf Stop-Loss-Order oder den Limit-Handel haben können. Umso erstaunlicher, wie lieblos die Antwort der Deutschen Börse auf eine offizielle Anfrage ausfiel. Man ließ lediglich verlauten: "Der Fehler wurde korrigiert."
Zur Person
Daniel Saurenz ist Finanzjournalist, Börsianer aus Leidenschaft und Gründer von Feingold Research. Mit seinem Team hat er insgesamt mehr als 150 Jahre Börsenerfahrung und bündelt Börsenpsychologie, technische Analyse, Produkt- und Marktexpertise. Bei t-online schreibt er über Investments und die Lage an den Märkten, immer unter dem Fokus des Chance-Risiko-Verhältnisses für Anleger. Sie erreichen ihn auf seinem Portal www.feingoldresearch.de.
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Ein wenig passt dieses Bild zu dem Eindruck, den man in den letzten Jahren als privater Anleger von den Frankfurtern bekommen konnte. Vor längerer Zeit waren sie sehr wichtige Spieler im Segment der Privatanlegerbörsen. Mittlerweile haben ihnen Stuttgart und mit immer größerer Power auch die Börse München den Rang abgelaufen. Das erste Halbjahr hat die Tendenz verstärkt.
Aber wie sieht es überhaupt aus nach dem ersten Halbjahr im Segment der Broker und Börsen?
Sommer mit guter Laune
Im Juni und Juli stehen in fast allen Branchen Sommerfeste an. Bei den Industrieverbänden fielen die Gespräche in diesem Jahr nicht nur gedämpft aus, vielmehr brachten auch sonst zurückhaltende Verbände ihren Unmut über die Ampelkoalition zum Ausdruck. In der Finanzszene dagegen ist wenigstens dank des Marktumfelds die Stimmung gut. Ein Dax kurz vor Rekordhoch überdeckt immer größer werdende Regulierungsanforderungen und Vorschriften. Bei den Treffen sind natürlich auch die Broker vertreten, zumal das Segment seit dem Markteintritt von Trade Republic besondere Aufmerksamkeit erfährt.
Nvidia hilft Brokern und Börsen
Mit der Rallye an den Aktienmärkten bleibt denn auch die Stimmung bei den deutschen Brokern gut. Zwar fehlte im ersten Halbjahr die Volatilität auf Indexbasis, doch Aktien wie Nvidia oder Microsoft rissen vieles heraus. Mit anderen Worten: Für Broker und aktive Anleger ist es immer am schönsten, wenn ein Markt hohe Schwankungen ausweist. Dann macht aktives Trading besonderen Spaß.
Andererseits sind aber die meisten Anleger von Natur aus "Aktien long" und setzen auf steigende Kurse. Wer Technologie-Aktien im Portfolio hat oder einfach auf Nasdaq oder Dax gesetzt hat, fährt 2024 bisher sehr gut, und der Broker mit ihm. Interessanterweise konnten die Broker-Aktien nur teilweise profitieren. Dabei gibt es reichlich Neuerungen.
Broker-Aktien im Schatten
Aktien von Brokern fristen oft ein Schattendasein und tauchen allenfalls auf dem Radar von Nebenwerte-Spezialisten auf. Dabei bieten die Titel eine knackige Performance, wenn das Umfeld stimmt. Die Ergebnisse großer Banken zeigten am 24. Juli, dass das Umfeld für Aktienhandel und Kapitalmarkt freundlich ist. Die Handelsergebnisse beim Broker Flatex waren durchaus erfreulich im zweiten Quartal. Zuvor war bereits die Aktie von Flatex Degiro innerhalb von 3 Monaten um 30 Prozent nach oben gesprungen. Großaktionär Bernd Förtsch äußerte sich öffentlich mehrfach kritisch über die schwache Entwicklung. Mit einer neuen Ausrichtung will er frischen Schwung ermöglichen. An neuen Produkten wie etwa Kryptowährungen wird gearbeitet.
Berliner im Umbruch
Auch bei der Smartbroker-Aktie ist die Ausgangslage spannend. Seit Jahresbeginn hat der Kurs 30 Prozent verloren und sich seit August vergangenen Jahres sogar halbiert. Inzwischen kratzt die Marktkapitalisierung an der Schallmauer von 100 Millionen Euro. Doch es gibt guten Grund zu der Vermutung, dass die Talsohle durchschritten ist und die Aktie auf Comeback-Kurs geht. Nachdem die Berliner einige Hürden überwinden mussten und die App endlich läuft, rückt nun das Neukundenwachstum in den Fokus. Hier kann aus dem Vollen geschöpft werden, denn das für 2024 reservierte Werbebudget blieb bislang nahezu unangetastet.
Börsen mit frischem Angebot
Das Wettbewerbsumfeld ist in ständiger Bewegung, wie die jüngsten Brokerangebote zeigen. Doch auch die Börsen positionieren sich und machen mit neuen Tools auf sich aufmerksam. Erst kürzlich hat die Tradegate einen eigenen Neo-Broker unter dem Namen Tradegate direct an den Start gebracht. Anfang Juli folgte Gettex aus München mit neuem Onlineauftritt und vor allem, wie angesprochen, dem stetigen Gewinn von Marktanteilen vor allem im Vergleich zur Frankfurter Börse.
Für das zweite Halbjahr gibt es im Hinblick auf das Marktumfeld nun zwei potenziell gute Ausgänge: Entweder korrigiert der Markt und die Volatilität schnellt nach oben oder aber die Rallye wird noch weiter ausgebaut. Einzig negativ wäre eine lahme und lähmende Seitwärtsbewegung auf aktuellem Level. Dann zeigen aktive Anleger wenig Aktivität, und das schmeckt Brokern natürlich am wenigsten. Auf eine Art der Volatilität würden Anleger dagegen natürlich gern verzichten – falsche Dax-Kurse aus Frankfurt und damit verbundene Unruhe im Depot. Das braucht wirklich kein Anlegermensch.
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