Corona-Pandemie Debatte über Hilfen für lernschwache Schüler
Berlin (dpa) - Der Deutsche Lehrerverband fordert, lernschwachen Kindern und Jugendlichen anzubieten, das Schuljahr wegen der Corona-Pandemie freiwillig zu wiederholen - ohne dass sie als "Sitzenbleiber" gelten.
"Es gibt eine Schülergruppe, die braucht ein Jahr zusätzlich", sagte Präsident Heinz-Peter Meidinger dem "Tagesspiegel" (Donnerstag). Spätestens bei den Abschlussprüfungen oder im Abitur würden diese Jugendlichen sonst scheitern.
"Der Schüler geht dann mit weniger Rüstzeug von der Schule - und hat im weiteren Leben schlechtere Chancen", warnte Meidinger. In einem Wiederholungsjahr könnten Schüler gezielt Lernstoff nachholen und gefördert werden. Automatische Versetzungen, ein halbes Extra-Schuljahr oder ein genereller Verzicht auf Sitzenbleiben und Noten seien "nur ein Herumdoktern an Symptomen".
Das freiwillige Wiederholen eines Schuljahrs ist auch heute schon möglich. Mancherorts wird dies allerdings als Wiederholung wegen Nichtversetzung gewertet. Das bedeutet, dass ein Jugendlicher unter Umständen die Schule verlassen muss, wenn er eine Klasse freiwillig wiederholt und dann nicht versetzt wird.
Bund und Länder hatten sich am Dienstag darauf verständigt, den zunächst bis Ende Januar befristeten Corona-Lockdown bis Mitte Februar zu verlängern. Hauptgrund ist die Sorge über neue, ansteckendere Virusvarianten. In den Schulen soll es weiter keinen Präsenzunterricht geben. In einzelnen Ländern gibt es allerdings Überlegungen, zumindest an den Grundschulen schon früher wieder in den Präsenzbetrieb einzusteigen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gibt an diesem Donnerstag eine Pressekonferenz, in der es wieder um den Kampf gegen die Corona-Pandemie gehen wird. Am Abend nimmt sie dann an einem Videogipfel der EU-Staats- und Regierungschefs teil. Im Mittelpunkt steht die Beschleunigung der Corona-Impfungen in Europa. Außerdem wollen die 27 Staaten Wege finden, die neuen Varianten des Coronavirus zu bremsen.
In Deutschland sorgen die jüngsten Lockdown-Beschlüsse für heftige Diskussionen - vor allem der Plan, Schulen und Kitas weiter geschlossen zu halten. Wenn die Bundesländer die vereinbarten Pläne umsetzen, werden die meisten Kinder und Jugendlichen Schule oder Kita bald acht Wochen am Stück nicht mehr von innen gesehen haben.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) warnte vor massiven Nachteilen vor allem für Abgänger: "Der Lockdown und die Schulschließungen treffen diejenigen Jugendlichen besonders hart, die in diesem Sommer nach der Schule eine Ausbildung beginnen wollen", sagte DGB-Vize Elke Hannack den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Die Gefahr ist groß, dass gerade Jugendliche mit mittlerem Schulabschluss oder Hauptschulabschluss zu den Verlierern der Corona-Krise werden."
Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) forderte zusätzliche Angebote für benachteiligte Schüler. Sie verwies darauf, dass einige Bundesländer schon nach dem vergangenen Schuljahr Empfehlungen in den Zeugnissen gegeben hätten, an sogenannten Summer Schools teilzunehmen. "Ich habe den Ländern angeboten, dass wir solche Programme in den Ferien wieder auflegen können", sagte Karliczek dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, warnte vor einem Bildungs-Desaster. "Deutschland hängt die Kinder aus bildungsfernen Haushalten ab, der wochenlange Distanzunterricht verschärft die sozialen Gegensätze weiter", sagte er der "Rheinischen Post". "Schulöffnungen sind vor allem eine Gerechtigkeitsfrage. Man hätte die Grundschulen zum 1. Februar wieder öffnen und für die weiterführenden Schulen Wechselunterricht einführen müssen."
Der Deutsche Philologenverband fordert Stellen für "Digital-Helfer" an Schulen. "Diese "Digital-Helfer" sollen die Lehrkräfte bei der Umsetzung von Online-Unterricht unterstützen sowie bei der Integration digitaler Medien in den Unterricht helfen", sagte Verbandsvorsitzende Susanne Lin-Klitzing den Funke-Zeitungen. Ähnliche Stellen gibt es an Universitäten.