FRANKFURT/LEVERKUSEN (dpa-AFX) - Der Kursverfall der Bayer-Aktien infolge der Milliarden-Rechtsrisiken in den USA wird auf der Hauptversammlung der Leverkusener abermals für reichlich Aktionärsschelte sorgen. Auf der Veranstaltung an diesem Freitag werden Konzernchef Bill Anderson und Aufsichtsratsboss Norbert Winkeljohann Rede und Antwort stehen müssen.
Seit dem letzten Aktionärstreffen vor einem Jahr haben die Anteilsscheine rund ein Fünftel ihres Wertes eingebüßt, während der deutsche Leitindex Dax um rund ein Fünftel zugelegt hat. Mit einem Börsenwert von nur noch knapp 22 Milliarden Euro ist Bayer mittlerweile zu einem Zwerg im Dax geworden.
"Aus Sicht des Kapitalmarktes hat Bayer drei große Herausforderungen: die Klagewelle, die Zukunft von Glyphosat und eine schwache Pharmapipeline", fasst Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance bei Deka Investment, laut vorab veröffentlichter Rede die Lage aus seiner Sicht zusammen. Bayer stecke in einer strategischen Sackgasse.
Zwar habe Bayer-Chef Bill Anderson den 2018 abgeschlossenen Kauf des US-Agrarchemiekonzerns Monsanto nicht zu verantworten, so Speich. "Aber nächstes Jahr um diese Zeit sind Sie fast drei Jahre an der Spitze von Bayer. Bis dahin muss sich der Aktienkurs nach oben bewegt haben."
Den Kauf von Monsanto hatte Andersons Vorgänger Werner Baumann gegen den Widerstand vieler Investoren durchgeboxt; er brachte den Leverkusenern die Klagewellen rund um Gesundheitsrisiken durch den Unkrautvernichter Glyphosat und die seit Jahrzehnten verbotene Umweltchemikalie PCB ein, die schon Milliarden Euro verschlungen haben. Das Kursminus seit Sommer 2018, als der erste Glyphosat-Prozess verloren ging, beläuft sich sogar auf fast 80 Prozent.
Wegen hoher Schulden hatte Bayer die Dividende bereits 2024 auf das gesetzliche Minimum zusammengestrichen; auch im laufenden Jahr werden nur wenige Cent je Aktie ausgeschüttet.
Gleichwohl: "Der Schuldenabbau, der laut Herrn Anderson 'Priorität hat', kommt kaum voran", kritisiert Janne Werning, Leiter ESG Capital Markets & Stewardship bei der Fondsgesellschaft Union Investment. Die Agrarsparte, um derentwillen man Monsanto übernommen habe, sei zudem das neue Sorgenkind. Operativ laufe es nicht rund, von den versprochenen Synergien zwischen Pflanzenschutz und Saatgut sei nicht viel zu sehen.
Werning spricht laut der vorab veröffentlichten Rede von einem Teufelskreis bei Bayer. Er verweist zudem auf die Bitte des Konzerns an seine Aktionäre, auf der Hauptversammlung den Weg für eine mögliche massive Kapitalerhöhung um bis zu 35 Prozent freizumachen. "Während wir daran arbeiten, die Rechtsstreitigkeiten einzudämmen, befinden wir uns in einer Situation, in der wir unter Umständen schnell Kapital benötigen", hatte Aufsichtsrats-Chef Winkeljohann den Schritt im März begründet.
Bayers Vorstandsvorsitzender Anderson wird auf der Hauptversammlung ebenfalls für den Schritt werben: "Es gibt derzeit keine konkreten Pläne, von diesem genehmigten Kapital Gebrauch zu machen. Aber es würde uns wichtigen Handlungsspielraum geben, die Rechtsstreitigkeiten einzudämmen und das Kreditrating auf einem angemessenen Niveau zu halten", heißt es in seiner vorab veröffentlichten Rede. Das frische Geld würde nur für eine Eindämmung der Rechtsstreitigkeiten in den USA genutzt werden, nicht für Übernahmen oder vergleichbare Schritte.
Trotz aller Kritik wollen denn auch sowohl Speich als Vertreter der Deka sowie Werning von der Union Invest dem Schritt zustimmen. "Uns bleibt gar nichts anderes übrig als dem Kapitalvorratsbeschluss zuzustimmen", so Speich. "Bei dem schwachen Cashflow, der hohen Verschuldung und den Unwägbarkeiten im operativen Geschäft halten wir es schlichtweg für unverantwortlich, wenn Bayer ohne Kapitalvorratsbeschluss ausgestattet ist."/mis/niw/stk
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