Kontrolle der Lieferketten EU will große Unternehmen auf Menschenrechte verpflichten
Durchbruch in Brüssel: Die Minister der Mitgliedsstaaten haben sich grundsätzlich auf ein Lieferkettengesetz geeinigt. Zufrieden sind damit allerdings nicht alle.
Die EU-Mitgliedstaaten haben sich grundsätzlich auf die Einführung eines europaweiten Lieferkettengesetzes geeinigt. Damit sollen große Unternehmen verpflichtet werden, ihre gesamte Lieferkette darauf hin zu kontrollieren, ob die Zulieferer gegen Umwelt- und Klimastandards sowie die Menschenrechte verstoßen. Die Kommission hatte ihren Vorschlag bereits im Februar vorgelegt.
Trotz der Einigung am Donnerstag ist vieles noch unklar. Der tschechische Industrieminister wertete diese dennoch als Erfolg: Es sei wichtig, dass Unternehmen "die Auswirkungen ihrer Tätigkeiten auf Menschenrechte und die Umwelt erkennen und verhindern", erklärte Jozef Sikela bei einem Treffen mit seinen Kollegen in Brüssel. Tschechien hat gerade den turnusmäßigen Ratsvorsitz inne.
Gesetz soll zunächst nur für große Unternehmen gelten
Laut der grundsätzlichen Einigung der Wettbewerbsminister der EU-Länder sollen die Regeln zunächst nur für sehr große Firmen mit mehr als 1.000 Angestellten und einem weltweiten Jahresumsatz von 300 Millionen Euro gelten. Die Kommission hatte zuvor eine Schwelle von 500 Beschäftigten bei einem weltweiten Jahresumsatz von 150 Millionen Euro vorgesehen.
Später sollen dem Willen der Minister nach auch Firmen mit zwischen 500 und 1.000 Beschäftigten und einem weltweiten Jahresumsatz von mehr als 150 Millionen Euro auf die Einhaltung von Menschenrechtsstandards achten müssen. In Branchen wie Kleidung, Schuhen oder Lebensmitteln soll die Grenze bereits bei 250 Mitarbeitenden liegen.
Für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) soll das EU-weite Lieferkettengesetz nicht gelten. Sie machen nach Kommissionsangaben 99 Prozent der Unternehmen in der EU aus.
Dem Kommissionsvorschlag zufolge müssen sich auch Unternehmen aus Drittländern an die Regeln halten, wenn sie einen bestimmten Umsatz in der EU erwirtschaften. Unter bestimmten Umständen sollen europäische Firmen auch für Verstöße der Zulieferer haften, wenn der Schaden etwa von einem europäischen Unternehmen und seinem Geschäftspartner gemeinsam verursacht wurde.
Kritik aus dem Europaparlament
Über derartige Details müssen die Mitgliedstaaten zudem noch mit dem EU-Parlament verhandeln. Dieses will seine Position im kommenden Jahr, voraussichtlich im Mai, festlegen. Viele Abgeordnete machen sich für strengere Regeln stark. Aus der Volksvertretung kam am Donnerstag auch gleich Kritik an der Einigung der Wettbewerbsminister. Denn die Mitgliedstaaten wollen den Finanzsektor größtenteils von den Regeln ausnehmen.
Die Grünen-Europaabgeordnete Anna Cavazzini bemängelte dies als "skandalös und nicht nachvollziehbar". "Der Finanzsektor hat eine enorme Lenkungswirkung", erklärte Cavazzini. "Dass jeder Mitgliedstaat selbst entscheiden können soll, ob das Gesetz für den eigenen Finanzsektor gilt, ist nicht ausreichend", kritisierte auch der SPD-Europarlamentarier Tiemo Wölken.
Initiative fordert mehr Engagement von Deutschland
Die Initiative Lieferkettengesetz begrüßte die Einigung der Minister auf EU-Ebene. "Trotzdem sind dringend Kurskorrekturen nötig, um Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung wirksam aus den Lieferketten von Unternehmen zu verbannen", teilte Johannes Heeg von der Initiative Lieferkettengesetz mit.
Kommende Woche will das Bündnis mit der Übergabe einer Petition mit 80.000 Unterschriften an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Bundesregierung auffordern, sich für ein weitreichendes EU-Lieferkettengesetz einzusetzen. Im September verständigte sich die Ampel-Koalition bereits darauf, die deutlich strengeren Pläne der EU-Kommission für ein Lieferkettengesetz zu unterstützen.
In Deutschland gibt es bereits ein Lieferkettengesetz, das ab Januar greift. Zunächst sind Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten betroffen. Ab 2024 sollen die Vorgaben auch für Firmen ab 1.000 Beschäftigten gelten. Die bisherigen Vorschläge für ein EU-Gesetz gehen also über die deutschen Vorschriften hinaus. Deutschland müsste entsprechend nachbessern.
- Nachrichtenagentur afp